Die Angreifer standen bei diesem Anblick still. Im selben Augenblicke brach Johnson, welcher Sumach abgesetzt hatte, wieder hervor. Michael aber, in dem der gäli-sche Kampfeszorn erwacht war, wiederholte [222] seinen Jubelschrei und stürzte, den Stock schwingend, auf die Angreifer los.
Uebel hätte ihm dies bekommen können, doch jene hatten ihre Büchsen entladen und sprangen, entsetzt von den vernichtenden Streichen des Mannes, in wildester Flucht davon.
Ihnen nach krachte von neuem Heinrichs Hinterlader.
»Zurück, Michael, zurück!« rief der Graf und gehorsam wandte sich der tapfere Ire um.
Johnson und Athoree waren vorgestürmt, um Michael Hilfe zu leisten, als in wildem Sprunge ein Indianer an ihnen vorübersetzte, der sich in des Irländers Rücken zu weit vorgewagt hatte.
Johnson führte einen Stoß mit der langen Büchse nach ihm, unter dessen gewaltiger Wucht der Mann, in die Seite getroffen, zusammenbrach.
Mit einem Satze war Johnson, der ebensoviel Gewandtheit als Kraft zu besitzen schien, bei ihm. Die eiserne Hand faßte das Genick des Liegenden, und als ob er ein junger Hund wäre, den er im Nacken gefaßt hatte, hob er den stöhnenden Mann empor, reichte dem neben ihm stehenden Athoree die Büchse, faßte die Arme seines Opfers auf dessen Rücken zusammen, warf ihn über die Schulter und sprang nach den Pallisaden zurück, wo Michael eben anlangte.
»Das waren Hiebe aus Leitrim, Ew. Gnaden!« rief der erregte Mann.
»Hinein! Hinein!« rief Johnson.
Sumach war bereits im Fort, dessen Pforte offengestanden hatte, der Graf Edgar folgte mit Michael.
Von neuem erhob sich draußen Geheul, Johnson sprang durch die Türe ins Innere und warf seine Last zu Boden - Athoree ihm nach - Johnson schlug die schwere Türe zu und schob den Riegel vor.
Ein wütender Anprall draußen, dann herrschte Totenstille.
»Laden!« rief Johnson. Es geschah.
Schon sprang Heinrich zum Wall empor, legte sein Gewehr in eine der Schießscharten und feuerte auf schattenhafte Gestalten, welche höllischen Dämonen gleich draußen herumsprangen.
Nachdem Athoree geladen, fesselte er rasch mit Hirschriemen, wie sie jeder Jäger in den Wäldern und besonders jeder Indianer bei sich trägt, den Gefangenen, welcher übrigens bewußtlos dalag, indem er ihm die Arme fest an den Körper band.
Ein Augenblick der Abspannung trat nach der furchtbaren [223]
Erregung, welche der so unerwartete heimtückische Ueberfall hervorgerufen hatte, ein, und auch draußen herrschte nach Heinrichs Schusse tiefes Schweigen. Die wilden Angreifer waren verschwunden.
»Was war das, Johnson?« fragte Graf Edgar leise.
»Blutgierige Wilde, Herr,« entgegnete dieser mit seiner gewöhnlichen sanften Ruhe. »Sie sind zum Morden ausgezogen; Gott sei jeder Menschenseele gnädig, welche in ihre Hände fällt.«
»Aber was ist hier geschehen? Die Türe offen und das Schweigen des Todes über dieser Stätte?«
Ringsum lagen die Leichen der Soldaten zerstreut, aber die tiefe Dunkelheit, verstärkt durch aufgezogene Wolken, verbarg den schaudervollen Anblick und hüllte die Toten in den Schleier der Nacht.
Heinrich kam vom Wall zurück und stolperte über einen in seinem Weg liegenden Gegenstand, er bückte sich, um nach dem Hindernisse in seinem Weg zu sehen, und fuhr zurück, als er zwei Soldatenleichen vor sich sah.
»Hier liegen Tote, Herr Graf.«
Edgar und Johnson traten näher.
»Was ist hier geschehen?« fragte der Graf, von dem Anblick erschüttert.
»Das Fort ist überfallen, ich fürchte, wir werden noch mehr zu sehen bekommen.«
»Sind wir hier vor einem Uebelfall gesichert, Johnson?«
Dieser, der durch seine öfteren Besuche das Fort gut kannte, entgegnete: »Es befindet sich noch eine Pforte am See.« Und rasch schritt er dorthin, der Graf und Heinrich folgten ihm. Sie fanden schon Athoree dort, welcher rasch und vorsichtig den Wall umschritten hatte.
