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«Nein, Sir.«

«Gut. Der nächste, bitte.«

Von dem kleinen Vorzimmer aus, wo ich die Strafe zahlen sollte, rief ich Owen Idris an. Die Zahlung hatte sich doch als problematisch erwiesen, da in meinem provisorisch getrockneten Anzug keine Brieftasche zu finden war. Auch kein Scheckbuch. Und im übrigen auch keine Schlüssel. Konnte das alles in Savile Row geblieben sein? fragte ich. Jemand hörte nach. Fehlanzeige. Man hatte mich mit leeren Taschen aufgegriffen. Kein Identitätsnachweis, kein Geld, keine Schlüssel, kein Schreiber, kein Taschentuch.

«Owen? Stecken Sie zehn Pfund ein, und kommen Sie mit dem Taxi zum Gericht in der Marlborough Street.«»Sehr wohl, Sir.«»Jetzt gleich.«

«Natürlich.«

Ich fühlte mich grauenhaft. Ich nahm mir einen Stuhl und fragte mich, wie lange es dauerte, bis eine halbe Flasche Schnaps abgebaut war.

Owen kam nach einer halben Stunde und gab mir wortlos das Geld. Auch sein Gesicht verriet keine Überraschung darüber, mich in einer so mißlichen Lage zu sehen und obendrein noch unrasiert. Ich war mir nicht sicher, ob ich seine mangelnde Überraschung zu schätzen wußte. Mir fiel auch keine plausible Erklärung ein. Ich zahlte einfach die fünf Pfund und sah zu, daß ich nach Hause kam. Owen saß im Taxi neben mir und musterte mich alle hundert Meter verstohlen von der Seite.

Ich schleppte mich hinauf ins Wohnzimmer und warf mich aufs Sofa. Owen war unten geblieben, um das Taxi zu bezahlen, und ich hörte ihn in der Diele mit jemand reden. Jetzt bloß kein Besuch, dachte ich. Ich wollte nichts als vierundzwanzig Stunden lang vergessen.

Der Besucher war Charlie.

«Ihr Diener sagt, Ihnen geht's nicht gut.«

«Mhm.«

«Du lieber Gott!«Er stand neben mir und sah auf mich nieder.»Was ist denn mit Ihnen passiert?«

«Lange Geschichte.«

«Hm. Ob Ihr Diener uns einen Kaffee kocht?«

«Fragen Sie ihn… er wird in der Werkstatt sein. Da drüben ist die Sprechanlage. «Ich nickte zur Tür auf der anderen Seite und wünschte, ich hätte es nicht getan. Mein ganzer Hirnkasten fühlte sich mürbe an.

Charlie redete über die Sprechanlage mit Owen, und Owen kam mit seinem höflichsten Gesicht herauf und hantierte in der Küche mit Filtern.

«Was ist mit Ihnen?«fragte Charlie.

«Kaputt, betrunken und…«Ich schwieg.

«Und was?«

«Nichts.«

«Sie brauchen einen Arzt.«

«Ich war bei einem Polizeiarzt. Oder vielmehr… er bei mir.«

«Sie müßten mal Ihre Augen sehen«, sagte Charlie ernst.»Und ob es Ihnen paßt oder nicht, ich rufe Ihnen jetzt einen Arzt. «Er ging in die Küche, um Owen nach der Nummer zu fragen, und ich hörte kurz den Nebenanschluß klingeln, als er sein Vorhaben ausführte. Dann kam er zurück.

«Was ist mit meinen Augen?«

«Punktgroße Pupillen und glasiger Blick.«

«Reizend.«

Owen kam mit dem Kaffee, doch so angenehm er duftete, ich brachte kaum etwas davon herunter. Beide Männer sahen mich mit einem Ausdruck an, den man nur besorgt nennen konnte.

«Wie sind Sie in diesen Zustand geraten?«fragte Charlie.

«Soll ich gehen, Sir?«fragte Owen höflich.

«Nein. Nehmen Sie Platz, Owen. Sie können es ruhig auch hören…«Er setzte sich bequem in einen kleinen Sessel, ohne sich zu zieren oder sich breitzumachen. Ich schätzte Owens Anpassungsfähigkeit und sein gelassenes Verhältnis zu Lohn und Arbeit über alles, denn sie ermöglichten uns eine Beziehung, in der wir beide, Herr wie bezahlter Diener, unsere Würde wahren konnten. Vor noch nicht einem Jahr hatte ich ihn eingestellt; ich hoffte, er blieb, bis er umfiel.

«Ich bin gestern abend nach Einbruch der Dunkelheit zum Stall von Jody Leeds gefahren. Ich hatte kein Recht, ihn zu betreten. Jody und zwei andere Männer überraschten mich dabei, wie ich mir in einer Box ein Pferd ansah. Es kam zu einem Handgemenge, und ich schlug mir — vermutlich an der Krippe — den Kopf an und verlor das Bewußtsein.«

Ich machte eine Atempause. Meine Zuhörer schwiegen.

