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So verbrachte Mikael zwei relativ angenehme Monate, in denen er ungefähr sechs Stunden am Tag an der Vangerschen Familienchronik arbeitete. Die Arbeit wurde jeden Tag nur von ein paar Stunden Putzarbeit oder einer angeordneten Erholungspause unterbrochen. Mikael und zwei Mithäftlinge, von denen einer aus Skövde, der andere aus Chile kam, hatten die Aufgabe, jeden Tag den Fitnessraum zu putzen. Das Freizeitprogramm bestand aus Fernsehen, Kartenspielen oder Krafttraining. Mikael entdeckte, dass er ganz anständig Poker spielte, aber er verlor jeden Tag ein paar 50-Öre-Münzen. Die Anstaltsregeln verboten, um mehr Geld als einen totalen Jackpot von fünf Kronen zu spielen.

Er erhielt den Bescheid über seine vorzeitige Entlassung einen Tag bevor er gehen durfte. Swarowsky nahm ihn mit in seinen Dienstraum und bot ihm einen Schnaps an. Danach verbrachte Mikael den Abend damit, seine Kleider und Notizbücher zusammenzupacken.

Nach seiner Entlassung fuhr Mikael direkt zurück nach Hedeby. Als er die Brücke betrat, hörte er ein Miauen: Die rotbraune Katze gesellte sich zu ihm und hieß ihn willkommen, indem sie ihm um die Beine strich.

»Okay, komm schon rein«, sagte er. »Aber ich hab keine Milch mehr besorgen können.«

Er packte seine Sachen aus. Es fühlte sich an, als wäre er im Urlaub gewesen, und tatsächlich fehlten ihm Sarowsky und seine Mithäftlinge. So verrückt es war - er hatte sich in Rullåker wohlgefühlt. Die Entlassung war so überraschend gekommen, dass er niemanden hatte vorwarnen können.

Es war kurz nach sechs Uhr abends. Er ging schnell zum Supermarkt und kaufte die wichtigsten Dinge, bevor sie schließen würden. Als er nach Hause kam, schaltete er sein Handy ein und rief Erika an, erreichte sie jedoch nicht. Er hinterließ ihr die Nachricht, dass sie sich am nächsten Tag sprechen könnten.

Danach ging er zu seinem Auftraggeber, der gerade im Erdgeschoss war und bei Mikaels Anblick erstaunt die Augenbrauen hochzog.

»Sind Sie ausgebrochen?«, waren die ersten Worte des alten Mannes.

»Ganz legal vorzeitig entlassen.«

»Das ist ja eine Überraschung.«

»Für mich auch. Ich habe es erst gestern Abend erfahren.«

Sie sahen sich ein paar Sekunden an. Dann überraschte der alte Mann Mikael, indem er ihn in die Arme nahm und fest an sich drückte.

»Ich wollte gerade essen. Leisten Sie mir doch Gesellschaft.«

Anna trug Speckpfannkuchen mit Preiselbeeren auf. Sie blieben fast zwei Stunden im Esszimmer sitzen und unterhielten sich. Mikael erklärte, wie weit er mit der Familienchronik gekommen war und wo es noch Lücken gab. Sie sprachen nicht über Harriet Vanger, führten aber ein ausführliches Gespräch über Millennium.

»Wir haben drei Vorstandssitzungen abgehalten. Frau Berger und Ihr Partner Christer Malm waren so freundlich, zwei der Treffen hierher zu verlegen, während Dirch mich bei einem Treffen in Stockholm vertreten hat. Ich wünschte wirklich, ich wäre ein paar Jahre jünger. Es ist leider ziemlich anstrengend für mich, so weit zu fahren. Aber im Sommer werde ich versuchen, auch mal nach Stockholm zu kommen.«

»Ich glaube durchaus, dass sie die Treffen hier oben abhalten können«, antwortete Mikael. »Aber wie fühlt es sich denn nun an, Teilhaber der Zeitung zu sein?«

Henrik Vanger lächelte schief.

»Es ist tatsächlich das Lustigste, was ich seit vielen Jahren gemacht habe. Ich habe mir die finanziellen Verhältnisse mal angesehen, und es sieht ganz anständig aus. Ich brauche gar nicht so viel Geld zuzuschießen, wie ich gedacht hatte - die Kluft zwischen Einkommen und Ausgaben verringert sich bereits wieder.«

»Ich habe diese Woche mit Erika gesprochen. Sie sagte, der Annoncenteil ist auf dem Weg, sich wieder ein bisschen zu erholen.«

Henrik Vanger nickte. »Das Blatt wendet sich langsam wieder, aber es wird ein bisschen dauern. Am Anfang haben Unternehmen des Vanger-Konzerns zur Unterstützung Annoncenseiten gekauft. Aber es sind schon zwei alte Anzeigenkunden - ein Handyanbieter und ein Reisebüro - zurückgekommen.« Er lächelte breit.

