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»Ihr seid ein Ärgernis für mich«, sagte sie zu Seyll. »Laßt mich in Ruhe.«

»Wie Ihr wollt«, antwortete Seyll und erhob sich anmutig. Dann lächelte sie. »Denkt über das nach, was ich Euch sagte, und überlegt, ob nicht doch eine gewisse Wahrheit dahinterstecken könnte. Wenn Euer Glaube an Lolth so stark ist, wie Ihr glaubt, dann wird er einer Auseinandersetzung mit ihm ganz bestimmt standhalten. Möge Eilistraee Euch segnen und wärmen.«

Sie schlug die Kapuze über den Kopf und zog sich zurück. Halisstra wandte den Blick von ihr ab, damit Seyll nicht das grausame Lächeln sehen konnte, das ihre Lippen umspielte.

Die Nachhut, überlegte Ryld, scheint die Aufgabe zu sein, die Quenthel für denjenigen vorsieht, den sie jeweils für am entbehrlichsten hält.

Er hielt inne und lauschte auf die Geräusche im Wald, immer auf der Hut, ob irgendein Laut ein Hinweis auf einen nahenden Gegner sein mochte. Das einzige, was er jedoch hörte, war das ständige Prasseln des kalten Regens. Pharauns Feuerspinnen hatten im Wald hinter ihnen für einen Großbrand gesorgt, doch vermutlich hatte der Regen verhindern können, daß sich die Feuer zu sehr ausbreiteten. Der Waffenmeister warf einen Blick zum Himmel, woraufhin ihm Tropfen ins Gesicht fielen, während er den mattsilbernen Glanz hinter den Wolken betrachtete.

Wenigstens spült der Regen unsere Spuren weg, dachte er.

Nachdem sie in der Nacht zuvor durchmarschiert waren und den langen, sonnenreichen Tag unter einem dicken Gestrüpp verbracht hatten, waren sie am Abend wieder aufgebrochen, doch nach kurzer Zeit bereits auf ein zeitraubendes Hindernis gestoßen, denn der Waldboden bestand ausschließlich aus Morast und Matsch.

Ryld zog seine Kapuze zurecht, dann ging er weiter, wobei er aufpassen mußte, daß er keine zu schnellen Schritte machte. Er würde keine gute Nachhut bilden, wenn er zu dicht hinter den anderen war, andererseits wollte er auch nicht so weit zurückfallen, daß ihm eine Biegung auf dem Weg entging und er geradewegs in die endlosen Wälder marschierte. Wenn Halisstra schon keine Umkehr rechtfertigte, dann durfte er sich keinen Illusionen hingeben, was mit ihm geschähe, wenn er von der Gruppe getrennt wurde. Eine Weile ging er einfach weiter und hielt in kurzen Abständen an, um mit Augen und Ohren nach Feinden zu suchen.

Es dauerte nicht lang, da vernahm er das lauter werdende, gleichmäßige Rauschen von Wasser – ein rascher Strom, der durch den Wald floß, ein finsteres, breites Gewässer, das sich seinen Weg bahnte entlang an morastigen Ufern, die mit Dornen und Farnen überzogen waren. Ein großer Stamm war gefällt worden, damit man den Strom überqueren konnte. Seine Oberseite war abgehobelt worden, um eine sichere Überquerung zu gewährleisten. Quenthel und die anderen warteten schon dort und beobachteten stumm ihre Umgebung. Ryld sah die Armbrüste, die in seine Richtung wiesen und erkennen ließen, wie wachsam seine Gefährten waren. Der Kampf mit den Bewohnern der Oberflächenwelt hatte seinen Kameraden eindeutig eingeschärft, im Wald Vorsicht walten zu lassen.

»Nicht schießen«, rief er. »Ich bin’s.«

»Meister Argith«, entgegnete Quenthel. »Ich hatte mich schon gefragt, ob Ihr Euch verlaufen haben könntet.«

Ryld verbeugte sich vor Quenthel und gesellte sich zu den anderen. Er ließ sich auf dem Stumpf des abgesägten Baumes nieder und durchsuchte die Taschen seines Mantels nach einer kleinen Flasche Duergar-Branntwein. Normalerweise war es nicht seine Art, sich mit Alkohol zu benebeln, doch der stundenlange Marsch durch den Regen hatte seine Kleidung bis auf die Haut durchnäßt, so daß er nun fror. Der Likör sorgte für ein heißes Strahlen aus seiner Körpermitte heraus, nachdem er einen ordentlichen Schluck getrunken hatte.

»Ist das der Fluß?« fragte er Pharaun.

»Ja«, erwiderte der prompt. »Hier überqueren wir ihn und gehen dann stromaufwärts nach Süden. Das Haus Jaelre ist nur noch ein paar Kilometer entfernt.«

Mit einem Finger wies er auf Ryld, dann murmelte er eine magische Silbe. Die Flasche entglitt der Hand des Waffenmeisters und schwebte durch die Luft, bis der Magier sie greifen konnte und sich selbst auch einen guten Schluck gönnte.

