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»Dann hab ich den Dummkopf gemacht,« fiel Bazaroff ein.

»Sie wissen, daß das nicht der Grund unseres Bruchs war. Das eine ist sicher, daß wir einander nicht nötig hatten; wir hatten zuviel... wie soll ich sagen? zuviel Verwandtes. Wir haben das nicht sogleich eingesehen. Dagegen Arkad...«

»Den hatten Sie nötig?« fragte Bazaroff.

»Hören Sie auf, Eugen Wassilitsch! Sie behaupten, ich sei ihm nicht gleichgültig, und in der Tat schien mirs auch immer, daß ich ihm gefiele. Ich weiß, daß ich seine... Tante sein könnte, aber ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich seit einiger Zeit öfters an ihn denke. Seine Jugend und sein natürliches Wesen haben für mich eine gewisse Anziehungskraft.«

»Einen gewissen Zauber... das ist das Wort, dessen man sich in dergleichen Fällen bedient,« erwiderte Bazaroff mit dumpfer und ruhiger Stimme, der man aber doch die aufsteigende Galle anmerkte. – »Arkad spielte gestern noch den Geheimnisvollen und hat mit mir weder von Ihnen noch von Ihrer Schwester gesprochen, das ist ein ernstes Symptom.«

»Er ist mit Katia durchaus wie ein Bruder,« sagte Frau Odinzoff, »und das gefällt mir, obgleich ich eine derartige Vertraulichkeit zwischen ihnen nicht zugeben sollte.«

»Ists die Schwester, die in diesem Augenblick aus Ihnen spricht?« fragte Bazaroff langsam.

»Gewiß... aber warum bleiben wir stehen? gehen wir weiter. Welch sonderbare Unterhaltung wir führen, nicht wahr? Ich hätte nie geglaubt, daß ich Ihnen so was sagen könnte! Sie wissen, daß... obgleich ich Sie fürchte, ich großes Vertrauen zu Ihnen habe, weil ich weiß, daß Sie im Grund sehr gut sind.«

»Erstens bin ich ganz und gar nicht gut, und zweitens bin ich Ihnen sehr gleichgültig geworden, und doch sagen Sie mir, daß ich gut sei!... Das ist, als ob Sie einen Blumenkranz aufs Haupt eines Toten setzten.«

»Eugen Wassilitsch, wir sind keine Meister...« erwiderte Frau Odinzoff.

In diesem Augenblick aber bewegte ein Windstoß die Blätter und verwehte ihre Worte.

»Aber Sie sind frei?...« sagte einige Augenblicke darauf Bazaroff.

Das war alles, was man von ihrer Unterhaltung verstehen konnte. Das Geräusch ihrer Tritte verlor sich mehr und mehr, und es war wieder still.

Arkad wandte sich nach Katia um; sie war noch in derselben Stellung, nur den Kopf hatte sie etwas tiefer gesenkt.

»Katharina Sergejewna,« sagte er mit zitternder Stimme und gefalteten Händen, »ich liebe Sie mit Leidenschaft und wie das Leben, und liebe nur Sie allein auf der Welt. Ich wollte es Ihnen gestehen, und im Fall einer günstigen Antwort wollte ich um Ihre Hand bitten... weil ich nicht reich bin und mich zu jedem Opfer fähig fühle... Sie antworten nicht? Sie glauben mir nicht? Sie denken, daß ich das unbesonnen so hinsage? Aber rufen Sie sich diese letzten Tage zurück. Können Sie zweifeln, daß alles, verstehen Sie mich wohl, alles, auch der letzte Rest, spurlos verschwunden ist? Blicken Sie mich an, sagen Sie mir ein einziges Wort... Ich liebe... ich liebe Sie... glauben Sie mir doch!«

Katia warf einen ernsten, klaren Blick auf Arkad und sagte nach langem Besinnen mit unmerklichem Lächeln zu ihm: »Ja.«

Arkad sprang von der Bank.

»Ja! Sie haben ja gesagt, Katharina Sergejewna! was bedeutet dies Wort? heißt es, daß Sie an die Aufrichtigkeit meiner Worte glauben... oder gar... oder gar... ich wag es nicht auszusprechen...«

»Ja!« antwortete Katia, und diesmal verstand er sie.

Er ergriff ihre großen schönen Hände und drückte sie an sein Herz; die Freude drohte ihn zu ersticken. Er taumelte und wiederholte beständig: »Katia! Katia!« Auch sie fing an zu weinen und lachte wieder unter ihren Tränen. Wer diese Tränen in den Augen eines geliebten Weibes nicht gesehen hat, der begreift es nicht, wie selig das von Dank und Leidenschaft trunkene Männerherz sein kann.

Am andern Morgen früh ließ Frau Odinzoff Bazaroff zu sich in ihr Kabinett bitten und überreichte ihm mit gezwungenem Lächeln ein gefaltetes Briefpapier. Es war ein Brief von Arkad, in welchem er um die Hand Katias anhielt.

Bazaroff durchflog denselben und mußte sich bezwingen, ein Gefühl boshafter Schadenfreude zu unterdrücken.

