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Ich spürte förmlich die Gefühle, die ihn durchliefen. Staunen, Frohlocken, Erleichterung und der Eindruck, unverschämt viel Glück gehabt zu haben. Schon riskierte er wieder starke Töne.

«Warum zum Donnerwetter hättest du mich besuchen sollen? Du konntest mich doch gar nicht schnell genug loswerden.«

«Ich weiß nicht«, sagte ich bedrückt.»Du hast mich wohl nicht angerufen und mich gebeten…«

«Stimmt haargenau. Und laß dich auch bloß nicht blicken. Ich hab die Nase voll und will nichts mehr von dir, selbst wenn du angekrochen kommst.«

Er sah mich finster an, drehte sich um und ging mit langen Schritten davon, und nur, weil ich ahnte, was in ihm vorging, bekam ich den Anflug des zufriedenen Lächelns mit, das er sich nicht ganz verkneifen konnte. Auch mir war zum Lächeln. Wenn er mich so eindringlich ermahnte, von seinem Stall wegzubleiben, sprach alles dafür, daß Energise gesund und munter noch da stand.

Ich beobachtete, wie Jodys kräftiger Rücken sich durchs Gewühl schlängelte, wie die Leute ihn grüßten. Für sie war er ein aufgeweckter junger Trainer, der seinen Weg machte. Für mich ein abgefeimter kleiner Gauner.

Zu Weihnachten hatte ich Allie in Code 4 geschrieben.

«An welchem Abend im neuen Jahr kannst Du mit mir essen gehen und wo? Beiliegend 20 Dollar für die Heimfahrt.«

Am Morgen nach dem Renntag in Newbury erhielt ich ihre Antwort, ebenfalls in Gruppen zu fünf Buchstaben, aber nicht in Code 4. Sie hatte die Nachricht so raffiniert verwürfelt, daß ich zwei Minuten brauchte, um sie zu entschlüsseln. Kurze Mitteilungen waren immer am schwierigsten, und diese war wirklich sehr kurz.

Ich lachte laut. Und sie hatte die zwanzig Dollar behalten.

Der Rennkalender kam mit der gleichen Post. Ich ging mit dem Kalender und einer Tasse Kaffee zu dem großen Balkonfenster und setzte mich in einen Sessel, um zu lesen. Der Himmel über dem Tiergarten im Regent's Park sah so schwer und grau, so Schneeverhangen aus wie tags zuvor. Am Kanal unten malten die kahlen Zweige der Bäume schwarze Netze auf das braune Wasser und die Uferwiesen, und wie immer zerstörte der Verkehrsstrom die Illusion ländlichen Friedens. Mir gefiel diese Sicht auf das Leben, die wie meine Arbeit ein Kompromiß zwischen alten, primitiven Wurzeln und funkelnagelneuer Technologie war. Wo sich die Kraft des Alten mit den Annehmlichkeiten des Neuen verband, dachte ich, entstand Zufriedenheit. Wäre ich eine heidnische Gottheit gewesen, dann am liebsten die Elektrizität, die dem Himmel entsprang und Maschinen antrieb. Geheimnisvoll tödliche Naturgewalt, gebändigt, nutzbar gemacht und jederzeit verfügbar. Mein Onkel, der Schweißer, hatte mir als Kind die Elektrizität wie ein lebendes Wesen geschildert.»Der Strom holt dich, wenn du nicht aufpaßt. «Es sollte eine Warnung sein; und ich hatte mir den Strom als feuerspeiendes Ungetüm vorgestellt, das in den Drähten auf der Lauer lag.

Die steifen gelben Seiten des Rennkalenders knisterten vertraut, als ich sie aufschlug. Das wöchentlich erscheinende offizielle Organ des Rennsports listet auf zahlreichen zweispaltigen Seiten die für die bevorstehenden Rennen genannten Pferde auf. Dem Namen des Pferdes sind jeweils die Namen des Besitzers und des Trainers beigefügt, sein Alter und das Gewicht, das es im Rennen tragen muß.

Mit dem Bleistift in der Hand, um nicht versehentlich eine Zeile zu überspringen, sah ich wie in den beiden vorangegangenen Wochen die Namen, Besitzer und Trainer aller für Hürdenrennen genannten Pferde durch.

Grapevine (Mrs. R. Wantage) B. Fritwell…. 6 11 11

Pirate Boy (Lord Dresden) A.C. Barnes……… 10 11 4

Hopfield (Mr. Paul Hatheleigh) K. Poundsgate. 5 11 2

Sie waren zahllos. Seufzend hakte ich die Nennungen für Worcester ab. Dreihundertachtundsechzig für ein einziges Sieglosenrennen und dreihundertneunundvierzig für das nächste, und nichts dabei, was ich suchte.