«Als ich zu mir kam, saß ich sturzbetrunken auf einem Gehsteig in Soho.«

«Unmöglich«, sagte Charlie.

«Nein. Es ist passiert. Die Polizei hat mich aufgegriffen, wie sie es anscheinend mit allen Betrunkenen tut, die auf dem Pflaster stranden. Den Rest der Nacht habe ich in einer Zelle verbracht, dann mußte ich fünf Pfund Strafe zahlen, und jetzt bin ich hier.«

Eine lange Pause trat ein.

Charlie räusperte sich.»Ehm… das wirft einige Fragen auf.«

«Allerdings.«

Owen sagte ruhig:»Der Wagen, Sir. Wo haben Sie den Wagen gelassen?«Der Wagen war sein besonderer Liebling, gehegt und gepflegt wie Tafelsilber.

Ich erklärte ihm genau, wo ich ihn abgestellt hatte. Und fügte hinzu, daß ich die Schlüssel vermißte, ebenso wie meine Schlüssel für die Wohnung und die Werkstatt.

Charlie und Owen zeigten sich bestürzt und kamen überein, daß Owen, noch bevor er den Wagen abholte, alle meine Schlösser auswechseln sollte.

«Die Schlösser habe ich selbst gebaut«, wandte ich ein.

«Möchten Sie, daß Jody hier hereinmarschiert, während Sie schlafen?«

«Nein.«

«Dann wechselt Owen die Schlösser aus.«

Ich machte keine Einwendungen mehr. Seit einiger Zeit schon tüftelte ich an einem neuartigen Schloß, doch ich hatte es noch nicht angefertigt. Es war aber reif. Ich würde es als Spielzeug für Kinder, die ihre Geheimnisse wegschließen wollten, anlegen und patentieren lassen, und wer weiß, in zwanzig Jahren sicherte es vielleicht die Hälfte aller Türen im Land gegen Einbrecher. Mein Schloß kam ohne Schlüssel, ohne Elektronik aus, und es ließ sich nicht knak-ken. Ich hatte es komplett im Kopf, seine Arbeitsteile griffen nahtlos ineinander.

«Geht es Ihnen gut?«sagte Charlie unvermittelt.

«Bitte?«

«Einen Moment lang sah es aus…«Er brach ab und sprach den Satz nicht zu Ende.

«Ich liege nicht im Sterben, falls Sie das meinen. Ich habe nur so eine Idee für ein neues Schloß.«

Charlies Aufmerksamkeit erhöhte sich so schnell wie in Sandown.

«Revolutionär?«fragte er hoffnungsvoll.

Ich lächelte innerlich. Das Wort paßte in mehr als einer Hinsicht, denn einige Teile des Schlosses würden sich drehen wie eine Revolvertrommel.

«Könnte man sagen«, stimmte ich zu.

«Denken Sie… an meine Bank.«

«Ja.«

«Niemand außer Ihnen würde etwas erfinden, wenn er halb tot ist.«

«Ich sehe vielleicht aus, als wäre ich halb tot«, sagte ich,»aber ich bin es nicht. «Vielleicht fühlte ich mich so, aber das würde vorbeigehen.

Die Türklingel schrillte.

«Falls es nicht der Arzt ist«, bat Charlie Owen,»sagen Sie, unser Freund sei nicht da.«

Owen nickte kurz und ging nach unten, doch als er wiederkam, war nicht der Arzt bei ihm, sondern ein unerwarteter und viel willkommenerer Besuch.

«Miss Ward, Sir.«

Noch bevor er ausgeredet hatte, kam sie zur Tür hereingefegt wie ein Schwall frischer Luft, ihr Gesicht so klar und schön, ihre Kleider so gepflegt, wie ich verschmuddelt und verdreckt war.

Sie sah aus wie das blühende Leben, ihre Vitalität erhellte den Raum.

«Steven!«

Zwei Schritte vor dem Sofa blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte mich an. Sie blickte zu Charlie und Owen.»Was fehlt ihm?«

«Zuviel herumgesumpft«, sagte ich.»Darf ich liegenbleiben?«

«Grüß Sie«, sagte Charlie höflich.»Ich bin Charlie Canterfield. Ein Freund von Steven. «Er gab ihr die Hand.

«Alexandra Ward«, antwortete sie ein wenig verwirrt.

«Ihr kennt euch schon«, sagte ich.

«Was?«

«Von der Walton Street.«

Sie sahen sich an und begriffen, was ich meinte. Charlie übernahm es, Allie zu erklären, wie ich in einen so bedauerlichen Zustand geraten war, und Owen ging die Schlösser kaufen. Ich lag auf dem Sofa und ließ mich treiben. Der ganze Morgen kam mir sprunghaft und unzusammenhängend vor, als müßten meine Gedanken Kluft für Kluft überwinden.