»Meinen Dank«, sagte Pharaun. »Die Grauzwerge mögen zwar abscheuliche Rauhbeine sein, aber sie brennen einen wirklich guten Branntwein.«

»Trinkt nicht zuviel«, warf Quenthel ein. »Die Jaelre werden womöglich das Feuer auf uns eröffnen, sobald sie uns sehen. Ich muß mich darauf verlassen können, daß Ihr wachsam und bei klarem Verstand seid. Meister Argith, Ihr bleibt ab jetzt dicht hinter uns. Was vor uns liegt, macht mir mehr Sorgen als das, was sich hinter uns befindet.«

»Wie Ihr wollt, Herrin«, erwiderte Ryld.

Er hielt Pharaun die Hand hin, der nahm noch einen Schluck, dann warf er ihm die Flasche zu. Ryld erhob sich, nahm sein Gepäck auf und ging als erster über die Brücke. Die Oberfläche des Stammes war rutschig und uneben und hätte für einen tolpatschigen Zwerg oder einen ungeschickten Menschen ein Problem dargestellt. Die Drow dagegen überquerten ihn ohne jede Schwierigkeit.

Auf der anderen Seite des Stromes stießen sie auf die überwucherten Überreste einer alten Steinstraße, die von den gewundenen Wurzeln unzähliger Bäume und dem Frost aus Jahrhunderten aufgerissen war. Die glatten weißen Steine, die fachmännisch zusammengefügt worden waren, zeugten davon, daß es sich um eine Arbeit der alten Elfen handelte, die einst an der Oberfläche der Welt im Wald gelebt hatten. Ryld war nicht so ungebildet, nichts von Cormanthor gehört zu haben, dem großen Waldreich der Oberflächen-Elfen, und ebenso wußte er vom vergangenen Ruhm der legendären Hauptstadt Myth Drannor. Von den Namen abgesehen war ihm jedoch unbekannt, wer die Erbauer des Imperiums im Wald gewesen waren und was ihnen zugestoßen war.

Langsam und aufmerksam bewegte sich die Gruppe in einer offenen Formation vorwärts, jederzeit bereit, auf jeden Angriff zu reagieren. Über anderthalb Kilometer folgten sie der alten Straße, so wie Pharaun es ihnen gesagt hatte, dann gelangten sie zu den Überresten alter Gemäuer und Zinnen, die von einer antiken Feste zeugten. Grüne Ranken überzogen die Mauer und blühten, obwohl es Winter war. Die Mauer war an Dutzenden Stellen gerissen oder durchlöchert. Ein verrostetes Eisentor lag quer auf der Straße und stellte eine Barriere dar, die ihren Nutzen längst verloren hatte. Jenseits der Mauern erhob sich ein kleiner steiniger Hügel aus dem Waldboden, den eine große fünfeckige Feste aus weißem Stein krönte. Auf den ersten Blick kam es Ryld vor, als sei das Gebäude noch in Benutzung, doch bei genauerem Hinsehen erkannte er, daß die Turmspitzen durchlöchert waren und daß mehrere der freischwebenden Stützpfeiler, die die Türme mit der Feste selbst verbanden, vor Jahren zusammengebrochen waren. Ranken hatten ihre Wurzeln in den gespaltenen Steinen verankert und überzogen die Ruinen wie eine lebendige Decke.

»Ruinen«, knurrte Jeggred. »Euer Zauber war ein Fehlschlag. Oder habt Ihr uns in die Irre geführt? Steckt Ihr mit dem verlogenen Späher unter einer Decke?«

»Meine Zauber gehen nicht fehl«, erwiderte Pharaun. »Dies ist der Ort. Die Jaelre sind hier.«

»Wo sind sie denn dann?« zischte der Draegloth. »Wenn Ihr ...«

»Seid ruhig«, herrschte Valas sie an. Er entfernte sich mit kaum hörbaren Schritten ein Stück vom Tor, während er einen Pfeil schußbereit auflegte. »Dieser Ort ist nicht so verlassen, wie er wirkt.«

Ryld suchte hinter einer alten Säule aus großen Quadern Schutz, eine Hand auf Splitters Heft. Danifae und Pharaun taten es ihm auf der anderen Straßenseite nach. Quenthel dagegen rührte sich nicht.

Vielmehr stand sie selbstsicher mitten auf dem Weg und rief laut: »Ihr vom Haus Jaelre! Wir wollen mit Euren Führern sprechen!«

Aus einem Dutzend verborgener Positionen erhoben sich gut getarnte Gestalten in dunklen Mänteln, die das Auge täuschten, da sie die Umgebung des Trägers nachahmten. Bogen und Stäbe wurden auf die Menzoberranzanyr gerichtet. Eine der Gestalten, eine Frau mit einem Schwert mit zwei Klingen, schob die Kapuze zurück und betrachtete die Gruppe voller Verachtung.