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«Mein Gott«, sagte Charlie.

«Ganz recht. Mein Pferd springt ab und übernimmt die Führung wie ein echter Champion, und alles läßt sich bestens an. Nach fünfhundert Metern, auf halber Strecke, bricht dann eine Gurtschnalle, der Sattel löst sich, und der Jockey muß anhalten, so gut es geht, denn er sitzt schon fast unten.«

«Dreitausend!«sagte Charlie.

«Vergeigt«, nickte ich.»Sie sind untröstlich. Der Gurt war neu, die Schnalle fehlerhaft. Macht nichts, sage ich schwer schluckend, aber freundlich. Es kommen auch wieder bessere Tage.«

«Und so ist es?«

«Sie haben es erfaßt. Nächstes Mal ist das Pferd wieder Favorit, und ich setze fünfhundert. Es siegt, und wenn ich diesmal auch nicht alles, was ich verloren habe, zurückgewinne, holt das Pferd doch zum zweiten Mal ein ordentliches Sieggeld heim; das Ganze ist also kein

Verlustgeschäft, und es bringt mir viel Spaß und Aufregung. Nein, ich bin durchaus zufrieden.«

«Es geht also weiter?«

«Jetzt geht's erst richtig los. Ich finde es immer spannender, den Pferden zuzuschauen. Besonders schön finde ich es, wenn es meine Pferde sind, und obwohl mich mein Hobby mit der Zeit natürlich eine ganze Menge kostet — denn die wenigsten Besitzer verdienen dabei —, bin ich doch rundum glücklich und finde mein Geld gut angelegt.«

«Und was passiert?«

«Eigentlich gar nichts«, sagte ich.»Mich beschleicht nur so ein hartnäckiger Verdacht, und ich sperre mich dagegen und denke, wie furchtbar ungerecht so was doch ist nach all den Siegern, die Sie für mich trainiert haben. Aber der Verdacht bleibt. Mir ist einfach aufgefallen, daß meine Pferde dann nicht siegen, wenn ich ganz groß wette.«

«Das könnten viele Besitzer sagen«, meinte Charlie.

«Klar. Aber wenn ich meine verlorenen großen Einsätze zusammenzähle, komme ich auf annähernd vierzigtausend Pfund.«

«Guter Gott.«

«Ich schäme mich zwar für mein Mißtrauen, aber das gibt mir doch zu denken. Ich sage mir, angenommen — nur mal angenommen —, immer wenn ich mehr als tausend setze, tun sich mein Trainer und mein Buchmacher zusammen, kassieren kurzerhand das Geld und sorgen dafür, daß mein Pferd nicht gewinnt? Angenommen, wenn ich dreitausend setze, machen sie halbe-halbe damit, und das Pferd läuft schlecht, bleibt stehen, oder die Gurtschnalle bricht? Ich sage mir, angenommen, danach geht es voll austrainiert in sein sorgsam ausgesuchtes nächstes Rennen und gewinnt, was mich natürlich freut — und diesmal haben mein Buchmacher und mein Trainer selbst auf das Pferd gesetzt, mit dem Geld, das sie mir vorher abgeknöpft haben…«

Charlie sah mich fasziniert an.

«Gewinnt mein Pferd, gewinnen sie. Verliert mein Pferd, verlieren sie nicht ihr Geld, sondern lediglich meines.«

«Raffiniert.«

«Ja. So vergehen Wochen, bis die Flachsaison beendet ist, und jetzt sind die Springer an der Reihe. Sie als mein Trainer haben einen wunderschönen jungen Hürdler, ein echtes Spitzenpferd, für mich entdeckt und gekauft. Ich setze bei seinem Debüt ein paar Pfund auf ihn, und er gewinnt leicht. Ich bin begeistert. Aber ich bin auch besorgt, denn Sie erzählen mir von einem für ihn maßgeschneiderten Rennen in Sandown Park, das er mit Sicherheit gewinnen wird, und Sie raten mir, ganz groß auf ihn zu wetten. Mittlerweile hege ich die schlimmsten Bedenken und Befürchtungen, und gerade weil ich das Pferd so bewundere, möchte ich nicht, daß ihm bei dem Versuch zu siegen, wo es doch verlieren soll, das

Herz gebrochen wird; also sage ich, ich setze nicht auf ihn.«

«Was schlecht ankommt?«

«Ganz schlecht. Sie drängen mich wie noch nie, eine große Wette anzulegen. Ich weigere mich. Sie sind ausgesprochen sauer und versichern mir, daß das Pferd siegen und meine Entscheidung mir noch leid tun wird. Ich sage, ich warte bis zum nächsten Mal. Sie sagen, daß ich einen großen Fehler mache.«

«Wann sage ich das alles?«

«Gestern.«

«Und heute?«fragte Charlie.

