Zwei Soldaten hatten sich noch zu Wood gesellt und hielten die Gewehre mit den aufgepflanzten Bajonetts vor sich. Da erklangen zum erstenmal Schüsse und alle drei, der Sergeant und seine Begleiter, stürzten getroffen nieder. Peschewa hatte bei der Schwierigkeit, welche das Laden machte, befohlen, nur im Notfall zu schießen und vorerst nur Axt und Messer zu brauchen, ein Befehl, welcher bei der durch die so schreckliche Ueberraschung hervorgerufenen Betäubung der friedlichen Garnison wirksam genug ausgeführt werden konnte. Zu allem Unglück hatten die Soldaten mit Ausnahme der [202]
Wachtposten keine Patronen. Die in die Kaserne gelangten Leute rissen die Gewehre von den Wänden, pflanzten die Bajonette auf und stellten sich zum Kampfe. Die beiden Schildwachen, anfänglich wie alle starr vor Schreck, bedienten sich jetzt als tapfere Soldaten ihrer Gewehre und feuerten sie in den Haufen der heulenden Wilden ab, nicht ohne Erfolg, wie ein und der andre Schmerzensschrei bewies. Doch alsbald fielen sie unter den Kugeln der Indianer.
Als Wood getroffen niedersank, öffnete sich die Tür seines Häuschens und seine unerschrockene Frau trat heraus, faßte den starken Mann unter den Armen und zog ihn, während Kugeln sie umpfiffen, welche in die Balken eindrangen, hinein, warf die schwere Tür hinter ihm zu und verrammelte diese, wie die kleinen Fenster eilig mit Möbelstücken.
Der innere Raum des Forts zeigte nur Tote und Sterbende, und die vor Mord- und Siegeslust trunkenen Wilden.
Ein geringer Widerstand fand noch an der Kaserne statt, an deren Fenstern blitzte dann und wann ein Bajonett auf, welches von kräftigen Händen geführt ward, aber den gewandten Wilden gegenüber nur wenig Schaden anrichtete.
Peschewa, welcher wie ein Tiger unter den Wehrlosen gerast hatte, befahl jetzt, da es augenscheinlich war, daß die Eingeschlossenen kein Pulver für ihre Gewehre hatten, die Türen des Gebäudes einzuschlagen. Aexte standen in der Nähe und gleich darauf donnerten die Hiebe gegen die schweren Planken, während ununterbrochen durch die Fenster, wo sich nur eine Oeffnung zeigte, hineingefeuert wurde. Nach wenigen Minuten brachen die Türen ein, mordgierig stürzten die Indianer hinein, und fielen gleich einige unter den Bajonettstichen der zur Verzweiflung getriebenen Soldaten, eine Minute nachher war der Kampf beendet, die Besatzung des Forts Jackson war vernichtet, nichts atmete mehr, was von diesem Tage des Schreckens erzählen konnte.
Ein Ruf Peschewas versammelte die blutige Mörderschar, an deren Gürteln die Skalpe der unglückseligen Opfer indianischer Rachsucht hingen.
Als sie schweigend um ihn standen, trat er auf den Pfosten zu, an welchem er vor wenig Wochen gebunden gestanden hatte, und hieb tief seine Axt hinein: »Seht alle, ihr Krieger des stammlosen Häuptlings, hier stand Peschewa, das Haupt der
Ottawas, und empfing die Streiche des weißen Häuptlings. Nie schlägt man einen roten Mann ungestraft - Peschewa ist gerächt,« er zeigte mit wilder Gebärde auf die Toten ringsum, »das Blut der Weißen wäscht das Blut ab, das
[203] unter der Peitsche von seinem Rücken floß. Es ist gut, ich danke meinen Freunden.«
Die Indianer zerstreuten sich nun, um mit wilder Gier die Zimmer und Magazine zu plündern, einige holten brennende Scheite und Holz aus der Küche, um inmitten des Platzes ein großes Feuer zu entzünden.
Doch selbst in seiner wilden Siegeslust vergaß Peschewa nicht der Vorsicht, und sandte zwei junge Leute auf die Wälle als Späher. Dann ließ er sich an dem Tisch nieder, den unlängst Tavis verlassen, und schaute mit einem Ausdruck wilden Triumphes und befriedigter Rache in das wirre Treiben seiner Leute. In der kleinen Behausung der Sergeanten war es ganz still. Einer der Bewohner war mit Sounders ausmarschiert, die andern lagen draußen tot. Wood ruhte besinnungslos auf seinem Bett, wohin die mutige Frau den schweren Mann mit großer Anstrengung gebracht hatte. Sie hatte ihm die Wunden verbunden, eine am Kopf, eine an der Seite. Der Sergeant atmete schwer, aber da kein Blut über seine Lippen kam, wußte die erfahrene Frau, daß die Lunge nicht getroffen war. Sie saß blaß, aber gefaßt vor ihrem Gatten und lauschte auf seine Atemzüge. Mistreß Wood war die einzige Frau im ganzen Fort, keiner der andern Sergeanten oder der Offiziere war verheiratet. Der wilde Lärm draußen rauschte, während sie vor dem todwunden Gatten saß, an ihren Ohren vorbei, sie saß still ergeben, die Hände gefaltet, da.
