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»Ich unterschreibe am besten, solange Henrik noch lebt. Kommen Sie beim Briefkasten am Supermarkt vorbei?«

Mikael ging schon gegen Mitternacht schlafen, aber er konnte nicht einschlafen. Bis jetzt war alles wie ein Spiel gewesen, aber wenn sich jemand so sehr für sein Tun interessierte, dass er in seinen Arbeitsraum eindrang, dann war die Sache vielleicht ernster, als er gedacht hatte.

Schlagartig wurde ihm klar, dass es auch noch andere gab, die an seiner Arbeit interessiert waren. Henrik Vangers plötzliches Erscheinen in der Führungsspitze von Millennium konnte Hans-Erik Wennerström kaum entgangen sein. Oder zeugten solche Gedanken nur von seiner beginnenden Paranoia?

Mikael stand auf, stellte sich nackt ans Küchenfenster und betrachtete aufmerksam die Kirche auf der anderen Seite der Brücke. Er zündete sich eine Zigarette an.

Er wurde aus Lisbeth Salander nicht schlau. Sie zeigte ein seltsames Verhalten und legte mitten im Gespräch manchmal lange Pausen ein. Ihr Zuhause war ein einziges Chaos: ein Berg von Altpapier im Flur und eine Küche, die seit Jahren nicht mehr geputzt worden war. Ihre Kleider lagen in Haufen auf dem Boden. Am Hals hatte sie frische Knutschflecken, offensichtlich hatte sie über Nacht Gesellschaft gehabt. Sie war an verschiedenen Körperstellen tätowiert - er hatte sicher nicht alle gesehen - und an einigen Stellen im Gesicht gepierct. Sie sah ziemlich eigen aus.

Auf der anderen Seite hatte Armanskij ihm versichert, sie sei die beste Ermittlerin der ganzen Firma, und ihr eingehender Bericht über Mikael Blomkvist hatte ja unbestreitbar gezeigt, dass sie sehr gründlich war. Ein seltsames Mädchen.

Lisbeth Salander saß an ihrem PowerBook und dachte über ihre Reaktion auf Mikael Blomkvist nach. Noch nie zuvor in ihrem Erwachsenenleben hatte sie jemandem erlaubt, ihre Schwelle zu überschreiten, wenn sie ihn nicht ausdrücklich dazu aufgefordert hatte. Und diese kleine Schar konnte man an den Fingern einer Hand abzählen. Mikael war ganz ungeniert direkt in ihr Leben getreten, und sie hatte nur schwach protestiert.

Und damit nicht genug - er hatte sie aufgezogen. Er hatte sich einen Spaß mit ihr gemacht.

Für gewöhnlich hätte sie bei so einem Verhalten im Geiste die Pistole entsichert. Aber sie hatte sich nicht im Geringsten bedroht gefühlt, und von seiner Seite war keine Feindseligkeit zu bemerken gewesen. Er hätte allen Grund gehabt, sie nach Strich und Faden zusammenzustauchen - er hätte sie sogar anzeigen können, weil er wusste, dass sie sich in seinen Computer gehackt hatte. Stattdessen hatte er auch das wie einen Witz behandelt.

Das war der heikelste Teil ihres Gesprächs gewesen. Mikael schien den Faden absichtlich nicht wieder aufzunehmen, bis sie sich irgendwann die Frage nicht mehr verkneifen konnte: »Sie haben gesagt, Sie wissen, was ich getan habe.«

»Sie sind eine Hackerin. Sie waren in meinem Computer.«

»Woher wissen Sie das?« Lisbeth war sich völlig sicher, dass sie keine Spuren hinterlassen hatte und ihr Eindringen nur entdeckt werden konnte, wenn ein Security-Administrator den Datenstrom an der Netzwerkkarte scannte, während sie gerade im gehackten Computer war.

»Sie haben einen Fehler gemacht.« Er erklärte, dass sie die Version eines Textes zitiert hatte, der nur in seinem Computer abgespeichert war und nirgendwo sonst.

Lisbeth Salander schwieg lange. Zum Schluss sah sie ihn ausdruckslos an.

»Wie haben Sie das angestellt?«, fragte er.

»Mein Geheimnis. Was wollen Sie unternehmen?«

Mikael zuckte die Achseln.

»Was kann ich schon tun? Vielleicht hätte ich mit Ihnen mal über Ethik und Moral reden sollen, und über die Gefahren, die es mit sich bringt, wenn man im Privatleben anderer Leute herumschnüffelt.«

»Das ist doch nichts anderes als das, was Sie als Journalist machen.«

Er nickte.

