Er winkte dann die beiden andern zu sich.
»Ausgeflogen ist der Vogel, wollen ihm aber doch ins Nest schauen.«
Er rüttelte derb an der Türe, doch diese widerstand.
»Hm, von innen verschlossen?« Er ging um das Haus herum und versuchte die Läden aufzureißen, vergeblich, sie waren stark befestigt. Die Oeffnung auf der Rückseite war so künstlich in dem Balkenwerk verborgen, daß sie ihm bei seinen Nachforschungen nicht auffiel.
Tyron und der Iltis waren herangekommen und unterstützten die Bemühungen ihres Gefährten, doch jeder Versuch, sich Eingang zu verschaffen, erwies sich als nutzlos.
»Verd- wie hat der Kerl sich verwahrt. Ist so schwer zu öffnen, wie eine eiserne Geldkiste. Wäre nur eine Axt zur Stelle, wollte bald ein Loch gemacht haben.«
Mißmutig standen die drei Gesellen und schauten die Balkenwände an. »Muß ein Fuchs sein, der Alte, und hat sicher etwas zu verschließen, sonst hätte er nicht alles so befestigt. - Hm. Wollen's mit ein wenig Feuer versuchen, Boys - he?«
»Wird lange dauern, bis diese Klötze brennen,« sagte Tyron, »ist ein Jammer, ist sicher eine Büchse drinnen.«
Ein leichter Schritt machte sie aufhorchen, alle drei fuhren bei dem Laut zusammen und wandten den Kopf. [181]
Wenige Schritte von ihnen stand, auf seine Büchse gelehnt, ein hochgewachsener Indianer. Wortlos starrten ihn die Männer an.
Die dunklen Augen des Mannes überflogen die Gruppe, er grüßte dann mit der Hand und sagte in verständlichem Englisch: »Ich suche die rote Hand.«
»Mich suchst du, Ottawa? Und was verschafft mir die Ehre?«
»Der stammlose Häuptling sendet mich dir nach.«
»Wer ist das? Du bist doch ein Ottawa?«
»Onugsa ist kein Ottawa mehr, er ist stammlos wie sein Häuptling, er hat das Ottawavolk vergessen.« »Stammlos? Stammloser Häuptling? Was ist das?« Die Männer sahen sich erstaunt an.
»Wen meinst du denn mit dem stammlosen Häuptling?«
»Ihn früher nennen Peschewa, die wilde Katze, früher großer Häuptling der Ottawas, jetzt kein Volk mehr, fechten allein.«
»Fechten? Will Peschewa fechten? Wann? Mit wem?«
»Er dir sagen.«
»Und Peschewa sendet dich mir nach?«
»So er tun.«
»Er ist doch noch der gute alte liebe Freund, den ich so sehr schätze. Und fechten will er? Desto besser, mit wem, ist mir gleichgültig, ich bin sein Mann.«
»Warum ist denn Peschewa jetzt ein stammloser Häuptling?«
»Er alles sagen. Rothand mitkommen.«
»Wo ist denn Peschewa?«
»Er ist in den Wäldern,« entgegnete der vorsichtige Indianer.
»Und hat Krieger um sich?«
»Viel Krieger. Kommen noch mehr.«
»Boys, das gibt eine Frolic. Ich konnte es ja auch gar nicht begreifen, daß mein alter werter Freund Peschewa die Streitaxt ausgraben sollte und mich den Tanz nicht mitmachen lassen wollte. Aber sieh mich an, Ottawa, die Spitzbuben im Fort haben mir und Tyron hier die Büchsen genommen, Decken, alles -«
»Wieder holen,« entgegnete kurz der Indianer.
»Bin ganz dafür. Was meint ihr, Fellows, sollen wir der Einladung Peschewas folgen?«
»Selbstverständlich,« sagte Tyron, »werden ja schon hören, was es gibt.«
»Wenn wir nur Büchsen hätten. Habt ihr Waffen, Indianer?«
»Peschewa Büchsen. Warum nicht nehmen Büchse von totem Mann?« [182]
»Meinst du den, der hier wohnt, so viel ich weiß, nennt ihr den Alten so.«
»Nicht ihn,« sagte der Indianer und warf einen scheuen Blick auf die Hütte, »er großer Medizinmann, meinen toten Mann im Walde.«
»Liegt hier einer erschlagen?«
»Er tot, Büchse neben ihm. Warum nicht nehmen?«
»Ja, das sehe ich auch nicht ein. Wo liegt denn der tote Mann, ist es weit?«
»Nicht weit.«
»Nun, so führe uns hin, eine Büchse ist in unserm Zustande nicht zu verachten.«
»Kommen,« sagte der Ottawa, und schritt voran, über den Bach hinweg.
