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Einstweilen hatte Gombrowski die Sprache wiedergefunden.

»Willst du mich verarschen?«

»Du wirst doch wohl in der Lage sein, das mittlere Stückchen dazuzukaufen.«

»Es gibt aber noch einen dritten Eigentümer auf der Schiefen Kappe! Wenn der das mittlere Stückchen kauft, hat er ebenfalls genug Platz für den Windpark. Weißt du, was für eine beschissene Verhandlungssituation das ist?«

»Und weißt du, wem das andere Eignungsgebiet gehört?«, gab Arne zurück. »Das schmale Stück direkt am Waldrand?«

Statt einer Antwort schnaufte Gombrowski, wie er es tat, wenn er sich beim Skat verrechnet hatte. Arne hatte trotzdem Lust, den Namen zu sagen.

»Es gehört Kron. Ich kann dafür sorgen, dass er den Zuschlag bekommt. Wäre dir das lieber?«

Gombrowski starrte ihn an.

»Die Auswahl der Eignungsgebiete läuft unter Beteiligung der Landesregierung«, sagte Arne. »Mehr konnte ich nicht für dich tun. Kommst du am Montag zum Skat?«

Lächelnd schaute er dem breiten Rücken nach; Gombrowski kannte den Weg hinaus.

Die Haustür war noch nicht ins Schloss gefallen, als ein Baby zu schreien begann. Der Schreck hob Arne vom Stuhl. Die junge Frau Fließ hatte er vollständig vergessen. Fast im selben Moment erschien sie auf der Bildfläche, das Baby im Arm, und sah sich verschlafen um. Eine Sekunde hoffte Arne, Gombrowski wäre bereits gegangen und hätte die Tür ausnahmsweise geräuschlos ins Schloss gezogen. Unruhe im Dorf würde sich bei dieser Sache nicht vermeiden lassen. Was Arne allerdings nicht brauchte, waren streitende Parteien, die gleich in seinem Hausflur aneinandergerieten. Aber schon dröhnte die Stimme des alten Hunds durchs Haus, das Babygeschrei mühelos übertönend.

»Was machen Sie denn hier?«

»Unterschriften sammeln«, antwortete Frau Fließ.

»Wofür denn?«, polterte Gombrowski. »Oder wogegen?«

20 Wachs

»Bleib auf deiner Spur, verdammt!«

Auf dem Weg von Plausitz nach Unterleuten durchquerte man ein Waldstück, in dem die Bäume so dicht an der Straße standen, dass sie kleine Bugwellen in den Asphalt drückten. Die weißen Linien der Fahrbahnbegrenzung waren verschwunden, die Straßenränder halb in den Waldboden gesackt. Wer die Anordnung der Schlaglöcher nicht kannte und keinen Geländewagen fuhr, tat gut daran, die Geschwindigkeit auf 40 km/h zu begrenzen. Linda fuhr grundsätzlich 120 km/h. In Dörfern ging sie zähneknirschend und nur deshalb vom Gas, weil sie schlecht über Autofahrer schimpfen konnte, die ungebremst durch Unterleuten bretterten, wenn sie es selbst in Käffern wie Seelenheil, Wassersuppe oder Mantel nicht anders machte.

Es wäre Frederik wesentlich lieber gewesen, selbst am Steuer zu sitzen. Aber Linda konnte auf dem Beifahrersitz den Mund nicht halten, und auch Frederiks Geduld kannte Grenzen. Fahr schneller, halt Abstand, schalt doch mal runter, da vorn kannst du überholen. Das führte über kurz oder lang zum Krieg. Ein ungeschriebenes Gesetz ihrer Beziehung sah vor, dass Linda den Wagen fuhr.

Mitten im Wald krümmte sich die Straße zu einer scharfen Linkskurve. Auf beiden Seiten versperrten Bäume die Sicht. Wie immer ließ Linda den Frontera nach rechts treiben, bis der Schotter vom Straßenrand gegen den Unterboden prasselte, zog vor dem Scheitelpunkt nach links, suchte die Ideallinie und durchquerte die Kurve ohne Abbremsen auf der Gegenfahrbahn. Frederik hasste es, wenn sie das tat. Er wusste, dass sie sich heimlich darüber amüsierte, wie seine Hand den Griff der Beifahrertür umklammerte und der rechte Fuß ins Leere bremste. Als das Heck ausbrach, juchzte sie wie ein Kind in der Achterbahn. Sie steuerte leicht gegen und beschleunigte, bis der schwer beladene Wagen seine Stabilität wiederfand. Im Kofferraum lagerte eine Schleifmaschine für die Dielen, die sie im Baumarkt ausgeliehen hatten, ein Gerät von der Größe eines Kinderwagens und dem Gewicht eines Kühlschranks.

