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Johnson richtete dann die Frage an ihn: »Warum haben die Ottawas die Streitaxt ausgegraben? Der junge Krieger möge mir das sagen!«

Der Wilde starrte ihn nun an, ohne indes zu antworten.

»Will der Ottawa meine Frage nicht beantworten? Vielleicht spricht er nicht die Sprache der Inglis?«

Er wiederholte seine Frage im Dialekte der Ottawas, von dem er einige Worte sprach, aber des jungen Gefangenen Augen wanderten nur von einem der Anwesenden zum andern, hafteten am längsten auf Athoree und richteten sich dann unter demselben trotzigen Schweigen wieder auf Johnson.

»Es ist vergeblich, ihn zu verhören,« sagte dieser, »wenn ein Indianer nicht sprechen will, bringt ihn keine Macht der Erde dazu. Wir müssen den Burschen verwahren, vielleicht daß er morgen gefügiger ist.« Man nahm ihm Messer und Tomahawk, die er noch am Gürtel trug, die Büchse hatte er fallen lassen, als ihn Johnson niederwarf, lockerte seine Bande, die ihn wohl, ob er gleich keinen Schmerz verriet, arg belästigen mußten, so weit, daß dieser gemindert wurde, ohne die Sicherheit seiner Gefangenhaltung zu beeinträchtigen, und führte ihn in ein kleines Nebengemach, wo man ihn einschloß.

Athoree begab sich hinaus, um Wache zu halten, er schien keine Müdigkeit zu kennen. Graf Edgar blieb mit seinen zwei Gefährten still im Zimmer des so jäh dahingeschiedenen Davis sitzen.

Johnson, dessen gewaltige Körperkraft alle bewundert hatten, zeigte seine gewöhnliche Ruhe, beim Grafen und Heinrich aber machte sich nach den Anstrengungen des Tages und den furchtbaren Scenen und Eindrücken der letzten Stunde Abspannung geltend.

Dennoch fühlten sie nicht das Bedürfnis, zu schlafen, die seelische Erregung war zu groß. Nur der brave Michael hatte sich in einer Ecke des Zimmers eine Schlafstätte hergerichtet und schlief bereits den Schlaf des Gerechten, seinen Shillalah im Arm. [233]

Es war ein trauriges Bild, welches das Zimmer bot. An den Wänden, Möbeln und Fenstern war die zerstörende Hand der Wilden zu bemerken, draußen herrschte dunkle Nacht und das Schweigen des Todes.

Der kleinen Lampe Schein fiel auf den verwundeten Offizier dort auf dem Bette, welcher seinen Atemzügen nach jetzt ruhig zu schlafen schien. Dann beleuchtete sie die drei ernsten Männer, welche in nachdenklichem Schweigen vor sich hinstarrten, unter ihnen die auffallende Erscheinung Johnsons.

»Welch ein Tag!« unterbrach der Graf endlich die Stille, »welch ein furchtbarer Tag! Im ganzen Kriege gegen Frankreich habe ich kein solch schauervolles Schlachtfeld gesehen, als dieses kleine Fort darbietet.«

»Ja, Herr, es ist grausig. Doch weisen unsre Grenzkriege mehr als ein solches Gemetzel auf. Ich begreife Euer Schaudern, doch ich - ich habe Dinge erlebt - die -mich ruhiger auf diese Zerstörung blühenden Lebens blicken lassen.«

»Wie wundersam, Heinrich,« wandte sich Graf Edgar an diesen, »spielt das Geschick mit uns! Wer hätte jemals im Vaterlande geträumt, daß mir eines Tages in diesen Urwäldern einsam sitzen würden, umheult von mordlustigen Wilden.«

»Ja, Herr Graf, es ist seltsam genug, und wer weiß, was uns noch für Dinge aufbehalten sind. Ich habe oftmals im stillen Wald darüber nachgedacht, wie wunderbar die Wege der Vorsehung sind. Ich weiß nicht, ob ich dem Herrn Grafen einmal mein Erlebnis von Chateaudun erzählt habe?«

»Nein, Heinrich.«

»Das war erstaunlich genug.

»Anfang der sechziger Jahre fand mein Vater auf der Landstraße einen Menschen, der krank zusammengebrochen war. Er nahm ihn mit ins Forsthaus, wo er sich als ein französischer Tapeziergehilfe auswies, der in Breslau gearbeitet hatte und sich auf dem Wege zur Heimat befand. Wir haben den erkrankten Menschen verpflegt und ihn schließlich, gesund, mit einiger Unterstützung nach seinem Vaterlande geschickt und seiner später nur selten gedacht.

