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Um den Jockey-Club tat es mir wirklich leid. Was man auch davon hielt, es war und blieb eine Anerkennung, wenn einem die Mitgliedschaft angetragen wurde. So etwas wie das Ehrenbürgerrecht im Rennsport. Hätte ich mich weiterhin brav von Jody bestehlen lassen, wäre ich reingekommen. Da ich mich gewehrt hatte, blieb ich draußen. Sehr komisch.

Dial machte vieles wieder wett, indem er das Hürdenrennen für Vierjährige mit einer Länge gewann, und selbst Quintus, der jedermann erzählte, es liege alles nur an Jodys Vorarbeit, konnte meine Freude an seinem Endspurt nicht trüben.

Rupert Ramsey, der Dial die dampfenden Flanken klopfte, hörte sich dennoch an, als müsse er sich entschuldigen.

«Energise ist leider noch nicht wieder der Alte.«

Wahrer, als du ahnst, dachte ich. Ich sagte nur:»Macht nichts. Lassen Sie ihn nicht starten.«

«Er ist für das Champion Hurdle genannt«, erwiderte er unschlüssig.»Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, ihn beim nächsten Streichungstermin drinzulassen.«

«Nehmen Sie ihn nicht raus«, sagte ich hastig.»Ich meine… auf das Nenngeld kommt es mir nicht an. Es kann ja immer noch sein, daß er die Kurve kriegt.«

«Sicher. «Verständlicherweise war er nicht überzeugt.»Da richte ich mich natürlich nach Ihnen.«

Ich nickte.»Was zu trinken?«schlug ich vor.

«Nur auf die Schnelle. Ich habe noch Starter hier.«

Er kippte seinen Scotch hinunter, lehnte einen zweiten freundlich ab und eilte im Laufschritt zu den Sattelboxen. Ich ging auf die Tribüne hinauf und schaute müßig über die kalte, windige Rennbahn.

In den letzten vierzehn Tagen hatte ich vergeblich überlegt, wer der Doppelgänger von Energise war. Kein Pferd auf Jodys Trainingsliste schien zu passen. Schwarzbraune Pferde waren relativ selten, und keins auf seiner Liste hatte sowohl die richtige Farbe wie auch das richtige Alter. Bei dem Wechselbalg bei Rupert stimmten Farbe, Alter, Höhe und der gesamte Körperbau. Jody hatte ihn sicher nicht zufällig daheim stehen gehabt; er mußte gezielt nach ihm gesucht haben. Aber wie schaffte man sich so einen Doppelgänger an? Man konnte ja schlecht herumfragen, ob irgendwo ein preisgünstiges Ebenbild zu haben war.

Mein schweifender Blick hielt ruckartig inne. In dem Gedränge unten, zwischen den Ständen der Buchmacher, hatte ich eine Sonnenbrille gesehen, die mir bekannt vorkam.

Es war ein grauer Nachmittag. Schnee lag in der Luft, und der Wind fuhr in jeden Ritz zwischen Körper und Seele. Nicht unbedingt ein Tag, an dem man die Augen vor blendendem Licht schützen mußte.

Da war sie wieder. Fest und gerade auf der Nase eines breitschultrigen Mannes. Keine Stoffmütze allerdings. Ein Trilby. Kein Regenmantel; Schafspelz.

Ich setzte mein Fernglas an, um ihn mir genauer anzusehen. Er stand mit dem Rücken zu mir, den Kopf leicht nach links gedreht. Ich sah ihn im Halbprofil, die Wange und dann deutlich die getönten Gläser, als er in ein Rennprogramm schaute.

Graubraune Haare, mittellang. Die Hände in Schweinslederhandschuhen. Bräunliche Tweedhose. Fernglas über die Schulter geschlungen. Ein typischer Rennbahnbesucher unter tausend anderen. Bis auf die Sonnenbrille.

Ich wollte, daß er sich umdrehte. Stattdessen entfernte er sich, immer noch mit dem Rücken zu mir, und verschwand in der Menge. Um es genau zu wissen, mußte ich schon näher an ihn heran.

Den ganzen restlichen Nachmittag hielt ich Ausschau nach einem — irgendeinem — Mann mit Sonnenbrille, doch die einzige, die so ausstaffiert herumlief, war eine Schauspielerin auf der Flucht vor ihren Fans.

Unvermeidlicherweise sah ich mich irgendwann auch Jody gegenüber.

