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»Die alte Frau ist müde vom langen Wege?« fragte er in der Sprache seines Volkes.

»Der Weg ist bald zu Ende, wir sind am Fort, noch ehe die Sonne sinkt.«

»Die Ottawas haben den Kriegspfad betreten.«

»Sumach sah es.«

»Die Kugel macht keinen Unterschied zwischen einer Squaw und einem Krieger.«

»Wird Athoree fechten?«

»Athoree gehört zu Gutherz, er hat den letzten Sprossen Meschepesches vor Schmach bewahrt. Nicht gern wird Sumachs Sohn gegen die Ottawas kämpfen, sie sind nicht seine Feinde, aber greifen sie uns an, muß Athoree Gutherz schützen und fechten.«

»Gut.«

»Was wird Sumach tun?«

»Sumach wird, wenn Athoree das Zeichen gibt, im Grase liegen gleich der Schlange und lauschen.«

»Gut. Sumach ist die Frau und Mutter von Wyandotkriegern, Sumach ist klug. Athoree wird für sie fechten und mit ihr sterben.«

»Nicht sterben,« sagte die Alte eifrig, »Athoree wird fliehen, wenn die Ottawa kommen, sie werden Sumach kein Leid zufügen, die Ottawa kennen Sumach.«

»Athoree wird bei der Mutter bleiben.«

»Hört der Häuptling der Wyandots noch auf seiner Mutter Stimme?«

»Er tut es. Athoree glaubte Sumach beim großen Geiste, er [219] vernahm ihre Stimme in dem Rauschen der Zweige und hörte auf sie. Athoree wird tun, was Sumach sagt.«

»So wird der Wyandothäuptling, der Enkel Meschepesches, seinen Skalp retten, der darf nicht trocknen im Wigwam eines hündischen Ottawa. Kann Athoree nicht sitzen am Ratsfeuer seines Volkes, soll er doch als Häuptling eingehen in die glücklichen Jagdgründe. Sumach sagt es, sie ist sicher vor dem Tomahawk der Krieger.«

Die alte Frau sprach leise, aber mit nachdrücklichem, feierlichem Ernste, und der Indianer neigte gehorsam, fast demütig das Haupt.

Nach dieser kurzen Unterredung begab er sich wieder an die Spitze des Zuges, der schweigend wie bisher im Schatten des Waldes seinen Weg fortsetzte.

Die Sonne sank, und während ihre letzten Strahlen noch die Wipfel der Bäume vergoldeten, herrschte tief unten bereits Nacht.

Endlich gewahrte das scharfe Auge des Indianers, daß es nach vorn hin lichter wurde.

»Alle niederlegen,« flüsterte er Johnson zu, »Athoree allein gehen, sehen nach Ottawas.«

Dieser nickte und teilte den andern AthoreesAbsicht mit, und auf seinen Wink ließen sich alle nieder und waren im Waldesdunkel nicht von Baum und Buschwerk zu unterscheiden.

Gleich einer Schlange wand sich der Sohn Sumachs schnell und geräuschlos durch die Büsche und kauerte sich am Rande des Waldes nieder. Draußen war es noch hell genug, Fort und See überschauen zu können.

In tiefster Ruhe lag das schöne Gewässer vor ihm, still und friedlich das kleine Fort an seinem Ufer.

Aber des Indianers Herz blieb unberührt von der feierlichen Schönheit eines solchen Abends; sein Adlerauge überflog den See und die Waldesränder und haftete dann lange an dem Fort, welches so schweigend vor ihm lag, als habe niemals Leben in ihm geherrscht.

Kein Laut klang von da herüber, kein Rauch stieg über die Pallisaden empor, still -alles - still.

Der Indianer wußte so viel, daß strenge Disziplin in den Garnisonen der Weißen herrsche, welche Lärm irgend welcher Art nicht gestattete, doch diese Lautlosigkeit war ihm verdächtig.

Noch einmal flog sein Blick über das Fort und den Waldsaum hin - dort an den Büschen glaubte er eine Bewegung zu bemerken, nein, es war nur der Wind, der die Zweige bewegte.

Rasch schritt er zurück zu den harrenden Freunden. [220]

»Nun, Athoree?«

»Nichts sehen. Alles still, zu still. Fort zu viel Schweigen.«

»Was heißt das?« fragte Johnson.

»Alles Schweigen, nichts hören von Langmesser, kein Rauch. Kommen sehen.«

Er ging voran und lautlos folgten ihm alle. Selbst das Maultier mußte eine Ahnung von Gefahr haben, denn es zog wiederholt in auffälliger Weise die vom Fort herkommende Luft ein und zitterte.

