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»Das ist einmal eine Überraschung! durch welchen Zufall?« wiederholte dieser, im Zimmer auf und ab gehend wie einer, der sich einbildet, entzückt zu sein, und es zu verstehen geben will. – »Wie stehts zu Hause? hoffentlich befinden sich alle wohl und ist alles in Ordnung?«

»In Ordnung ist alles, aber nicht alle befinden sich wohl,« antwortete Bazaroff. »Nun sei nur ruhig, laß mir ein Glas Kwaß bringen, setz dich und höre, was ich dir in wenig Worten, aber hoffentlich hinreichend klar und deutlich sagen werde.«

Arkad wurde ruhig, und Bazaroff erzählte ihm sein Duell mit Paul Petrowitsch. Arkad war sehr erstaunt, sogar ergriffen davon, hielt aber nicht für nötig, das kundzugeben. Er fragte bloß, ob die Wunde seines Onkels wirklich ungefährlich sei, und als Bazaroff ihm antwortete, sie sei sehr interessant, aber durchaus nicht vom medizinischen Gesichtspunkte aus, zwang er sich zu einem Lächeln, empfand jedoch in seinem Innersten etwas wie Scham und Schrecken. Bazaroff schien sehr wohl zu verstehen, was in seinem Freunde vorging.

»Ja ja,« sagte er, »so ists, wenn man unter einem adeligen Dache lebt, man nimmt selber die Gewohnheiten des Mittelalters an, man wird ein Raufbold. Ich will jetzt die Alten wieder besuchen, habe aber unterwegs angehalten... um dir die ganze Geschichte zu beichten, könnte ich sagen, wenn ich nicht eine unnütze Lüge für eine Dummheit hielte. Nein, ich bin hierhergekommen, der Teufel weiß, warum! Siehst du! es ist manchmal gut, sich beim Schopf zu fassen und sich rauszureißen, wie eine Rübe aus der Rabatte, und das ists, was ich jetzt getan habe... Es hat mich aber die Lust angewandelt, zum letztenmal die Stelle zu sehen, die ich verließ, die Rabatte, in der ich Wurzel geschlagen hatte.«

»Ich hoffe, daß diese Worte nicht mir gelten,« sagte Arkad in bewegtem Ton; »ich hoffe nicht, daß du beabsichtigst, dich von mir zu trennen?«

Bazaroff sah ihn fest und durchdringend an.

»Du, sollte dir das wahrhaftig Kummer machen? Mir scheint, daß du dich bereits von mir getrennt hast. Du bist so frisch, so sauber... Ich vermute, deine Sachen mit Frau Odinzoff gehn wunderschön.«

»Welche Sachen meinst du?«

»Hast du nicht um ihretwegen die Stadt verlassen, mein Vögelchen? Apropos, wie stehts mit den Sonntagsschulen dort? Bist du etwa nicht verliebt, oder bist du schon in der Periode der Ehrbarkeit angelangt?«

»Eugen, du weißt, daß ich immer offen mit dir war; nun, ich schwöre dir, ich nehme Gott zum Zeugen, daß du im Irrtum bist.«

»Hm! Gott zum Zeugen... Das ist ein neuer Ausdruck,« sagte Bazaroff halblaut; »warum nimmst du die Sache so pathetisch? Mir ists vollkommen gleichgültig; ein Romantiker würde sagen: ich fühle, daß unsere Wege sich zu scheiden anfangen; ich beschränke mich zu sagen, daß wir uns einander zum Überdruß satt haben.«

»Eugen...«

»Das Unglück ist nicht groß, mein Teurer, man bekommt noch ganz andere Dinge satt im Leben. Jetzt, glaub ich, könnten wir auseinandergehen. Seitdem ich hier bin, ist mirs ganz herzbrecherisch zumut, wie wenn ich mich an den Briefen Gogols an die Frau des Gouverneurs von Kaluga vollgestopft hätte. Ich habe die Pferde nicht ausspannen lassen.«

