«Drückt er das so aus?«
Ihr Lächeln wurde breiter.»Na klar.«
«Er sagt, er nimmt uns morgen mit nach Hialeah, wenn du willst.«
«Vielleicht ganz gut, wenn ich mich an Pferde gewöhne.«
Sie sagte das ganz spontan, dann trat sie gewissermaßen einen Schritt zurück und sah sich an, was sie da gesagt hatte.»Ich meine… «
«Ich weiß, was du meinst«, sagte ich lächelnd.
«Das weißt du immer, verdammt.«
Nach den Rippchen gingen wir zum Kaffee über. Sie fragte, ob ich mich von der durchsumpften Nacht schnell wieder erholt hätte und was danach geschehen sei. Ich erzählte ihr von den Klatschspalten und dem Wagen, und sie war zutiefst empört; vor allem, wenn ich es recht verstand, wegen des Wagens.
«Er war doch so schön!«
«Das wird er auch wieder.«
«Ich könnte diesen Jody Leeds umbringen.«
Diesmal war sie sich kaum bewußt, daß sie mir damit sagte, was sie für mich empfand. Das Gefühl einer stetig sich vertiefenden Beziehung erfüllte mich mit Zufriedenheit; außerdem machte es Spaß mit ihr.
Nach drei Tassen Kaffee, die eine halbe Ewigkeit dauerten, zahlte ich, und wir gingen hinaus zum Wagen.
«Ich kann dich an deinem Hotel absetzen«, sagte Allie.»Das ist ganz in der Nähe.«
«Kommt nicht in Frage. Ich will sehen, daß du gut nach Hause kommst.«
Sie grinste.»Hier ist es nicht weiter gefährlich. Die Alligatoren von Florida sind hundert Meilen entfernt in den Everglades.«
«Manche Alligatoren sind Zweibeiner.«
«Also gut. «Sie fuhr langsam nach Süden, und auf dem ganzen Weg spielte ein Lächeln um ihre leicht gekräuselten Lippen. Vor dem Haus ihrer Kusine zog sie die Handbremse und ließ den Motor laufen.
«Am besten fährst du mit dem Wagen hier zurück. Minty hat schon nichts dagegen.«
«Nein, ich gehe zu Fuß.«
«Geht doch nicht. Das sind vier Meilen.«
«Ich sehe mir gern alles genau an. Sehe gern, wie es gemacht ist.«
«Du spinnst wirklich.«
Ich stellte den Motor ab, legte meinen Arm um ihre Schultern und küßte sie wie zu Hause, mehrmals. Sie seufzte tief, anscheinend nicht vor Langeweile.
Am Morgen mietete ich einen Impala und fuhr nach Garden Island. Eine Putzfrau ließ mich ein und bedeutete mir, zum Pool zu gehen, wo Warren und Minty in Badesachen in der Januarsonne standen, die so warm war wie daheim im Juli.
«Hi«, grüßte Minty.»Ich soll Ihnen von Alexandra sagen, daß sie gleich kommt. Sie läßt sich die Haare machen.«
Die Haare sahen dann so elegant und edel aus wie das ganze Mädchen. Ein ärmelloses, schwarz-hellbraunes Baumwollkleid betonte wundervoll ihre Taille und ließ viel Bein sehen. Ich nehme an, die Bewunderung stand deutlich in meinem Gesicht zu lesen, denn ihr Lächeln erstrahlte, sobald sie mich sah.
Wir saßen am Pool und tranken kühlen, frischen Orangensaft, während Warren und Minty sich umzogen. Ich genoß den Tag als ein Zwischenspiel, einen Feiertag, doch anders die Barbos. Warrens Leben, so merkte ich bald, war eine Art fortwährender Sommerurlaub, unterbrochen von kurzen Arbeitsstunden. Scharen aufgeweckter junger Männer verkauften für ihn traumhaft schöne Ruhesitze an sonnenhungrige Senioren, und Warren, der Organisator, ging zum Pferderennen.
Der Hialeah Turf Club war eine Bilderbuchrennbahn, mit Zuckerguß. Auf den Straßen Miamis mochte es Lärm, Rost und sonnenverbrannte Armut geben, doch auf der großen grünen Rennbahn des Vororts hielt sich das üppige Leben und schien zu gedeihen.
Bunte Vögel in Käfigen bezauberten die Besucher entlang des Sattelplatzes, und eine schmucke kleine Eisenbahn kurvte umher. Tonnen von Eiskrem sorgten für verschärfte Gewichtsprobleme, und zerrissene Wettscheine flatterten zu Boden wie Schnee.
Die Rennen selbst waren an diesem Tag mäßig, was mich nicht daran hinderte, meine Wetten zu verlieren. Allie meinte, das geschehe mir recht, Wetten sei genauso eine Unart, wie sich ins Meer zu stürzen.
«Und du siehst ja, wohin es dich gebracht hat«, hob sie hervor.
«Wohin denn?«
«In die Fänge von Ganser Mays.«
«Das ist vorbei.«
«Was kam zuerst«, sagte sie,»Wetten oder das Pferderennen?«
«Das ganze Leben ist ein Glücksspiel. Die schnellste Samenzelle befruchtet das Ei.«
Sie lachte.»Das kannst du den Hühnern erzählen.«
Es war so ein Tag, an dem Unsinn Sinn machte. Minty und Warren trafen immer neue Trinkkumpane und ließen uns viel allein, was mir ganz recht war, und gegen Ende des Rennprogramms saßen wir oben auf der Tribüne und blickten über die Bahn hin, während das Sonnenlicht zu Gelb, Rosa und Rot erstarb. Die Girlanden der Flamingos auf den kleinen Teichen in der Bahnmitte färbten sich von hellem Rosa zu tiefem Rosenrot, und der Himmel spiegelte sich silbern und golden.
«In London schneit es bestimmt«, sagte ich.
Nach Einbruch der Dunkelheit und nachdem wir zu Abend gegessen hatten, fuhr Warren uns zum Versteigerungsring auf der anderen Seite der Rennbahn, wo Scheinwerfer eine Szenerie beleuchteten, die entschieden rustikaler war als die Tribüne. Der Zuckerguß blieb für die Touristen; der Pferdehandel stand mit den Beinen fest auf Gras.
Es gab, verbunden durch unbefestigte kurze Wege mit jeweils gutbesuchten Sektständen, drei Hauptbereiche: den Verkaufsring, den Führring und die langen Stallgebäude mit den Boxen, wo die Ware Heu fraß und sich betasten, beleidigen und ihr Gebiß begutachten lassen mußte.
Warren entschied sich, bei den Stallungen anzufangen, und wir wanderten an den Boxen entlang, während er eifrig seinen Katalog konsultierte. Minty sagte ihm, daß sie sich selbstverständlich nicht noch mehr Pferde kaufen könnten, bevor die Knochenchips aus der Welt seien.»Nein, Schatz«, erwiderte Warren beschwichtigend, aber mit einem Funkeln in den Augen, das für seine Bankguthaben Schlimmes befürchten ließ.
Ich sah mir das Angebot interessiert an. Eine gemischte Schar bereits gelaufener Pferde ab drei Jahren. Warren meinte, die beste Gelegenheit seien die Zweijährigen-Auktionen am Monatsende, und Minty schlug vor, dann solle er doch solange warten und sich die erst mal ansehen.
Die Beleuchtung am Ende des Stalls war schlecht und das Pferd in der letzten Box so dunkel, daß ich schon dachte, es sei gar keins drin.
Dann schimmerte ein Auge, und durch eine Bewegung schien schwach die Rundung einer Kruppe auf.
Ein schwarzes Pferd. Schwarz wie Energise.
Zuerst betrachtete ich es nur, weil es schwarz war, dann sah ich überrascht genauer hin. Es sah Energise wirklich sehr ähnlich. Verblüffend.
Die Ähnlichkeit ließ unvermittelt eine Idee feste Gestalt annehmen, mit der ich schon länger gespielt hatte. Ein Lachen stieg in mir hoch. Das Pferd war ein Geschenk der Götter, und wie kam ich dazu, ihm ins Maul zu schauen…
«Was haben Sie entdeckt?«fragte Warren, der sich gutgelaunt näherte.
«Zu Hause habe ich einen Hürdler, der so aussieht.«
Warren schaute nach dem runden Aufkleber auf der
Hinterhand, einer Zweiundsechzig.
«Auktionsnummer 62«, sagte er, im Katalog blätternd.»Hab ihn schon. Black Fire, fünfjähriger Wallach. Hm. «Er las schnell die Leistungen und die Abstammung nach.»Nicht viel wert und nie gewesen, schätze ich.«
«Schade.«
«Ja. «Er drehte sich um.»Aber da oben steht ein verdammt gut aussehender Fuchshengst… «
«Nein, Warren«, sagte Minty verzweifelt.
Wir machten alle kehrt, um uns den Fuchshengst anzuschauen. Warren verstand vom Pferdekauf nicht mehr als ich, und das erste, was ich auf Seite 1 des Katalogs gelesen hatte, war außerdem der unmißverständliche Hinweis, daß die Versteigerer nicht für die Qualität der Ware bürgten. Mit anderen Worten, wer eine lahme Ente kaufte, war selbst schuld.