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Die Arbeit, die sie für Mikael Blomkvist übernommen hatte, sah ganz anders aus. Jetzt lautete der Auftrag - vereinfacht ausgedrückt -, vier Personenkennnummern auf äußerst vager Grundlage zu identifizieren. Zudem handelte es sich um Personen, die früher einmal gelebt hatten; vielleicht musste sie bis in die vierziger Jahre zurückgehen. Somit gab es auch keine gespeicherten Daten.

Mikaels These - ausgehend vom Fall Rebecka Jacobsson - war, dass diese Personen ein und demselben Mörder zum Opfer gefallen waren. Sie mussten also in diversen Polizeiberichten zu unaufgeklärten Kriminalfällen auftauchen. Sicher war nur, dass diese Morde vor 1966 geschehen sein mussten. Sie stand mit dieser Recherche vor einer völlig neuen Situation.

Sie fuhr ihren Computer hoch und gab bei Google die Suchbegriffe »Magda« und »Mord« ein. Das war die simpelste Art von Recherche, die sie überhaupt durchführen konnte. Zu ihrer Überraschung gelang ihr sofort ein Durchbruch in ihren Ermittlungen. Ihr erster Treffer war das Fernsehprogramm von TV Värmland in Karlstad, in dem eine Folge der Serie Morde in Värmland angekündigt wurde, die bereits 1999 gesendet worden war. Danach kam eine kurze Meldung in Värmlands Folkblad.

In der Serie Morde in Värmland ist diesmal Magda Lovisa Sjöberg an der Reihe, ein scheußlicher Mordfall, der die Polizei in Karlstad über mehrere Jahrzehnte beschäftigte. Im April 1960 wurde die sechsundvierzigjährige Bauersfrau Lovisa Sjöberg im Viehstall der Familie brutal ermordet. Der Reporter Claes Gunnars schildert die letzten Stunden in ihrem Leben und die ergebnislose Jagd nach einem Mörder, der die Polizei immer noch zum Narren hält. Der Mord erregte seinerzeit großes Aufsehen. Es gab viele Theorien, wer der Schuldige gewesen sein könnte. Ein jüngerer Verwandter der Ermordeten erzählt in TV Värmland, wie die Verdächtigungen sein Leben zerstört haben. 20.00 Uhr.

Nützlichere Informationen fand sie im Artikel Der Fall Lovisa hat eine ganze Region erschüttert, der in der Zeitschrift Värmlandskultur veröffentlicht worden war, deren Artikel komplett ins Netz gestellt waren. Mit offenkundiger Begeisterung und im Plauderton wurde beschrieben, wie Lovisa Sjöbergs Mann, der Holzfäller Holger Sjöberg, seine Frau tot aufgefunden hatte, als er gegen fünf Uhr von der Arbeit nach Hause kam. Nachdem sie sexuell brutal missbraucht worden war, hatte man mit einem Messer auf sie eingestochen und sie dann mit einer Heugabel getötet. Der Mord war im Viehstall der Familie verübt worden. Was allerdings am meisten Aufmerksamkeit erregte, war, dass der Mörder sie nach vollbrachter Tat kniend in einer Pferdebox festgebunden hatte.

Später entdeckte man, dass eines der Tiere auf dem Hof durch einen Messerstich seitlich am Hals verletzt worden war.

Zunächst verdächtigte man den Ehemann des Mordes, aber er konnte ein wasserfestes Alibi vorweisen. Er war seit sechs Uhr morgens mit seinen Arbeitskollegen zusammen gewesen, im vier Meilen von seinem Zuhause entfernten Wald. Lovisa Sjöberg war nachweislich bis zehn Uhr vormittags noch am Leben gewesen, da sie zu diesem Zeitpunkt Besuch von einer Nachbarin gehabt hatte. Keiner der Nachbarn hatte irgendetwas gehört oder gesehen. Der nächste Nachbar wohnte vierhundert Meter vom Sjöbergschen Hof entfernt.

Nachdem ihr Mann als Hauptverdächtiger ausgeschieden war, konzentrierte sich die Polizei auf den dreiundzwanzigjährigen Neffen der Ermordeten. Dieser war schon wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geraten, war knapp bei Kasse und hatte sich schon mehrmals geringfügige Beträge von seiner Tante geliehen. Sein Alibi war bedeutend wackeliger, und er wurde vorläufig festgenommen, bis man ihn aus Mangel an Beweisen, wie es hieß, wieder freiließ. Viele Bewohner hielten seine Schuld trotzdem für sehr wahrscheinlich.

Die Polizei verfolgte noch verschiedene andere Spuren. Ein Großteil der Ermittlungen konzentrierte sich auf die Jagd nach einem geheimnisvollen Hausierer, der in der Gegend gesehen worden war. Außerdem gab es Gerüchte, ein Trupp »diebischer Zigeuner« sei auf Raubzug gewesen. Warum diese einen brutalen Sexualmord hätten begehen sollen, ohne überhaupt etwas zu stehlen, wurde nicht ganz klar.