»Stimmt. Deswegen haben wir Journalisten einen Ethik-Ausschuss, der die Spielregeln überwacht. Wenn ich einen Artikel über irgendeinen Schweinehund im Bankwesen schreibe, dann lasse ich sein oder ihr Sexleben aus dem Spiel. Ich schreibe nicht, dass eine Scheckbetrügerin lesbisch ist oder auf Sex mit seinem Hund abfährt oder so was, selbst wenn das zufällig der Wahrheit entsprechen sollte. Auch Schweinehunde haben ein Recht auf Privatleben, und es ist so einfach, Leuten durch Angriffe auf ihren Lebensstil zu schaden. Verstehen Sie, was ich meine?«

»Ja.«

»Sie haben meine Intimsphäre verletzt. Mein Arbeitgeber braucht nicht zu wissen, mit wem ich Sex habe. Das ist meine Angelegenheit.«

Ein schiefes Grinsen zog sich quer durch Lisbeth Salanders Gesicht.

»Sie meinen, das hätte ich nicht erwähnen sollen.«

»In meinem Fall spielt das keine größere Rolle. Die halbe Stadt weiß über mein Verhältnis mit Erika Bescheid. Es geht ums Prinzip.«

»Wenn das so ist, dann amüsiert es Sie vielleicht zu erfahren, dass auch ich Prinzipien habe, die Ihrem Ethik-Ausschuss entsprechen. Ich nenne das Salanders Prinzip. Ich finde, dass ein Schweinehund immer ein Schweinehund bleibt, und wenn ich einem Schweinehund schaden kann, indem ich ans Licht zerre, was er für Dreck am Stecken hat, dann hat er es halt verdient. Ich zahle es ihm nur heim.«

»Okay«, lächelte Mikael Blomkvist. »Ich argumentiere nicht völlig anders, aber …«

»Aber dazu kommt, dass ich bei so einer Untersuchung auch danach gehe, was ich selbst von dem Menschen denke. Ich bin nicht neutral. Wenn ich mir einen Schweinehund vorgenommen habe, dann strenge ich mich extra an. Wenn es ein guter Mensch zu sein scheint, dann kann ich in meinem Bericht alles ein bisschen herunterspielen.«

»Wirklich?«

»In Ihrem Fall habe ich alles ein bisschen abgeschwächt. Ich hätte ein Buch über Ihr Sexleben schreiben können. Ich hätte Frode auch mitteilen können, dass Erika Berger eine Vergangenheit im Club Xtreme hat und in den achtziger Jahren mit Bondage- und Sadomaso-Spielchen experimentiert hat - das hätte wohl unausweichlich gewisse Assoziationen zu Ihrem gemeinsamen Sexleben aufkommen lassen.«

Mikael Blomkvists und Lisbeth Salanders Blicke trafen sich. Dann sah er aus dem Fenster und lachte.

»Sie sind wirklich gründlich. Warum haben Sie das nicht in Ihren Bericht geschrieben?«

»Erika Berger und Sie sind erwachsene Menschen, die sich anscheinend sehr nahestehen. Was Sie im Bett machen, geht keinen etwas an. Außerdem wollte ich ihr nicht schaden oder irgendjemandem Erpressungsmaterial an die Hand geben. Wer weiß - ich kenne Dirch Frode nicht, und das Material hätte auch bei Wennerström landen können.«

»Und Wennerström wollen Sie nicht mit Informationen versorgen?«

»Wenn ich mich im Kampf zwischen Ihnen und Wennerström für eine Seite entscheiden müsste, würde ich in Ihrer Ecke des Boxrings stehen.«

»Erika und ich haben ein … Unser Verhältnis ist …«

»Ich scheiße drauf, was für ein Verhältnis Sie haben. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet, was Sie mit dem Wissen anfangen wollen, dass ich Ihren Computer gehackt habe.«

Er machte eine Pause, die fast genauso lang war wie ihre.

»Ich bin nicht gekommen, um Ihnen Ärger zu bereiten, Lisbeth. Ich habe nicht vor, Sie zu erpressen. Ich bin hier, um Sie bei meinen Recherchen um Hilfe zu bitten. Sie können mit Ja oder Nein antworten. Wenn Sie Nein sagen, dann gehe ich weg und suche mir jemand anders, und Sie werden nie wieder etwas von mir hören.«

Lächelnd fügte er hinzu: »Das heißt, natürlich nur, wenn ich Sie nicht mehr in meinem Computer erwische.«

»Und das heißt?«

»Sie wissen sehr viel über mich, teilweise sehr private und persönliche Dinge. Aber jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Ich hoffe nur, dass Sie Ihr Wissen nicht dazu verwenden wollen, Erika Berger oder mir zu schaden.«

Sie sah ihn mit ausdruckslosen Augen an.

19. Kapitel

Donnerstag, 19. Juni - Sonntag, 29. Juni