Mein Kaffee war fast kalt. Ich trank ihn trotzdem und nahm mir die Rennen in Taunton vor.

Wieder Hunderte von Namen, aber Fehlanzeige.

Ascot nichts; Newcastle nichts. Warwick, Teesside, Plumpton, Doncaster dasselbe.

Ich legte den Kalender erst mal weg und ging auf den Balkon, um Luft zu schnappen. Bitterkalte Luft, die in die Lungen schnitt. Urzeitliche Polarluft, befrachtet mit Stadtdreck; wieder diese Mischung. Die Zootiere im Park waren ruhig, wohlgeborgen in geheizten Häusern. Im Sommer machten sie mehr Lärm.

Zurück an die Arbeit.

Huntingdon, Market Rasen, Stratford on Avon… ich seufzte, bevor ich an Stratford heranging, und sah nach, wieviel noch kam. Nottingham, Carlisle und Wetherby. Noch ein Morgen für die Katze, dachte ich.

Wandte mich wieder Stratford zu, und da stand es.

Ich kniff die Augen zusammen und las sorgfältig noch einmal nach, als könnte der Name verschwinden, wenn ich wegsah.

Etwa in der Mitte der vierundsechzig Nennungen für das Shakespeare Novice Hurdle.

Padellic (Mr.J. Leeds)J. Leeds…….5 10 7

Padellic.

Der Name erschien hier zum ersten Mal in Verbindung mit Jody. Ich kannte die Namen seiner Stammpferde und hatte nach einem neuen, einem unbekannten gesucht. Einem unbekannten Pferd, das, wenn meine Theorien stimmten, Jody selbst gehörte. Und da war es.

Farbe und Abzeichen von Padellic standen nicht im Kalender. Ich stürzte förmlich zu dem Regal mit meinen Rennberichten und schlug in sämtlichen Indizes nach.

Ziemlich klar, dachte ich. Er war als schwarzbrauner fünfjähriger Wallach aufgeführt, ein Halbblut von einem Vollblutvater aus einer Hunterstute. Er war von einem Mann trainiert worden, von dem ich noch nie gehört hatte, und in drei Hürdenrennen für Vierjährige gelaufen, ohne sich zu plazieren.

Ich rief den Trainer sofort an und gab mich als ein Mr. Robinson aus, der billig ein siegloses Pferd erstehen wollte.

«Padellic?«sagte er mit unverfälschtem Birminghamer Akzent.»Den Krampen habe ich mir im Oktober vom Hals geschafft. Unnützes Tier. Konnte sich noch nicht mal die Füße warmlaufen. Steht er wieder zum Verkauf? Wundern tut's mich nicht. Eine echte Schlafmütze ist das.«

«Ehm… wo haben Sie ihn verkauft?«

«Auf der gemischten Auktion in Doncaster. Grausliches Zeug hatten die da. Er ging für vierhundert Pfund weg, und das war noch viel für ihn. Gab nur das eine Gebot. Der Typ hätte ihn bestimmt auch für dreihundert haben können. Ich war mit den vier hochzufrieden, das kann ich Ihnen sagen.«

«Wissen Sie, wer ihn gekauft hat?«

«Hm?«Die Frage schien ihn zu überraschen.»Keine Ahnung. Der hat bei den Versteigerern bar bezahlt und keinen Namen angegeben. Ich sah nur, wie er sein Gebot abgab. Großer, schwerer Typ. War mir noch nie untergekommen. Mit Sonnenbrille. Hab ihn auch seitdem nicht mehr gesehen. Er hat bar bezahlt und das Pferd mitgenommen, und ich war richtig froh, es loszusein.«

«Wie ist das Pferd?«

«Sag ich doch, ein Lahmarsch.«

«Nein, wie es aussieht, meine ich.«

«Hm? Ich denke, Sie wollen es kaufen.«

«Nur auf dem Papier sozusagen. Ich dachte«, log ich,»es gehöre noch Ihnen.«

«Ach so. Na, schwarz ist er. Mehr oder weniger schwarz, mit etwas Braun um die Nüstern.«

«Nichts Weißes an ihm?«

«Kein Haar. Rabenschwarz. Schwarze taugen oft nichts.

Ich habe ihn selbst gezogen, verstehen Sie? Sollte ein Brauner werden, wurde aber schwarz. Wobei er nicht schlecht aussieht. Im Bau stimmt er. Aber das ist auch alles. Kein Speed.«

«Kann er springen?«