Bald standen der Indianer, Johnson und die beiden Deutschen am Waldesrande und sahen See und Fort vor sich.

»Das ist seltsam,« sagte Johnson, »sollte die Garnison ausgerückt sein?«

Die Nacht sank mehr und mehr hernieder. Graf Edgar hatte ein kleines aber scharfes Glas genommen und überflog das Fort.

»Da ist Küchenrauch,« sagte er endlich.

»Wo?« Und Johnson nahm das Glas.

Auch er bemerkte eine dünne Rauchsäule, die gen Himmel stieg, aber auf dem dunklen Waldhintergrunde bei dieser Beleuchtung selbst von des Indianers Auge nicht wahrgenommen werden konnte.

Dieser erbat sich das Glas, dessen Gebrauch ihm nicht unbekannt war, und sah lange hindurch, er gewahrte jetzt auch den senkrecht ansteigenden Herdrauch. Er gab es zurück und fragte Johnson: »Wo die Tür zu Fort?«

»Gerade vor uns, wir können sie nicht direkt sehen, sie ist gedeckt von einer Palli-sadenreihe.«

»Nun dunkel genug, denken, gehen rasch nach Fort.«

Er rief seine Mutter zu sich, spannte den Hahn seiner Büchse, worin ihm die Männer folgten, und trat aus dem Walde hinaus. Hinter ihm folgte Johnson, dann Edgar und Heinrich, und mit seinem Maultier Michael.

Bis zum Fort hatten sie etwa zweihundert Schritt zurückzulegen.

Der dritte Teil dieser kleinen Entfernung lag hinter ihnen, als das Maultier stehen blieb und ängstlich nach rechts hin schnoberte. Der Mann aus Leitrim unterdrückte mit Mühe einen Fluch.

Gleichzeitig lösten sich vom Walde, auf der Seite, von welcher dem Tier die Witterung herkam, wohl ein Dutzend Gestalten ab, welche, schattenhaft nur wahrnehmbar, eilig herbeihuschten.

»Der Wilde!« schrie Johnson bei diesem Anblick mit mächtiger Stimme. - »Vorwärts! Lauft ums Leben!«

Von rechts her krachte ein Schuß, dem zwei andre folgten. [221]

Blitzschnell hatten die beiden preußischen Soldaten bei diesem Klang die Büchsen an die Wangen gerissen und donnernd entluden sich die Gewehre.

Mit gleicher Schnelligkeit folgten die Schüsse von Johnson und Athoree.

Zwei Schmerzensschreie ertönten, denen ein wildes Geheul folgte.

»Was ist das? Heiliger Michael!« schrie der Irländer, »die Halunken haben mir das Maultier erschossen.« Es war in der Tat niedergefallen und wälzte sich in Schmerzen am Boden.

Bei dem raschen Feuer der so unerwartet Angegriffenen waren die eben noch heranspringenden Gestalten plötzlich verschwunden.

»Zum Fort!« schrie Johnson von neuem, »sie kommen im Grase heran,« faßte die alte Sumach, nahm sie, wie er einen Säugling gehoben hätte, auf einen Arm und lief nach dem Eingang zu. Zu seiner Seite Athoree, welcher im Laufen zu laden versuchte.

»Michael, hierher, rasch, es geht ums Leben!« rief der Graf.

»Ja, ja, Ew. Gnaden,« schallte es zurück, »ich komme. Die Kanaillen haben das Tier zusammengeschossen,« und Michael rannte mit großer Eile vorwärts.

Heinrich hatte bereits wieder eine Patrone im Laufe und lief jetzt ebenfalls nach dem Fort hin.

Da tauchten vor ihnen und zu ihrer Rechten von neuem die unbekannten Angreifer auf, stürzten mit wildem Geschrei auf sie ein und suchten ihnen den Weg abzuschneiden.

Alsbald krachte Heinrichs Büchse. Ein Todesschrei, der mitten aus dem wilden Angriffsgeheul herausklang, war das Echo.

Johnson war den Pallisaden, welche das Tor verdeckten, am nächsten, er stieß einem Indianer, welcher mit geschwungenem Tomahawk auf ihn losstürzte, den Büchsenkolben vor die Brust, so daß dieser sofort am Boden lag, und sprang dahinter, dem zweiten fuhr Athorees Axt in die Schulter, Heinrich hieb mit dem Kolben darein, der Mann aus Leitrim aber ließ ein gellendes Juchzen hören, wie es bei den Kirchweihfesten der Irländer vernommen wird, wenn der Jubel am wildesten tobt, und sein Shillalah traf mit unvergleichlicher Schnelligkeit zwei heulende Wilde, die wie vom Blitze getroffen mit zerschmetterten Schädeln zu Boden sanken, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben.