»Heinrich,« rief er diesem zu, »bringe mir rasch eine Granate herauf, wir wollen diese Schurken, welche sich so frech vor unsre Augen wagen, doch begrüßen.«
Rasch folgte der Angerufene dem Befehl. Graf Edgar lud und richtete mit großer Sorgfalt das Rohr, ein klein wenig den eilenden Booten vorhaltend.
»Ich kann zwar auf dem Wasser die Entfernung nicht genau abschätzen, aber hoffentlich sind sie noch in Schußweite.«
Die Männer waren alle auf den Wall geeilt und standen neben dem Geschütz, die Augen auf die fernen Kanoes gerichtet.
Krach! entlud sich dessen eherner Mund, und als der Dampf sich hob, bemerkten alle, daß die Granate doch Verderben gebracht halte.
Durch sein Glas sah Edgar, wie aus dem einen der Boote die Männer sich eilig in das andre begaben, und ferner, daß einer von dessen Insassen von seinen Gefährten hineingezogen wurde.
»Hurra!« rief Heinrich, »die saß. Noch eine, Herr Graf.« Und schon sprang er, ohne Befehl abzuwarten, hinunter zum Magazin.
»Ja,« sagte der Graf, »der Schuß traf, das eine der Boote ist sicher leck. Wartet, ihr sollt Feuer haben, so lange, bis das Rohr glühend wird.«
»Bei meiner Mutter Seele,« schrie der entzückte Michael, »das war ein Schuß.« Und er ließ seinen hellen irischen Kampfruf folgen.
Mit nicht geringerem Staunen hatten Johnson und Athoree die Wirkung des Schusses beobachtet.
Das ferne Boot hielt einen Augenblick und bewegte sich dann langsamer, als bisher sein Lauf war, zurück, entweder war es zu schwer beladen oder seine Ruder waren verletzt.
Schon kam Heinrich mit zwei Granaten heran. Graf Edgar schob das Geschoß ein, zielte mit derselben Sorgfalt wie vorher, und die im flachen Bogen hinsausende Kugel schlug in der Nähe des Kanoes ein, eine schlanke Wassersäule emporwerfend.
Durch sein Glas bemerkte der Graf, wie die Indianer mit furchtbarer Anstrengung arbeiteten, um aus dem Bereich dieses verderbendrohenden Feuers zu gelangen.
Man mußte das Geschütz sich abkühlen lassen, und ehe es aufs neue schußbereit war, war das Fahrzeug hinter einem Landvorsprung verschwunden.
»Ja, kommt nur,« lachte der Ire, den der Kanonendonner aufregte, »Seine Gnaden wird's euch schon zeigen, verd- Skalpabzieher ihr. Kommt nur heran.« Und er streckte drohend seine kräftige Faust nach dem See aus.
»Ich sehe zum erstenmal ein Geschütz in Tätigkeit, Sir, und bin erstaunt über die Genauigkeit des Schusses auf solch weite Entfernung und die Wirkung des Geschosses.«
»Es ist mehr ein glücklicher Zufall, als mein Verdienst, daß ich gleich beim ersten Schusse die wahre Entfernung ermittelt hatte, das fällt selbst einem geübten Kanonier nicht leicht.«
Von der Stelle aus, wo der Graf und seine Begleiter standen, konnte man weithin beide Ufer des Sees übersehen.
Während am östlichen Ufer, rechts von ihnen, die Bäume bis dicht ans Ufer heranreichten, war eine längere Strecke am westlichen Ufer von Bäumen und selbst, einige Büsche abgerechnet, auch von Unterholz ganz frei und nur mit Gras bedeckt.
Da die Truppen vom östlichen Ufer her erwartet wurden, waren die Blicke des Grafen fortwährend dorthin gerichtet.
Ein leiser Ruf des Indianers machte ihn aufschauen, dessen Hand war nach dem westlichen Ufer ausgestreckt, und mit einer mit Entsetzen gemischten Freude erblickte Edgar eine Reitergruppe von vier Personen, welche eben den Wald verlassen hatte und den See entlang galoppierte. Sie war nur etwa eine Meile weit entfernt und selbst das unbewaffnete Auge vermochte zu erkennen, daß eine Dame darunter war.