Die drei folgten ihm.
»Ist das beste, was wir tun können, Männer, uns dem Peschewa anzuschließen, meint ihr nicht? Wo Holz gehauen wird, fallen Späne ab, wollen schon zusehen, daß wir genügend davon erlangen. Bin doch neugierig, zu erfahren, was mit dem Peschewa geschehen ist, und was er vor hat.«
Der Indianer führte sie auf geradestem Wege zu der Stelle, wo die Leiche lag, welche unsre Freunde bereits entdeckt hatten.
Sie warfen die Aeste, welche sie bedeckten, zur Seite und starrten mit schreckhaftem Erstaunen in die Züge Burtons.
Morris warf dem Iltis einen merkwürdig fragenden Blick zu, doch dieser bemerkte ihn nicht.
»Burton!« rief er, »segne meine Seele, wie konnte das kommen?«
»Bei Jingo,« sagte Tyron, »ist wie ein Hund von hinten zusammengeschossen worden.«
»Und beraubt,« setzte Morris hinzu, mit einem zweiten Blick auf Iltis. »Hatte er denn Geld bei sich?« fragte er diesen.
»Wenig mehr als ich, hatten zusammen keine vierzig Dollar im Vermögen.«
»Sind die Taschen rein ausgefegt, muß einer getan haben, der's versteht.«
»Wundre mich, daß Burton sich seinen Mörder so nahe kommen ließ. War vorsichtig, der Mann.«
»Hilft kein Klagen, Morris, ist tot wie ein Türnagel. Schade, hätten ihn brauchen können. Ein Glück, daß er uns die Büchse als Erbteil hinterlassen hat.« [183]
Da es in diesen Tagen nicht geregnet hatte, fanden sich die Büchse, Pulverhorn, Kugelbeutel in gutem Zustande vor.
Morris bemächtigte sich derselben und gab seine Soldatenflinte an Tyron.
»Wunderbar,« sagte der Iltis, »als ich ihn am White-River verließ, trug er andre Kleider. Das ist übrigens auch seine Büchse nicht.« Er nahm Morris die Waffe aus der Hand und betrachtete sie. »Ist ganz sicher seine Büchse nicht.«
»Willst am Ende behaupten, das wäre auch Burton nicht?«
»Das ist er sicher genug. Aber wie kommt er zu diesem Rock und dieser Waffe? Und wer kann ihn erschlagen haben?«
»Hat einer von euch den Mann niedergeschossen, Ottawa?« fragte Morris.
»Nicht Ottawa, weißer Mann ihm schießen, sehen Spur.«
Von dieser war nun freilich jetzt nichts mehr zu erblicken.
»Weißer Mann?« Und wiederum streifte ein Blick von Morris den Iltis.
»Am Ende der Alte in dem Shanty dort,« meinte Tyron.
»Nicht toter Mann; finden Spur, nicht seine Spur. Andrer weißer Mann schießen tot, nehmen Geld, gehen in Bach dorthin.« Und er wies stromauf.
»Da muß sich also noch ein Weißer hier herumtreiben.«
»Na,« sagte Tyron, »nützt alles Philosophieren nichts, tot ist tot. Decken wir ihn zu und lassen ihn ruhen. Kann ihm nichts mehr nützen. Hat ein gutes Ende gehabt, war tot, ehe er es wußte.«
»Möchte doch ein Wörtchen mit dem sprechen, der ihn so hinterrücks niedergeschossen hat,« murmelte Morris. »War ein guter Kamerad, der Burton. Schade um ihn.«
Sie deckten die Aeste wieder über den Leichnam.
»Nun führe uns zu Peschewa, Ottawa.«
Darauf schritt der Indianer voran, und rasch und schweigend folgten ihm die drei Banditen.
Elftes Kapitel.
Die Stammlosen.
Ein sonniger, lachender Morgen stieg über Fort Jackson herauf. Vom unbewölkten Himmel fielen goldig des leuchtenden Tagesgestirns Strahlen hernieder und spiegelten sich glitzernd in den stillen Fluten des Chippeway-Sees, der einsam zwischen den schattigen Wäldern lag, einer köstlichen Perle gleichend, deren Schönheit durch dunkle Einfassung gehoben wird.
Kein Ton klang von den Wäldern herüber, es war so still und feierlich, wie an einem Sonntagmorgen, den die Natur mitfeiert.
Weitausgedehnt lag der glänzende See da, dessen östliches Ufer noch in Schatten gehüllt war, während sein westliches im jungen Frührot schimmerte.