Zeitweise richtete sich das Interesse auf einen Nachbarn, einen Junggesellen, den man in seiner Jugend eines Verbrechens in Verbindung mit Homosexualität verdächtigt hatte - damals war Homosexualität noch strafbar. Mehreren Aussagen zufolge galt er als »seltsamer Typ«. Warum ein vermutlich homosexueller Mann ein Sexualverbrechen an einer Frau begehen sollte, wurde ebenfalls nicht erläutert. Keine dieser Spuren führte zu einer Festnahme oder einem Urteil.

Lisbeth Salander fand die Verbindung zu der Liste in Harriet Vangers Adressbuch frappant. Das Bibelzitat aus dem Dritten Buch Mose, 20, 16, lautete: Wenn eine Frau sich irgendeinem Tier naht, um mit ihm Umgang zu haben, so sollst du sie töten und das Tier auch. Des Todes sollen sie sterben, und ihre Blutschuld komme über sie. Es konnte kein Zufall sein, dass eine Bäuerin namens Magda ermordet und in einer Pferdebox festgebunden worden war.

Es stellte sich die Frage, warum Harriet Vanger den Namen Magda statt Lovisa notiert hatte, der ja anscheinend ihr Rufname war. Wäre der vollständige Name in der Programmankündigung nicht ausgeschrieben gewesen, hätte Lisbeth sie gar nicht gefunden.

Und dann natürlich die wichtigste Frage von allen: Gab es eine Verbindung zwischen dem Mord an Rebecka 1949, dem Mord an Magda Lovisa 1960 und Harriet Vangers Verschwinden 1966? Und wie um alles in der Welt war Harriet Vanger dann an diese Informationen gekommen?

Burman nahm Mikael auf einen trostlosen Samstagsspaziergang durch Norsjö mit. Am Vormittag besuchten sie fünf ehemalige Angestellte, die in nächster Nähe wohnten. Drei von ihnen lebten im Zentrum von Norsjö, zwei am Stadtrand. Alle boten ihnen Kaffee an, betrachteten die Fotos eingehend und schüttelten den Kopf.

Nach einem einfachen Mittagessen bei Eugen Burman setzten sie sich ins Auto und klapperten vier Dörfer rund um Norsjö ab, in denen ehemalige Angestellte der Tischlerei wohnten. Überall wurde Eugen Burman herzlich begrüßt, aber keiner konnte ihnen helfen. Mikael war kurz davor, die Hoffnung zu verlieren, und er fragte sich, ob die ganze Fahrt nach Norsjö überflüssig gewesen war.

Gegen vier Uhr nachmittags parkte Burman das Auto vor einem roten Haus nördlich von Norsjö und stellte Mikael dem pensionierten Tischlermeister Henning Forsman vor.

»Na, das ist doch Assar Brännlunds Junge«, sagte Henning Forsman sofort, als Mikael ihm die Bilder zeigte. Bingo.

»Ach wirklich?«, fragte Eugen. Und an Mikael gewandt: »Das war ein Einkäufer.«

»Wo kann ich ihn finden?«

»Den Jungen? Tja, da kommen Sie zu spät. Er hieß Gunnar und arbeitete bei Boliden. Er kam bei einem Sprengstoffunfall Mitte der siebziger Jahre ums Leben. Aber seine Frau lebt noch. Die von dem Bild hier. Sie heißt Mildred und wohnt in Bjursele.«

»Bjursele?«

»Das ist knapp eine Meile die Straße nach Bastuträsk runter. Sie wohnt in der länglichen roten Bruchbude gleich rechts, wenn Sie in die Stadt kommen. Das dritte Haus ist das. Ich kenne die Familie ziemlich gut.«

»Guten Tag, ich bin Lisbeth Salander und schreibe eine kriminologische Abhandlung über Gewalt gegen Frauen im 20. Jahrhundert. Ich würde gerne das Polizeirevier in Landskrona besuchen und die Akten zu einem Fall von 1957 einsehen. Es geht um den Mord an einer fünfundvierzigjährigen Frau namens Rakel Lunde. Wissen Sie zufällig, wo man diese Akten heute finden kann?«

Bjursele war das reinste Werbeplakat für die ländliche Västerbotten-Region. Das Dorf bestand aus zwanzig Häusern, die am Ende eines Sees halbkreisförmig und relativ dicht nebeneinanderstanden. In der Mitte des Dorfes gabelte sich eine Straße, dort wies ein Pfeil nach Hemmingen, 11 km, und einer nach Bastuträsk, 17 km. Daneben war eine Brücke, die über einen kleinen Fluss führte. Im Hochsommer musste es hier so aussehen wie auf einer Postkarte.