«Ach, na ja. Wenn man ihm Zeit läßt. Nicht schlecht.«
«Gut, vielen Dank.«
«Sie würden es bereuen«, meinte er warnend.»Lassen Sie die Finger davon.«
«Ich kaufe ihn nicht«, versicherte ich ihm.»Vielen Dank noch mal für Ihren Rat.«
Nachdenklich legte ich auf. Natürlich konnte es sein, daß Dutzende namenloser, kräftiger Männer mit Sonnenbrille auf den Auktionen herumliefen und langsame schwarze Pferde ohne Abzeichen gegen Barzahlung kauften; vielleicht war es aber auch nicht so.
Das Telefon klingelte unter meiner Hand. Ich nahm beim ersten Klingeln ab.
«Steven?«
Unverkennbar, die bekannte Zigarren-und-Portwein-Stimme.»Charlie.«
«Haben Sie schon zu Mittag gegessen? Ich bin gerade um die Ecke in Euston aus dem Zug gestiegen und dachte — «
«Bei mir oder wo?«
«Ich komme zu Ihnen.«
«Prima.«
Er kam strahlend und gut aufgelegt, da er gerade drei Millionen in der Nähe von Rugby investiert hatte. Im Gegensatz zu manchen anderen Bankern überzeugte Charlie sich immer gern selbst von der Lage der Dinge. Schriftliche Berichte seien gut und schön, meinte er, aber eine Sache beschnuppern sei besser. Wenn ein Projekt verkehrt roch, rückte er kein Geld dafür heraus. Charlie ging nach seiner Nase, und seine Nase war Gold wert.
Jetzt versenkte er das besagte Organ dankbar in einem großen Scotch mit Wasser.
«Was halten Sie von so einem kleinen Imbiß a la Bert?«meinte er im Auftauchen.»Ehrlich gesagt bin ich es leid, im Restaurant zu essen.«
Wir zogen einträchtig in die Küche und aßen Brot mit Speck, Currybohnen und Würstchen, eins schlimmer als das andere für die Taille, am schlimmsten für die von Charlie. Er klopfte sich liebevoll auf den Bauch.»Muß demnächst mal wieder abnehmen. Aber heute nicht«, sagte er.
Zum Kaffeetrinken setzten wir uns wieder gemütlich ins Wohnzimmer.
«Ich wünschte, ich würde leben wie Sie«, sagte er.»So entspannt und zwanglos.«
Ich lächelte. Mein ruhiges Leben hätte ihn innerhalb von drei Wochen in den Wahnsinn getrieben. Er brauchte Hektik, Big Business, schnelle Entscheidungen, das Jonglieren mit Finanzen, das Ausüben von Macht. Und bei so einem Leben, gestand ich mir ein, würde ich noch schneller durchdrehen.
«Haben Sie Ihr Schloß fertig?«fragte er. Er zündete sich dabei eine Zigarre an, und die Worte klangen beiläufig, aber ich fragte mich auf einmal doch, ob er deswegen gekommen war.
«Halb«, sagte ich.
Er schüttelte sein Streichholz, um es zu löschen.»Halten Sie mich auf dem laufenden«, sagte er.
«Versprochen.«
Er zog den Rauch der Havanna ein und nickte, und jetzt stand es in seinen Augen, daß er innerlich für die Bank im Dienst war.
«Wofür würden Sie mehr tun«, fragte ich.»Für mich als Freund oder für mich als Erfinder?«
Er war ein wenig verblüfft.»Kommt drauf an, was Sie wollen.«
«Praktische Hilfe bei einer Gegenoffensive.«
«Gegen Jody?«
Ich nickte.
«Für Sie als Freund«, sagte er.»Das ist ein
Freundschaftsdienst. Sie können auf mich zählen.«
Seine Bestimmtheit überraschte mich. Er sah es mir an und lächelte.
«Was der Ihnen angetan hat, war teuflisch. Vergessen Sie nicht, ich war ja hier. Ich habe gesehen, in welcher Verfassung Sie waren. Wie die Anklage wegen Trunkenheit
Sie getroffen hat, und Gott weiß, was für Schmerzen Sie auszustehen hatten. Sie sahen ziemlich fertig aus, das steht fest.«
«Tut mir leid.«
«Ach was. Wenn er Ihnen nur die Taschen ausgeräumt hätte, würde ich Ihnen wahrscheinlich mit gutem Rat, aber nicht mit Tat zur Seite stehen.«
Das hatte ich nicht erwartet. Im Gegenteil, ich hätte angenommen, daß der finanzielle Verlust ihn mehr empören würde als der Gesichtsverlust.
«Wenn Sie meinen…«, sagte ich unsicher.
«Aber klar. «Er war entschlossen.»Um was geht es Ihnen?«
Ich hob den Rennkalender auf, der neben meinem Sessel auf dem Boden lag, und erklärte, wie ich Padellic gesucht und gefunden hatte.