»Wenn hier einer entgegenkommt, sind wir tot.«

»Man sieht, wenn einer kommt.«

»Im Winter vielleicht, wenn die Bäume kahl sind. Jetzt sieht man überhaupt nichts.«

»Man sieht es zwischen den Bäumen flimmern. Vor allem bei roten Autos.«

Sie machte sich über ihn lustig. Jedes weitere Wort hätte nur als Steilvorlage für ihren Lieblingsmonolog zum Thema »Frederik ist ein Feigling« gedient. Um sich zu beruhigen, wandte er den Kopf zum Fenster. Der Birkenwald, den sie gerade passierten, war sein Lieblingsabschnitt auf der Fahrt von Plausitz nach Unterleuten. Er mochte es, wie das Gras den Boden zwischen den Stämmen polsterte. Langsam ließ der Wunsch nach, Linda vom Fahrersitz zu zerren und ihr ein paar Ohrfeigen zu verpassen. Frederik hätte gern gewusst, ob es normal war, dass große Liebe nur durch eine dünne Membran von großem Hass getrennt wurde. Leider konnte er niemanden fragen, weil er niemanden kannte, der seine Freundin aufrichtig liebte.

Ein paar hundert Meter voraus standen mehrere Autos am Fahrbahnrand, gesäumt von einer Reihe Schaulustiger.

»Da ist ein Unfall passiert«, sagte Frederik. »Fahr langsamer!«

»Kampfläufer«, antwortete Linda, ohne vom Gas zu gehen.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass sie nicht von den Schaulustigen, sondern von Vögeln sprach. Jetzt erkannte er auch, dass die Menschen am Straßenrand mit Ferngläsern und Photoapparaten bewaffnet waren und in den Wald schauten, alle in dieselbe Richtung. Frederik kannte die Stelle. Zwischen den Bäumen standen auch in Trockenzeiten flache Tümpel. Für einen Augenblick sah er drei schuppenartig gemusterte Vögel im Gras. Schon war der Frontera mit unverminderter Geschwindigkeit vorbeigebraust.

»Das wird dem Fließ gefallen, wenn er nachher hier vorbeikommt«, sagte Linda. »Hast du sein Lächeln gesehen? Falls das ein Lächeln sein sollte. Schwer zu sagen, bei diesem quadratischen Mund.«

Sie hatten den Vogelschützer in der Holzabteilung des Baumarkts getroffen. Mit dem Stapel Vierkanthölzer, der auf seinem Wagen balancierte, hätte er um ein Haar Linda gerammt, die vor dem Regal mit Hartölen meditierte. Als er sie erkannte, war er über die Begegnung in helle Aufregung geraten.

»Ach, Frau Franzen, wie gut, Frau Franzen, was für ein schöner Zufall.«

Seit sie wieder im Auto saßen, um vom Baumarkt nach Hause zu fahren, vertrieb sich Linda die Zeit damit, Fließ zu imitieren. Jetzt drehte sie den Innenspiegel zu sich und überprüfte, ob sie ihrem Mund eine quadratische Form geben konnte. Den nörgelnden Tonfall des Vogelschützers traf sie schon ziemlich genau.

»Frau Franzen, wir müssen uns unterhalten. Kräfte bündeln, Allianzen schmieden, Synergien bilden.«

Wider Willen musste Frederik lachen. Fließ hatte alles darangesetzt, Linda zu einem Treffen zu überreden. Je kühler sie sich gab, desto aufgeregter geriet seine Charmeoffensive. Offensichtlich begriff er nicht, dass er für Linda nicht einfach ein beliebiger Dorfnachbar war, sondern ein feindlicher Kombattant. Er versuchte, ihr etwas zu verbieten, und zwar nicht irgendetwas, sondern Bergamottes Koppelzäune. Damit hatte er eine Todsünde begangen. Vor jeder weiteren Begegnung musste der Kriegsrat tagen. Der Kriegsrat befand sich in Lindas Kopf. Frederik kam Beobachterstatus zu. Die Sitzung begann.

»Ich kapiere nicht, was der will«, sagte Linda. »Klar sucht der Verbündete wegen der Windkraft-Geschichte. Aber wie der sich vorhin an mich rangeschmissen hat, das war nicht normal. Weiß der etwas, das ich nicht weiß? Was kann das sein?«

Natürlich waren solche Fragen rhetorisch gemeint. Linda wollte nicht, dass Frederik antwortete. Sie brauchte ihn nur als Zuhörer, vor dem sie ihre Überlegungen ausbreiten konnte. Er rutschte tiefer in den Sitz, streckte die Beine und überließ Linda ihrer Analyse des Vogelschützers. Seine Wut war verflogen. Linda sprach in heiligem Ernst, und er fand es rührend, wie sie beim Reden die Fäuste auf dem Lenkrad ballte.