Newbury war sein Lokalmeeting, und da er drei Pferde starten ließ, hatte ich gewußt, er würde dort sein. Eine Woche vorher hatte ich mich noch so gescheut, ihm zu begegnen, daß ich einen Bogen um Newbury machen wollte, hatte schließlich aber eingesehen, daß es notwendig war. Irgendwie mußte ich ihn glauben machen, ich hätte so gut wie keine Erinnerung an meinen nächtlichen Besuch; der Schlag auf den Kopf und die Gehirnerschütterung hätten in meinem Gedächtnis eine einzige große Lücke gerissen.

Er durfte nicht dahinterkommen, daß ich Energise gesehen und erkannt hatte und über den Tausch Bescheid wußte. Das mußte ich aus dem gleichen Grund verhindern, aus dem ich auch die Polizei heraushielt. Dem gleichen Grund, aus dem ich Charlie und Allie zum Stillschweigen verpflichtet hatte. Wenn die Alternative hieß, Betrugsverfahren oder weg mit den Beweisen, würde Jody blitzschnell das Corpus delicti verschwinden lassen. Energise würde lange vor jedem Haftbefehl tot und zu Hundefutter verarbeitet sein.

Den Gedanken, daß Jody ihn bereits getötet haben könnte, verdrängte ich nach Kräften. Er konnte nicht sicher sein, ob ich das Pferd gesehen hatte, sagte ich mir, und wenn ja, ob ich es erkannt hatte. Entdeckt hatten sie mich am Ende der Boxenreihe: Sie konnten nicht wissen, ob ich nicht hinten angefangen hatte und auf dem Weg nach vorn war. Sie konnten nicht mit Sicherheit davon ausgehen, daß ich nach einem vertauschten Pferd gesucht oder auch nur vermutet hatte, es sei eins dort. Sie wußten nicht genau, weshalb ich auf dem Hof gewesen war.

Energise war wertvoll, zu wertvoll, um aus einer Kurzschlußreaktion heraus getötet zu werden. Ich nahm an und hoffte, sie würden ihn nur töten, wenn es nicht anders ging. Warum sonst hätten sie sich solche Mühe geben sollen, meine Glaubwürdigkeit zu erschüttern? Indem sie mich unter Alkohol setzten und nach London spedierten, hatten sie Zeit gewonnen, Energise an einen sicheren Ort zu bringen, und wäre ich im Sturmlauf mit der Polizei zurückgekommen, wären wir sicher mit ganz erstaunter Unschuldsmiene empfangen worden.

«Aber bitte, sucht, wo ihr wollt«, hätte Jody gesagt.

Kein Energise weit und breit.

«Na ja, klar, wenn du betrunken warst, hast du das alles nur phantasiert.«

Ende der Ermittlung und Aus für Energise, denn danach wäre es zu riskant gewesen, ihn noch zu halten.

Konnte ich Jody hingegen einreden, daß ich von nichts wußte, ließ er Energise vielleicht am Leben, und mir blieb die Möglichkeit, ihn wiederzubekommen.

Ich stieß versehentlich vor der Waage mit Jody zusammen. Wir wandten uns einer halb zum anderen, um uns zu entschuldigen, und im Erkennen gefroren uns die Worte auf den Lippen.

Jodys Blick wurde drohend, und meiner vielleicht auch.

«Geh mir aus dem Weg«, sagte er.

«Hör mal, Jody«, antwortete ich,»du mußt mir helfen.«

«Dir helfe ich so sicher, wie ich dir den Arsch küsse.«

Ich überhörte das und mimte ein wenig Verwirrung.»Bin ich vor etwa vierzehn Tagen mal bei dir im Stall gewesen oder nicht?«

Sofort war er nur noch halb so heftig, aber doppelt so aufmerksam.

«Wie soll ich das verstehen?«

«Ich weiß, es ist blöd… aber irgendwie habe ich mich wohl betrunken und einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen, und ich dachte… es kam mir vor, als wäre ich an dem Abend zu dir gefahren, obwohl ich mir, so wie's mit uns steht, beim besten Willen nicht denken kann, warum. Und deshalb frage ich dich, bin ich bei dir gewesen oder nicht?«

Er starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an.»Wenn, dann habe ich dich jedenfalls nicht gesehen. «Ich sah auf den Boden, als wäre ich untröstlich, und schüttelte den Kopf.»Ich verstehe das nicht. Normalerweise trinke ich nicht viel. Die ganze Zeit versuche ich das schon auf die Reihe zu kriegen, aber zwischen sechs Uhr abends und dem nächsten Morgen, wo ich mit einem furchtbaren Brummschädel und voller blauer Flecke in einer Polizeistation aufgewacht bin, kann ich mich an nichts erinnern. Ich dachte, du könntest mir vielleicht sagen, was ich dazwischen gemacht hab, denn bei mir ist da Mattscheibe.«