«Er ist auf der Versteigerung in Doncaster von einem kräftigen Mann mit Sonnenbrille bar gekauft worden und in Jodys Besitz übergegangen.«
«Verdächtig.«
«Ich würde mein Haus gegen einen Mäusepieps wetten, daß Rupert Ramsey sich momentan abrackert, um ihn für das Champion Hurdle fit zu kriegen.«
Charlie rauchte gemächlich.»Rupert Ramsey hat Padellic, meint aber, er habe Energise. Ist das richtig?«
Ich nickte.
«Und Jody beabsichtigt, Energise in Stratford on Avon als Padellic laufen zu lassen?«
«Sieht mir ganz danach aus«, sagte ich.
«Mir auch.«
«Nur ganz so einfach ist es nicht.«
«Wieso nicht?«
«Weil ich«, sagte ich,»noch zwei Rennen gefunden habe, für die Padellic genannt ist, und zwar in Nottingham und Lingfield. Alle drei Rennen finden in zehn bis vierzehn Tagen statt, und man kann nicht wissen, für welches Jody sich entscheidet.«
«Warum wäre das wichtig?«
Ich sagte es ihm.
Er hörte mit weit aufgerissenen Augen zu, und seine Brauen kletterten immer höher. Schließlich lächelte er.
«Wie wollen Sie also rausfinden, welches Rennen er nimmt?«
«Ich dachte«, sagte ich,»Sie könnten vielleicht Ihren Freund Bert mobilisieren. Er würde vieles für Sie tun.«
«Was denn genau?«
«Meinen Sie, Sie könnten ihn überreden, sich in einem von Ganser Mays' Wettbüros um eine Stelle zu bewerben?«
Charlie lachte.»Wieviel darf ich ihm erzählen?«
«Nur, auf was er achten soll. Nicht warum.«
«Sie sind unvergleichlich, Steven.«
«Und noch eins«, sagte ich,»wissen Sie was über die Fahrzeitbegrenzung für LKW-Fahrer?«
Kapitel 9
Es schneite, als ich von Heathrow abflog, dünne, wirbelnde Flocken in stürmischem Wind. Hinter mir ließ ich ein halbfertiges Schloß, ein halb repariertes Auto und einen halbfertigen Plan.
Charlie hatte mir am Telefon mitgeteilt, daß Bert Huggerneck in einem Wettbüro, das früher seinem Ex-Chef gehörte, untergekommen war, und ich hatte mich vorsichtig bei den Versteigerern in Doncaster umgehört. Ohne Erfolg. Der Name des Käufers von Padellic war nirgends vermerkt. Bargeschäfte waren üblich. Sie konnten sich unmöglich erinnern, wer vor drei Monaten ein bestimmtes billiges Pferd gekauft hatte. Ende der Nachforschung.
Owen hatte sich ebenso wie Charlie bereit erklärt, mir zu helfen, wo er nur konnte. Von persönlichen Erwägungen abgesehen, war er der Meinung, daß derjenige, der sich an dem Lamborghini vergriffen hatte, gehängt werden sollte. Wenn ich zurückkam, würde er mir helfen, das Schafott zu errichten.
Die Reise vom Schnee zum Sonnenschein dauerte acht Stunden. Vierundzwanzig Grad am Flughafen Miami und nur ein Hauch kühler vor dem Hotel am Miami Beach; ein berauschendes Gefühl. Im Hotel selbst sorgte die Klimatisierung fast wieder für englischen Winter, aber mein Zimmer im sechsten Stock hatte Nachmittagssonne. Ich zog die geschlossenen Vorhänge zurück, öffnete das Fenster und ließ Licht und Wärme herein.
Unten schwankten hohe Palmen im Seewind um einen glitzernden Pool. Am Ende des betonierten Hotelgeländes ging es direkt hinunter zu einem schmalen Streifen Sandstrand und den weiß schäumenden Wellen des Atlantiks. Meile um Meile tiefblauen Wassers erstreckte sich bis zum hellblauen Horizont.
Ich hatte mir Miami Beach knallig vorgestellt und war auf seine Schönheit nicht gefaßt. Selbst die Reihen weißer Hotelfassaden mit den gleichförmig angeordneten Rechteckfenstern, immer wieder aufgelockert durch vereinzelte Palmen, waren von einer gewissen Erhabenheit.
Um den Pool lagen reihenweise Leute auf Liegen neben weiß befransten Sonnenschirmen und tankten ultraviolettes Licht mit der Hingabe von Gläubigen. Ich zog die von der Reise verschwitzten Sachen aus und nahm ein Bad im Meer, planschte träge in dem warmen Januarwasser und streifte meine Sorgen ab wie alte Haut. Jody Leeds war fünftausend Meilen entfernt, in einer anderen Welt. Leicht und wohltuend, ihn zu vergessen.