»Herrlich!« sagte er; »gleichwohl behaupteten Sie gestern noch, daß er für Katharina Sergejewna nur die Liebe eines Bruders empfinde? Was denken Sie ihm zu antworten?«

»Was raten Sie mir?« erwiderte Frau Odinzoff, fortwährend lächelnd.

»Ich meine,« erwiderte Bazaroff ebenfalls mit Lachen, obgleich er sich nicht so sehr dazu zwingen mußte wie sie, »ich meine, Sie müssen den beiden Ihren Segen geben. Die Partie ist in jeder Beziehung gut; das Vermögen der Kirsanoffs ist ziemlich bedeutend; Arkad ist der einzige Sohn, und sein Vater ist ein braver Mann, der ihm in keiner Beziehung Schwierigkeiten machen wird.«

Frau Odinzoff ging einigemal im Zimmer auf und ab; sie wurde abwechslungsweise rot und bleich.

»Sie glauben?« nahm sie das Wort, »auch ich sehe keine Hindernisse. Es freut mich für Katia... und für Arkad Nikolajewitsch. Ich werde, wohlverstanden, die Einwilligung seines Vaters abwarten, er selber mag gehen und sie holen. All das beweist aber nur, daß ich gestern abend recht hatte, als ich Ihnen sagte, daß wir alt sind, Sie und ich... Wie ich davon nur nichts merken konnte. Das beschämt mich wahrlich!«

Frau Odinzoff fing aufs neue an zu lachen und kehrte sich gleich darauf ab.

»Die heutige Jugend ist verteufelt schlau,« sagte Bazaroff seinerseits lachend. »Leben Sie wohl!« setzte er nach kurzem Schweigen hinzu. »Ich wünsche, daß Sie die ganze Angelegenheit möglichst erfreulich zu Ende führen, ich werde mich aus der Ferne darüber freuen.«

Frau Odinzoff wandte sich rasch nach ihm um.

»Wollen Sie denn abreisen? Warum wollen Sie jetzt nicht bleiben... Bleiben Sie doch... Ihre Unterhaltung ist so angenehm... Man glaubt am Rand eines Abgrunds hinzuwandeln. Im ersten Augenblick hat man Angst, dann aber fühlt man eine Kühnheit, die uns überrascht. Bleiben Sie!«

»Ich weiß Ihre Einladung zu schätzen, so sehr wie die gute Meinung, welche Sie von meiner geringen Unterhaltungsgabe haben. Aber ich finde, daß ich schon zu lange mit einer Welt verkehre, die nicht die meine ist. Die fliegenden Fische können sich wohl eine Zeitlang in der Luft halten, schließlich fallen sie aber doch in das Wasser zurück; erlauben Sie mir auch, in mein natürliches Element unterzutauchen.«

Frau Odinzoff blickte Bazaroff an, ein bitteres Lächeln verzog ihr bleiches Gesicht. »Der hat mich geliebt!« dachte sie und reichte ihm mit der Miene freundlichen Bedauerns die Hand. Aber auch er hatte sie verstanden.

»Nein!« sagte er, indem er einen Schritt zurücktrat, »obgleich arm, hab ich noch nie ein Almosen angenommen. Leben Sie wohl und gesund!«

»Ich weiß gewiß, daß wir uns nicht zum letzten Male sehen,« versetzte Frau Odinzoff unwillkürlich bewegt.

»Was ereignet sich nicht alles in dieser Welt!« antwortete Bazaroff. Damit grüßte er Anna Sergejewna und verließ das Zimmer.

»Du denkst dir also ein Nest zu bauen?« sagte Bazaroff zu Arkad, während er seinen Koffer packte. »Du hast recht! Das ist ein guter Gedanke. Nur hattest du unrecht mit deiner Hinterhaltigkeit. Ich erwartete, daß du dich ganz woanders hinwenden würdest. Du warst aber vielleicht selber darüber erstaunt?«

»Ich hab es in der Tat durchaus nicht vermutet, als ich dich verließ,« antwortete Arkad. »Du bist aber nicht ganz ehrlich, wenn du mir sagst: ›Das ist ein guter Gedanke‹; als ob ich deine Ansicht über die Ehe nicht kennte!«

»Ei, mein Teuerster,« versetzte Bazaroff, »wie sprichst du heute! Siehst du, was ich da mache? Ich habe einen leeren Raum in meinem Koffer entdeckt und stopfe ihn mit Heu aus, so gut ich kann; so muß mans auch mit dem Lebenskoffer machen; man muß ihn mit allem ausfüllen, was einem in die Hände kommt, wenn nur keine leere Stelle drin bleibt. Nimm mirs nicht übel, ich bitte dich; du erinnerst dich wahrscheinlich, wie ich immer von Katharina Sergejewna gedacht habe? Es gibt junge Mädchen bei uns, die für wahre Wunder gelten, einzig deshalb, weil sie bei der richtigen Gelegenheit zu seufzen wissen; aber die deine wird sich durch andere Verdienste Geltung verschaffen, und zwar derart, daß du ihr untertänigster Diener sein wirst. Übrigens ist das ganz in Ordnung.«