»Wo denkst du hin! Das ist unmöglich!«

»Und warum?«

»Von mir gar nicht zu reden, bin ich überzeugt, daß Frau Odinzoff es im höchsten Grad unschicklich finden würde, denn ganz sicher wünscht sie, dich zu sehen.«

»Was das betrifft, so bist du, denk ich, im Irrtum.«

»Ich bin im Gegenteil sicher, daß ich recht habe,« antwortete Arkad. »Wozu die Verstellung? Bist du, weil wir einmal auf dies Kapitel gekommen sind, nicht um ihretwegen hierhergekommen?«

»Vielleicht; aber du bist darum nicht weniger im Irrtum.«

Arkad hatte gleichwohl recht. Frau Odinzoff wünschte Bazaroff zu sehen und ließ es ihm durch den Haushofmeister sagen. Bazaroff kleidete sich um, um zu ihr zu gehen; sein neuer Frack war im Koffer obenauf gepackt, so daß man ihn herausnehmen konnte, ohne etwas in Unordnung zu bringen.

Frau Odinzoff empfing Bazaroff nicht in dem Zimmer, wo er ihr seine Liebe so unvermutet erklärt hatte, sondern im Salon. Sie reichte ihm mit herzlichem Ausdruck die Fingerspitzen, ihr Gesicht verriet jedoch einen unwillkürlichen Zwang.

»Anna Sergejewna,« sagte Bazaroff rasch, »vor allem muß ich Sie beruhigen. Sie sehen einen Sterblichen vor sich, der vollkommen wieder zur Vernunft gekommen ist, und der hofft, daß die andern seine Dummheiten vergessen haben. Ich verreise auf lange Zeit, und obgleich ich nicht sentimental bin, wie Sie wissen, wär mir der Gedanke doch peinlich, daß Sie sich meiner mit Mißfallen erinnern...«

Frau Odinzoff atmete tief auf, wie jemand, der den Gipfel eines hohen Berges erreicht hat, und ein leichtes Lächeln belebte ihre Züge. Sie reichte Bazaroff nochmals die Hand, und als er sie drückte, erwiderte sie diesen Druck.

»Möge derjenige von uns, der auf das Vergangene zurückkommt, eins seiner Augen verlieren,« sagte sie zu ihm, »um so mehr, als, ehrlich gestanden, ich selber damals auch gesündigt habe, wenn nicht aus Koketterie, so doch in irgendeiner anderen Weise. Mit einem Wort, lassen Sie uns Freunde sein wie zuvor, das Ganze war nur ein Traum, nicht wahr, und wer erinnert sich eines Traums?«

»Wer erinnert sich dessen! Überdem ist die Liebe eine gemachte Empfindung.«

»In der Tat? Es freut mich sehr, das zu erfahren.«

So redete Frau Odinzoff, so redete seinerseits Bazaroff; sie glaubten beide, wahr zu sein. Wie weit waren sie's, indem sie so redeten? Sie wußten es vermutlich selber nicht, und dem Verfasser ist es auch nicht bekannt. Aber die Unterhaltung nahm eine Wendung, die dafür zu sprechen schien, daß sie sich gegenseitig volles Vertrauen schenkten.

Frau Odinzoff fragte Bazaroff, was er bei den Kirsanoffs getan habe. Er war nahe daran, ihr sein Duell mit Paul Petrowitsch zu erzählen, der Gedanke hielt ihn jedoch zurück, daß sie ihn im Verdacht haben könnte, er wollte sich interessant machen, und so begnügte er sich zu sagen, er habe die Zeit mit Arbeiten zugebracht.

»Und ich,« erwiderte Frau Odinzoff, »ich habe zuerst den Spleen gehabt, Gott weiß, warum! ich war fast entschlossen, auf Reisen zu gehen; stellen Sie sich das vor! Ich habe mich jedoch allmählich wieder gefaßt; Ihr Freund Arkad ist erschienen, und ich bin wieder ins Geleise gekommen, in meine wahre Rolle.«

»Was ist das für eine Rolle, wenn man fragen darf?«

»Die Rolle einer Tante, Gouvernante, Mutter, wie Sie's nennen wollen. Apropos, wissen Sie, daß ich lange Ihre intime Freundschaft mit Arkad nicht begriffen habe; ich fand ihn ziemlich unbedeutend. Jetzt aber hab ich ihn kennen gelernt, und ich bin überzeugt, daß er sehr intelligent ist... und vor allem jung, sehr jung... Ach, wir sind es nicht mehr, Eugen Wassilitsch!«

»Schüchtert ihn Ihre Gegenwart noch immer so ein?« fragte Bazaroff.

»Ist denn?...« begann Frau Odinzoff, fuhr aber, sich plötzlich verbessernd, fort: »Er ist viel zutraulicher geworden und unterhält sich gern mit mir, früher hat er mich gemieden. Übrigens muß ich bekennen, daß auch ich seine Gesellschaft nicht suchte. Katia und er sind jetzt Freunde geworden.«

Bazaroff fühlte eine Aufwallung von Ungeduld. »Das Weib kann das Heucheln nicht lassen,« dachte er.

»Sie behaupten, er habe Sie gemieden,« versetzte er mit kaltem Lächeln, »aber die schüchterne Liebe, die Sie ihm eingeflößt, ist jetzt ohne Zweifel kein Geheimnis mehr für Sie?«

»Wie! auch er!« rief Frau Odinzoff unwillkürlich aus.

»Auch er,« wiederholte Bazaroff mit einer ehrerbietigen Verneigung. »Ist es möglich, daß Sie es nicht bemerkt haben und daß ich der erste bin, der Ihnen diese Neuigkeit mitteilt?«

Frau Odinzoff schlug die Augen nieder.

»Sie täuschen sich,« erwiderte sie.

»Ich glaub es nicht, aber ich hätte vielleicht schweigen sollen.«

Bazaroff dachte dabei: »Das wird dich lehren, die Heuchlerin zu spielen.«

»Warum hätten Sie nicht davon reden sollen? Ich glaube jedoch, daß Sie auch in diesem Falle einem vorübergehenden Eindruck eine zu große Bedeutung beigelegt haben. Ich fange an zu vermuten, daß Sie zur Übertreibung neigen.«

»Sprechen wir von etwas anderem, Madame.«

»Warum denn?« erwiderte sie, was sie jedoch nicht hinderte, auf einen anderen Gegenstand der Unterhaltung überzugehen.

Sie fühlte sich immer etwas unbehaglich Bazaroff gegenüber, obgleich sie sich eingeredet hatte, daß alles vergessen sei, wie sie ihn versichert. Bei der einfachsten Unterhaltung mit ihm, im Scherze sogar, empfand sie ein leises Gefühl von Furcht. So plaudert und scherzt man auf einem Dampfschiff auf hoher See, geradeso sorglos wie auf dem festen Lande; aber beim geringsten widrigen Zufall, beim kleinsten unvorhergesehenen Umstand ist auf allen Gesichtern eine eigentümliche Unruhe zu lesen, welche das fortwährende Bewußtsein einer fortwährenden Gefahr verrät.

Die Unterhaltung zwischen Frau Odinzoff und Bazaroff dauerte nicht lange. Anna Sergejewna wurde immer ernster, sie gab zerstreute Antworten und lud ihn schließlich ein, mit ihr in den Salon zu gehen. Sie fanden dort die Fürstin und Katia.

»Wo ist denn Arkad Nikolajewitsch?« fragte Frau Odinzoff. Als sie hörte, daß er schon seit einer Stunde verschwunden sei, schickte sie nach ihm.

Nachdem man in allen Richtungen gesucht hatte, fand man ihn endlich auf einer Bank am Ende des Gartens das Kinn in seine Hände gestützt, in tiefes Nachdenken versunken. Die Gedanken, welche den Gegenstand desselben bildeten, waren ernst, aber keineswegs traurig.

Er wußte, daß Frau Odinzoff mit Bazaroff allein war, und empfand nicht die mindeste Eifersucht; er sah im Gegenteil sehr heiter aus; er schien entschlossen, etwas zu tun, das ihn erfreute und verwunderte zu gleicher Zeit.