»Während wir Jäger 1870 in Chateaudun lagen, wurden unsre Truppen arg von den französischen Räuberbanden, diesen Franktireurs, belästigt. Wir hatten vor allem die Aufgabe, den Burschen das Handwerk zu legen. So waren wir eines Tages mit der Kompanie ausgezogen, um die Waldränder etwas zu säubern. Wir gerieten dabei in einen Hinterhalt, wurden arg zusammengepfeffert und auseinandergesprengt. Ich flüchtete mit einem Kameraden in den Wald. Während [234] wir den Rückweg nach Chateaudun suchen, sehen wir uns unerwartet von etwa dreißig Franktireurs umringt. Schon wollen wir feuern, um unser Leben so teuer als möglich zu verkaufen, denn diese Franktireurs schlachteten alles ab, was in ihre Gewalt fiel, als eine Stimme auf deutsch sagt: >Laßt das, ihr seid Gefangene.< Hierauf ließen wir die Büchsen sinken und gaben uns gefangen.

»Der Hauptmann der Bande kam auf uns zu und betrachtete uns höhnisch, es war der, der uns die deutschen Worte zugerufen hatte. Wie ich mir den Kerl mit seinen dunkeln Augen und dem kleinen schwarzen Schnurrbart ansehe, steigt unwillkürlich das Bild des französischen Tapeziers, den wir vor sieben Jahren im Hause hatten, in mir auf. Ich frage: >Sind Sie einmal in Schlesien gewesen?< Erstaunt antwortet er: >Ja,< - >Und sind im Hause eines Försters freundlich verpflegt worden?<

»Ja, ja!< Und halb französisch, halb deutsch sprudelte er nun heraus: Woher ich das wisse? Wer ich wäre und so weiter. Ich sagte es ihm und daß ich ihn für den hielte, den wir damals aufgenommen hätten. Nun hätten Sie den Kerl sehen sollen, Herr Graf. Der küßte mich und umarmte mich, daß mir der Atem verging, mit Tränen in den Augen, und dann sprudelte er einen Schwall von Worten an seine Kameraden, und diese Kerls kamen und drückten mir die Hand, na, um's kurz zu machen - sie ließen uns laufen. Seit dem Tage kommt mir in der Welt nichts mehr wunderbar vor, auch unsre jetzige Situation nicht. Wir sitzen zwar einigermaßen in der Klemme, wie mir scheint, aber ich denke, Herr Graf, wir kommen auch wieder heraus, und wenn nicht, na, gestorben kann nur einmal werden, dann fallen wir als preußische Soldaten mit den Waffen in der Hand.«

»Ja, Heinrich, Kriegskamerad, ist unsre Stunde gekommen, wollen wir auf einem Haufen Feindesleichen sterben.«

Heinrich nickte stumm.

Johnson hatte schweigend der ihm unverständlichen Unterredung gelauscht, er erhob sich und gab den beiden Deutschen den Rat, die Ruhe zu suchen. »Wir haben morgen einen heißen Tag vor uns, Männer, denn der Wilde ist nicht abgezogen, es ist nötig, Kräfte zu sammeln. Versucht zu schlafen.«

Er selbst bereitete sich ein Ruheplätzchen, und Heinrich und der Graf folgten seinem Beispiele. Auch versanken sie nach so großen Anstrengungen bald in einen unruhigen, oft unterbrochenen Schlummer.

Dreizehntes Kapitel.

Vor dem Sturme.

Langsam stieg endlich der junge Tag herauf, grau und farblos. Im Fort war alles ruhig und auch die Wälder lagen ringsum schweigend da. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut war zu hören.

Die leichten Wolken im fernen Ost röteten sich, stärker und feuriger ward ihr Glanz und endlich sandte der glühende Feuerball seine ersten Strahlen über die Wälder und hüllte die Wipfel der Bäume in Gold.

Sie trafen die Flagge der Vereinigten Staaten, welche von keinem Lufthauch bewegt von der auf dem Offiziershause befestigten Stange schlaff herabhing, dann spiegelten sie sich in den Scherben der zum größten Teil zerbrochenen Fensterscheiben und fielen in das Zimmer, in welchem die Männer noch schliefen.

Höher stieg der Sonnenball und sandte seine Strahlen auf die stillen Toten nieder, welche im Fort ihren letzten Schlaf schliefen.

In feurigem Widerscheine erglänzte endlich der spiegelglatte, klare See, der wie alles ringsumher so ruhig und friedlich dalag, als habe nie die mörderische Hand eines Menschen sich gegen den Bruder erhoben, als hätten seine Ufer und die Wälder, welche ihn umsäumten, nie das Kriegsgeheul indianischer Horden widergehallt, sei die Stille nie durch den Knall der tödlichen Waffen unterbrochen worden.