Der Graf zitterte so bei diesem Anblick, daß er nicht ruhig das Glas vor den Augen halten konnte. Leise kam es über seine Lippen: »Gott sei ihnen gnädig! Was tun? Was tun? Athoree? Jetzt hilf!«
»Feuer in Busch vor den Reitern. Ottawa Angst vor großer Büchse.«
Mit bebender Hand schob der Graf eine Kartätschenladung in die Kanone, richtete das Rohr niedrig und die todbringenden Kugeln sausten zwischen die Bäume, in geringer Entfernung von der Kavalkade.
Die Reiter beschleunigten die Gangart ihrer Pferde.
Johnson, Athoree und Heinrich standen, die Gewehre in der Hand, und starrten nach dem Walde.
»Dort Ottawa,« rief der Wyandot und feuerte seine Büchse nach einer Stelle ab, wo die Büsche sich dem Fort gegenüber bewegten. Johnson und Heinrich folgten. In seiner Erregung sah der Graf nur nach den Ankommenden.
»Andre große Büchse abfeuern,« sagte Athoree und deutete auf das Geschütz über dem Eingang zum Fort.
Edgar sprang hin, während die Schützen eilig luden, richtete das Rohr, und von neuem sauste der Kartätschenhagel zwischen die Bäume.
Drüben am Walde blitzte eine Büchse auf, und ehe noch deren Knall zu ihrem Ohre gelangte, krachte schon das Gewehr Heinrichs, ein Indianer stürzte taumelnd aus dem Busch und fiel auf sein Angesicht nieder. [252]
Näher und näher kamen die Reiter in vollem Rosseslauf. Frances jagte voran, zu ihrer Seite, nach dem Walde zu, ritt der Oberst, sie mit seinem Leibe deckend, hinter ihnen die zwei Begleiter.
Wiederum krachte drüben ein Schuß.
»Wir wollen hinaus,« schrie der Graf, »wir müssen sie retten.«
»Es ist sicherer Tod für uns, Sir,« sagte Johnson ernst und legte dem erregten jungen Mann die Hand auf die Schulter, »auch geben wir das Fort preis, wenn wir einen Ausfall machen; wir können von hier ebensoviel nützen, als -« er unterbrach sich, riß die Büchse an die Wange, schoß, ließ sie sinken und sagte ruhig: »So, der hat genug.«
Athoree und Heinrich standen mit schußfertigen Waffen und durchforschten den Wald mit funkelnden Augen.
»Lassen Sie das Geschütz noch einmal sprechen, hier dem Eingang gegenüber ist die gefährliche Stelle.«
Schon schob der Graf die Ladung ein.
»Michael, gehe an die Pforte und schiebe den Riegel zurück, sobald sie kommen.«
»Ja, ja,« sagte dieser und ging hinab.
»Stellen wir uns über dem Eingang auf,« und Johnson, Heinrich und der Indianer traten dorthin.
Schon waren die Reiter nahe, schon vermochte der Graf das flatternde Haar Fran-ces zu erkennen.
Krachend entlud sich die Kanone, deutlich hörte man das Splittern des Holzes, das Brechen der Aeste.
»Versparen wir unser Feuer, bis sie näher kommen,« sagte mit immer gleicher Gemessenheit Johnson.
»Nein, nein! Vorwärts!« schrie Edgar, »Feuer aus allen Musketen,« und er stürzte auf das nächste Gewehr los und feuerte in den Wald hinein, dies mit großer Geschwindigkeit mit der an der nächsten Schießscharte stehenden Waffe wiederholend.
Schon jagten auf schäumenden Rossen die Reiter heran.
Hinab sprang der Graf.
»Oeffne, Michael!«
Der Ire schob den Riegel zurück, Edgar riß den Flügel auf, sprang hinaus - im Walde knallte es auf, zwei Kugeln sausten an ihm vorbei - und kam rechtzeitig, um Frances in seinen Armen aufzufangen, als sie ohnmächtig vom Pferde sank. Im Laufe trug er sie hinter die Pallisaden, während von oben die Büchsen der drei Männer sich nach dem Walde hin entluden. [253]
Schon ritt Oberst Schuyler hinter die Balkenwand, welche das Tor deckte, und dicht hinter ihm folgten seine Begleiter. Michael schlug die schwere Tür zu, schob den Riegel vor: die Flüchtigen waren in Sicherheit.
Rasch sprang der Oberst vom Pferde und eilte zu seinem ohnmächtigen Kinde. Edgar hatte die junge Dame sachte auf einen Stuhl niedergelassen.
»Es ist nur eine Ohnmacht, Herr Oberst, Miß Schuyler ist unverletzt.«