»Tür offen, kommen Ottawas hier herein.«
Trotz des schwachen Lichtes nahmen sie doch die Leichen wahr, welche in wilder Zerstreuung dort übereinander lagen. Auf dem Wasser sahen sie die Boote des Forts und die Kanoes der Indianer schimmern.
»Kommen im Kanoe,« sagte der Indianer, auf die dunklen Punkte im Wasser deutend.
»Wir müssen die Bucht und die Türe verschließen.« Und Johnson begab sich auf der schmalen von Pallisaden eingefaßten Plattform nach dem See zu. Hier war, und Johnson wußte das, ein Verschluß angebracht, welcher den kleinen Hafen von dem See trennte. Dieser Verschluß bestand in einem schwimmenden dicken Balken, dessen obere Seite mit starken und hohen Eisenstacheln versehen war. Als am Morgen dem Kanoe zu landen gestattet wurde, war er geöffnet [224] worden und seitdem nicht wieder verschlossen. Johnson gelang es trotz der Dunkelheit, den Balken in die Lage zu bringen, wo er den Hafen und die darin liegenden Boote sicherte. Er fügte ihn in die dafür bestimmten eisernen Krampen, und da an diesen noch das Schloß hing, bediente er sich desselben, den Balken vollständig fest zu legen.
Während dies geschah, hatte sich Athoree vorn auf die Plattform gekauert und die Mündung seiner Büchse, welche er wieder geladen hatte, auf das Wasser gerichtet.
Vor der Tür standen Edgar und Heinrich.
Ein leises, kaum vernehmbares Geräusch, ein Plätschern kam vom Wasser her. Ein roter Feuerstrahl brach aus Athorees Büchse, beleuchtete für einen Augenblick die grausige Scene und die Ufer hallten den Donner seines Schusses wider. Ein Gurgeln im Wasser, dann das Geräusch, welches entsteht, wenn kräftige Arme das Wasser schwimmend teilen.
Kaltblütig erhob sich Athoree: »Er wollen Kanoe holen. Nicht kriegen, er nicht wieder kommen.«
»Gehen wir zurück, die Boote liegen jetzt sicher, wenn wir die Tür befestigen, können wir ruhig den Morgen erwarten.«
»Sind die Wälle und Pallisaden nicht zu ersteigen?«
»Ohne lange Leitern nicht, Sir, solche haben die Wilden nicht, und außerdem greifen sie in der Nacht sehr selten an, die Morgendämmerung ist die gefährliche Zeit.«
Sie traten in das Innere des Forts und Johnson verschloß sorgfältig die Tür. »Ich glaube, wir dürfen uns hier hinreichend geschützt halten. Zu nehmen ist das Fort kaum, wenn es auch nur von wenigen Leuten verteidigt wird. Die Wilden haben es, Gott mag wissen durch welche List, am hellen Tage überrumpelt.«
»Ich möchte etwas Licht machen, Johnson.«
»Tun Sie das ruhig, wir sind hier keiner Kugel ausgesetzt.«
Der Graf nahm sein Feuerzeug aus der Tasche und zündete einen kleinen Wachsstock an.
Grausig war der Anblick, der sich ihnen im kleinen Umkreis bei dem Lichte der Kerze darbot. Fünf, sechs Tote lagen um sie her und deutlich war die gräßliche Verstümmelung der Köpfe zu bemerken.
»Das ist furchtbar,« sagte der Graf, und auch Heinrich, der wie sein Herr an den Anblick gefallener Soldaten gewöhnt war, schauderte vor diesem Anblick leicht zusammen.
Sumach hatte sich ruhig niedergesetzt und sah mit gleichgültigen Blicken vor sich hin. Nicht so Michael, der, als er die skalpierten Leichen erblickte, einen Schrei des Entsetzens ausstieß: »O, blutige Schurken! Das ist ja gräßlich, Euer Gnaden.«
»Ja, das ist es,« sagte traurig der Graf.
»Zwei habe ich heimgeschickt,« murmelte ingrimmig der Ire und faßte seinen Stock fester, »sie sollen nur kommen, ich will das bißchen Kopfhaut schon verteidigen.«
Der Graf leuchtete weiter umher, überall stieß das Auge auf gefallene Krieger.
Er blies das Licht aus. »Der Anblick ist nicht zu ertragen.«
»Erbarmungslose Tiger haben hier gehaust. Was sage ich? Die Tiere des Waldes sind milde gegen diese mitleidslosen Hunde, wenn ihre Leidenschaften entfacht sind. Der Engel der Barmherzigkeit muß sein Angesicht verhüllt haben. Das ist ein trauriger Ort, Herr.«