«Heute ist mein Mißtrauen stärker denn je. Heute denke ich, Sie lassen das Pferd vielleicht siegen, nur um mir zu zeigen, daß es dumm von mir war, es nicht zu wetten — damit Sie mich beim nächsten Mal dann ohne Mühe zu einer noch größeren Wette überreden können.«

«Hoppla.«

«Ja. Darum sage ich Ihnen heute auch nicht, daß ich — wegen meiner bösen Zweifel — vor einiger Zeit ein Wettkonto am Totalisator eröffnet habe, und ebenso verschweige ich Ihnen, daß ich über das Konto tausend Pfund auf mein Pferd gesetzt habe.«

«Hinterhältig.«

«Aber sicher.«

«Und Ihr Pferd gewinnt«, sagte Charlie kopfnickend.

«Es lief hervorragend…«Ich lächelte schief.»Nach dem Rennen sagen Sie mir, ich sei selbst schuld, daß ich es nicht gesetzt hätte. Sie hätten ja versucht, mich dazu zu bewegen. Nächstes Mal sollte ich doch besser auf Ihren Rat hören.«

«Und dann?«

«Dann«, seufzte ich,»wurde der wochenlange Verdacht schlagartig zur Gewißheit. Ich wußte, daß er mich auch anderweitig betrogen hatte. In Kleinigkeiten. Kleine Verstöße gegen die Freundschaft. Nichts Schwerwiegendes. Ich sagte ihm, es werde kein nächstes Mal geben, denn ich würde ihm meine Pferde wegnehmen.«

«Was meinte er dazu?«

«Er hat nicht gefragt, warum.«

«Herrje«, sagte Charlie.

Kapitel 3

Ich erzählte Charlie alles, was an dem Tag passiert war. Die ganze Belustigung wich aus seinem Gesicht, und am Ende schaute er grimmig drein.»Er wird ungeschoren davonkommen«, sagte er schließlich.

«O ja.«

«Ich nehme an, Sie wissen, daß sein Vater im Jockey-Club sitzt?«

«Ja.«

«Jody Leeds ist über jeden Verdacht erhaben.«

Jodys Vater, Quintus Leeds, hatte den Status einer Stütze des Rennsports dadurch erlangt, daß er als fünfter Sohn eines adligen Turffreundes geboren worden war, ein paar Rennpferde sein eigen nannte und die richtigen Leute kannte. Er war eine imposante Erscheinung, groß, massig und gutaussehend, und seine Stimme und sein Händedruck strahlten ruhiges Selbstvertrauen aus. Er neigte dazu, die Leute mit seinen scharfen grauen Augen durchdringend anzusehen, nachdenklich den Mund zu spitzen und wie zum Schweigen verpflichtet den Kopf zu schütteln, wenn man ihn nach seiner Meinung fragte. Ich persönlich hielt sein Auftreten und seine Manieriertheit für bloße Fassade mit nichts dahinter, aber im Grunde war er zweifellos wohlmeinend und anständig.

Daß er stolz auf Jody war, sah man daran, wie er sich beim Gratulieren in den Absattelringen von Epsom bis York in die Brust warf und übers ganze Gesicht strahlte.

In den Augen seines Vaters konnte Jody, tatkräftig, klug und tüchtig, kein Unrecht tun. Quintus vertraute ihm blind und war bei allem scheinbaren Mangel an Intelligenz durchaus in der Lage, die Meinung der Rennsportgewaltigen zu beeinflussen.

Wie Jody klargestellt hatte, konnte ich ja nichts beweisen. Wenn ich von Betrug auch nur etwas andeutete, würde er mir eine Klage anhängen, und die Mehrheit des Jockey-Clubs wäre auf seiner Seite.

«Was werden Sie tun?«fragte Charlie.

«Weiß nicht. «Ich lächelte ein wenig.»Vermutlich gar nichts.«

«Es ist verdammt unfair.«

«Jedes Verbrechen ist unfair gegenüber dem Opfer.«

Charlie verzog das Gesicht ob der Bosheit dieser Welt und verlangte die Rechnung.

Draußen wandten wir uns nach links und gingen zusammen über den Beauchamp Place, da wir beide zufällig unseren Wagen um die Ecke in der Walton Street geparkt hatten. Es war kalt, bedeckt, trocken und immer noch windig. Charlie schlug den Mantelkragen hoch und zog gefütterte schwarze Lederhandschuhe an.