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Wieder oben, geduscht und angezogen mit Hose und Baumwollhemd, schaute ich auf die Uhr, um zu sehen, ob es Zeit war, Allie anzurufen. Nach den Briefen hatten wir Telegramme ausgetauscht, wenn auch nicht chiffriert, da die Telegrammgesellschaft das nicht gern sah.

Ich hatte gedrahtet:»Welche Adresse in Miami?«

Sie hatte geantwortet:»Ruf vier zwei sechs acht zwei abends nach sechs.«

Als ich sie anrief, war es fünf nach sechs am fünften Januar, Ortszeit. Die Stimme, die sich meldete, war nicht ihre, und einen Moment lang fragte ich mich betreten, ob Western Union wieder mal den Text verwurstelt hatte und ich sie niemals finden würde.

«Miss Ward? Meinen Sie Miss Alexandra?«

«Ja«, sagte ich erleichtert.

«Bleiben Sie bitte dran.«

Nach einer Pause meldete sich die vertraute Stimme, doppelt willkommen.»Hallo?«

«Allie… hier ist Steven.«

«Hi. «Sie lachte.»Wenn du in Miami bist, habe ich fast fünfzig Dollar gewonnen.«

«Hol sie dir«, sagte ich.

«Ich kann's nicht glauben!«

«Wir sind doch verabredet«, erinnerte ich.

«Ja, klar.«

«Wo finde ich dich?«

«Zwölf vierundzwanzig Garden Island«, sagte sie.»Steig in ein Taxi und komm her, es ist Cocktailzeit.«

Garden Island entpuppte sich als eine schattige Landspitze mit breiten Kanälen drumherum, die ihren Namen rechtfertigten. Das Taxi rollte langsam über eine zwanzig

Meter lange, dekorative Eisenbrücke und hielt vor zwölf vierundzwanzig. Ich zahlte und klingelte an der Tür.

Von außen verriet das Haus wenig. Die getünchten Mauern waren ganz hinter tropischen Pflanzen verborgen, die Fenster hinter Fliegengittern, die massive Tür wäre einer Bank würdig gewesen. Allie öffnete. Lächelte erfreut. Gab mir ein unverfängliches Küßchen.

«Hier wohnt meine Kusine«, sagte sie.»Komm rein.«

Hinter der undurchdringlichen Frontfassade war das Haus groß und hell und erfüllt von lichten, einfachen Farben. Blau, Meergrün, Hellrosa, Weiß und Orange; klar und lebhaft.

«Meine Kusine Minty«, sagte Allie,»und ihr Mann, Warren Barbo.«

Ich gab den Verwandten die Hand. Minty war eine gepflegte, äußerst selbstbeherrschte Brünette in einem zitronengelben Strandanzug. Warren war groß, rotblond und voll von überschwenglich guter Laune. Sie reichten mir einen großen, nicht näher bezeichneten Drink mit Eis und führten mich in ein geräumiges verglastes Zimmer mit Blick auf die untergehende Sonne.

Im Garten vor dem Haus fielen die goldgelben Strahlen auf einen üppigen Rasen, einen stillen Pool und weiße Gartenstühle. Eitel Frieden und Wohlstand, und eine Million Meilen entfernt von Blut, Schweiß und Tränen.

«Alexandra hat uns erzählt, daß Sie sich für Pferde interessieren«, sagte Warren, um ein Gespräch zu beginnen.»Ich weiß nicht, wie lange Sie vorhaben zu bleiben, aber in Hialeah sind jetzt gerade Renntage, die ganze Woche noch. Und abends natürlich die Vollblutauktionen. Ein paar Abende fahre ich hin, und ich würde mich freuen, wenn Sie mitkämen.«

Lust hatte ich schon, aber ich wandte mich an Allie.

«Was hast du für Pläne?«

«Millie und ich haben uns getrennt«, sagte sie ohne erkennbares Bedauern.»Sie sagte, wenn wir mit Weihnachten und Neujahr durch seien, würde sie erst mal nach Japan fliegen, deshalb gönne ich mir jetzt eine Woche hier bei

Minty und Warren.«

«Würdest du mit zum Pferderennen und zu den Auktionen gehen?«

«Sicher.«

«Ich habe vier Tage«, sagte ich.

Sie lächelte strahlend, aber ohne etwas zu versprechen. Mehrere andere Cocktailgäste stellten sich ein, und Allie sagte, sie werde die Canapes holen. Ich folgte ihr in die Küche.»Du kannst die Krabben tragen«, sagte sie und drückte mir eine große Platte in die Hände.»Und okay, nach einer Weile können wir uns dann verkrümeln und irgendwo essen gehen.«

Eine Stunde lang half ich beim Herumreichen jenes mehrgängigen Ersatzes für ein Festessen, Appetithappen nach amerikanischer Art. Allies köstliches Werk. Ich aß zwei oder drei und sann wie ein echter Chauvi über die Freuden der Ehe mit einer guten Köchin nach.

Plötzlich war Minty neben mir, ihre Hand auf meinem Arm, ihr Blick folgte dem meinen.

«Sie ist ein tolles Mädchen«, sagte sie.»Sie hat felsenfest daran geglaubt, daß Sie kommen.«

«Gut«, sagte ich zufrieden.

Sie sah mir scharf in die Augen, während ein Lächeln auf ihr Gesicht trat.»Wir sollen aufpassen, was wir Ihnen sagen, meinte sie, weil Sie immer auch hinter die Worte schauen würden. Und da hat sie wohl recht.«

«Sie haben mir nur verraten, daß sie wollte, daß ich herkomme, und daß sie mir die nötige Zuneigung zugetraut hat.«

«Ja, aber…«Sie lachte.»So direkt hat sie das wiederum nicht gesagt.«

«Ich verstehe, was Sie meinen.«

Sie nahm mir die Platte voll zarter Blätterteigschiffchen mit rosa Hummerstücken in hellgrüner Mayonnaise aus den Händen.»Sie haben Ihr Soll hier mehr als erfüllt«, lächelte sie.»Gehen Sie nur.«

Sie lieh uns ihren Wagen. Allie fuhr auf der Collins Avenue, der Hauptverkehrsstraße, nach Norden und hielt vor einem Restaurant, das sich >Steigbügel und Sattel< nannte.

«Ich dachte, das wäre so deine Kragenweite«, zog sie mich auf.

Es war gestopft voll. Jeder Tisch in Sichtweite war besetzt, und wie in vielen amerikanischen Restaurants standen die Tische so dicht beieinander, daß nur die dünnsten Kellner sich dazwischen bewegen konnten. Posters von Rennbahnszenen schmückten die Wände, und Sättel und Hufeisen füllten die Lücken.

Dunkles Dekor, lautes Geplauder und für meinen Geschmack zu viel Licht.

Ein etwas gehetzter Oberkellner fing uns an der Tür ab.

«Haben Sie reserviert, Sir?«

Ich wollte schon sagen, leider nein, und kehrtmachen, da bereits Dutzende von Leuten an der Bar warteten, aber Allie kam mir zuvor.

«Ein Tisch für zwei auf den Namen Barbo.«

Er sah auf seiner Liste nach, lächelte, nickte.»Hier entlang, Sir.«

Wunderbarerweise gab es doch noch einen freien Tisch, versteckt in einer Ecke, aber mit guter Aussicht auf das Treiben im Raum. Wir nahmen gemütlich auf dunklen Lehnstühlen Platz und sahen zu, wie der Ober die nächsten Gäste entschieden abwies.

«Wann hast du den Tisch bestellt?«

«Gestern. Gleich nach meiner Ankunft. «Die weißen Zähne schimmerten.»Warren hat es für mich gemacht; ihm gefällt das Lokal. Dabei habe ich auch die Wette abgeschlossen. Er und Minty meinten, das sei verrückt, du würdest doch nicht extra aus England kommen, um mit mir essen zu gehen.«

«Und du meintest, na klar, wie ich den kenne, der ist so verrückt.«

«Na klar.«

Wir aßen Bluepoint-Austern und Barbecue-Rippchen mit Salat. Stimmenlärm und Geklapper umbrandete uns, und die Kellner trugen große, schwer beladene Tabletts umher.

«Gefällt's dir hier?«fragte Allie, die Rippchen angehend.

«Sehr.«

Sie schien erleichtert. Ich behielt für mich, daß ich ruhiges Kerzenlicht noch besser gefunden hätte.»Warren sagt, hier gefällt es allen Pferdemenschen so wie ihm.«

«Wie pferdenärrisch ist Warren?«

«Er besitzt zwei Zweijährige. Die werden von einem Mann in Aiken, North Carolina, trainiert. Er hatte gehofft, sie könnten hier in Hialeah laufen, aber beide haben Knochenchips am Knie, und er weiß nicht, ob sie noch mal was werden.«

«Was sind Knochenchips?«fragte ich.

«Habt ihr das in England nicht?«

«Weiß der Himmel.«

«Warren sicher auch. «Sie widmete sich dem Salat und lächelte auf den Teller.»Warren handelt mit Immobilien, aber sein Herz schlägt da draußen, wo die Hufe die Zielgerade entlangdonnern.«