»Bei Wennerströms alten Feinden ziehen wir die Kampagne ein bisschen persönlicher auf. Und glauben Sie mir eins, diese Liste ist lang.«

»Haben Sie was von Wennerström gehört?«

»Na ja, nicht wirklich. Aber wir haben durchsickern lassen, dass Wennerström einen Boykott gegen Millennium organisiert. Das lässt ihn ziemlich kleinkariert dastehen. Ein Journalist von Dagens Nyheter soll ihn danach gefragt und sich eine abweisende Antwort eingefangen haben.«

»Sie genießen das.«

»Genießen ist das falsche Wort. Ich hätte mich schon vor ein paar Jahren mit dieser Sache beschäftigen sollen.«

»Was ist da eigentlich gewesen zwischen Ihnen und Wennerström?«

»Versuchen Sie es erst gar nicht. Sie werden es zu Beginn des neuen Jahres erfahren.«

Es lag ein angenehmer Frühlingshauch in der Luft. Als Mikael gegen neun Henriks Haus verließ, war es draußen schon dunkel. Er zögerte kurz. Dann ging er zu Cecilia und klopfte.

Er war nicht sicher, was er sich eigentlich erwartete. Cecilia riss die Augen auf, ließ ihn zwar in den Flur treten, wirkte aber so, als sei ihr sein Besuch nicht recht. Sie fragte ihn, ob er ausgebrochen sei, und er erläuterte, wie sich die Dinge verhielten.

»Ich bin nur gekommen, um kurz Hallo zu sagen. Störe ich?«

Sie wich seinem Blick aus. Mikael merkte sofort, dass sie nicht besonders froh war, ihn zu sehen.

»Nein … nein, komm rein. Möchtest du einen Kaffee?«

»Gerne.«

Er folgte ihr in die Küche. Sie drehte ihm den Rücken zu, während sie Wasser in die Kaffeemaschine goss. Mikael ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie erstarrte.

»Cecilia, du wirkst nicht so, als wolltest du mich zum Kaffee einladen.«

»Ich habe dich erst in einem Monat erwartet«, sagte sie. »Du hast mich überrascht.«

Er konnte ihr Unbehagen spüren und drehte sie zu sich um, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Sie wollte ihm immer noch nicht in die Augen blicken.

»Cecilia. Vergiss den Kaffee. Was ist los?«

Sie schüttelte den Kopf und holte tief Luft.

»Mikael, ich möchte, dass du gehst. Frag nicht. Geh einfach.«

Mikael ging zu seinem Haus zurück, blieb aber unschlüssig am Gittertor stehen. Statt hineinzugehen, lief er hinunter ans Wasser, neben die Brücke, und setzte sich auf einen Stein. Er zündete sich eine Zigarette an, während er seine Gedanken sortierte und sich fragte, was Cecilias Einstellung zu ihm so dramatisch geändert haben könnte.

Plötzlich hörte er ein Motorengeräusch und sah ein großes weißes Boot langsam unter der Brücke hindurch in den Sund gleiten. Als es vorbeifuhr, konnte Mikael sehen, dass Martin Vanger am Steuer stand, der den Blick konzentriert aufs Wasser gerichtet hielt, um eventuellen Untiefen auszuweichen. Das Boot war eine zwölf Meter lange Motoryacht - ein imposantes Kraftpaket. Er stand auf und ging die Strandpromenade entlang. Plötzlich sah er, dass an verschiedenen Landestegen mehrere Boote im Wasser lagen, sowohl Motor- als auch Segelboote. Darunter befanden sich mehrere Pettersson-Boote, aber auch eine Hallberg-Rassy-Segelyacht. Der Sommer war gekommen. Damit war ihm auch die Klassenaufteilung in Hedebys marinem Leben klar - Martin Vanger hatte ohne Zweifel das größte und teuerste Boot in der Gegend.

Er blieb unterhalb von Cecilias Haus stehen und guckte zu den erleuchteten Fenstern im Obergeschoss hinauf. Dann ging er nach Hause und setzte Kaffee auf. Er blickte in sein Arbeitszimmer, während er darauf wartete, dass das Wasser kochte.