Draußen entwickelte sich ein wildes Bacchanale. Gewehre, Montierungsstücke, Fäßchen mit Pulver oder Rum gefüllt, Weinflaschen, die Kleider und das Mobiliar der Offiziere, Betten wurden herausgeschleppt oder zu den Fenstern hinausgeworfen und jeder wählte sich nach Belieben Beutestücke aus. Die Speisekammer ward gleichzeitig geleert und bald saß die ganze Bande um lodernde Feuer, stürzte Rum und Wein hinunter und verschlang mit Gier den vorgefundenen Vorrat an Fleisch und Brot. Nur Peschewa hielt sich schweigend und genoß wenig. Die Indianer hatten nur fünf Tote und sechs leicht Verwundete. Die letzteren waren bereits verbunden, während man die Toten in der Nähe des Tores in sitzender Stellung an den Wall gelehnt hatte.
Wild schmatzten und schrieen die Wilden durcheinander, von denen sich einige in grotesker Weise mit Uniformstücken oder den Zivilkleidern der Offiziere, mit Tisch-und Bettdecke geziert oder bunte Taschentücher um die Köpfe gewickelt hatten.
Fast schien es, als ob man des Sergeanten und seiner Frau vergessen habe, doch nein, an einem der Feuer erhob sich ein
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Indianer, winkte noch zwei andern, alle drei ergriffen Aexte und begaben sich nach dem Häuschen, in welchem die Sergeanten wohnten,
»Oeffne!« rief einer in englischer Sprache, »Squaw kann herauskommen, roter Mann nichts tun.«
Die Sergeantin hörte das wohl, verstand es auch, aber sie saß wie bisher still mit gefalteten Händen, in tiefem Schmerze, doch auch mit gottergebener Ruhe neben ihrem Gatten und achtete es nicht.
Dann donnerten Aexte an die Tür, aber diese war sehr stark, war mit Eisen beschlagen und widerstand den Hieben. Plötzlich wurden diese eingestellt und es ward still.
Draußen war alles aufgesprungen und lauschte, von fernher ließ sich Gewehrfeuer hören.
Die indianischen Späher, welche vom frühesten Morgen an das Fort umlagerten, hatten wohl gesehen, wie Leutnant Sounders mit seiner Mannschaft auszog. Ehe dies aber dem auf dem See befindlichen Peschewa mitgeteilt, seine Befehle eingeholt, wieder ans Land getragen und dann ausgeführt werden konnten, verging um so mehr Zeit, als die Indianer die größte Vorsicht beobachten mußten, denn die Wirkung des Fernrohrs war Peschewa sehr wohl bekannt und er nahm als sicher an, daß sie durch ein solches beobachtet würden. Er hatte dann an Amata den Befehl gelangen lassen, den Ausgezogenen mit zwanzig Kriegern zu folgen, sie zu überfallen und niederzumachen, doch jedenfalls in solcher Entfernung vom Fort, daß der Büchsenknall dort nicht mehr zu hören sei.
Amata hatte sich auch alsbald auf die Verfolgung begeben, mußte aber einen weiten Umweg ums Fort nehmen.
Leutnant Sounders war ruhig seinen Weg gezogen, hatte nach einigen Stunden Rast gemacht und war auf seinem Weitermarsche in die Nähe des Sees gelangt. Mit Erstaunen hatte er auf diesem Boote mit Indianern bemerkt. Er kannte als fleißiger Jäger die Gestaltung des Sees recht gut und gewahrte, daß die Kanoes da, wo sie, wie er wußte, vom Fort aus gesehen werden konnten, nur zwei Männer aufwiesen, von denen der eine ruderte und der andre fischte, daß sie aber von Zeit zu Zeit hinter die Landzungen steuerten, wo sie dann nicht vom Fort aus erblickt werden konnten, und hier sich dann noch zwei andre vom Boden erhoben, welche die Plätze mit Fischer und Ruderer tauschten, während sich diese sorgfältig im Boote verbargen und erst dann wieder in dem vom Fort aus sichtbaren Teile des Sees erschienen.