»Geschehenes ist nicht zu ändern, Wood, wir müssen als besonnene Männer die Sache nehmen, wie sie liegt. Wir haben schon andre Abenteuer erlebt, Alter. Wißt Ihr Euch noch unsrer Kämpfe mit den Blackfeet zu entsinnen?«
Ein Lächeln fuhr über das Gesicht des Sergeanten: »Die haben wir heimgeschickt, Herr Oberst!«
»Und Sergeant Wood war einer der Tapfersten unter uns. Wie ich ja höre, sind Eure Wunden nicht gefährlich, Mann, haltet Euch ruhig, damit Ihr bald wieder Dienst tun könnt.«
»Als ich die Kanonen hörte, hat mich meine Frau mit Gewalt festhalten müssen, weil ich glaubte, die Roten kämen.«
»Nein, Ihr müßt still liegen, Mann. Sollten die Bursche wirklich einen Angriff wagen, so werden wir mit Gottes Hilfe ihnen heimleuchten.«
»Der Peschewa ist gefährlich, Herr, er ist der schlaueste Teufel, der je in Menschengestalt herumgelaufen ist.«
»Habt Ihr denn eine Ahnung, Sergeant, ich bin von allen andern Vorgängen genügend unterrichtet, wie stark die Angreifer waren?«
»Als ich meine Besinnung wieder hatte, habe ich mir alle Vorgänge zurückzurufen versucht. Wäre die Ueberraschung nicht so furchtbar gewesen, hätten wir sie mit dem Bajonett hinausgeworfen, denn die in den Kanoes, die fünf, welche wir eingelassen hatten, und die, welche dann noch vom Walde her gekommen sein können, alles in allem glaube ich nicht, daß sie mehr als über achtzig zählen.«
»Offen das Fort anzugreifen werden die schmerlich wagen.«
»Desto mehr müssen der Herr Oberst mit der List der Rothäute rechnen.«
»Nun, Wood, wir kennen die indianische Kriegsweise nicht seit gestern. Pflege er seine Wunden, Alter, wir wollen uns schon wehren.« [261]
Er gab ihm wieder die Hand, der Sergeant sagte: »Gott segne Sie, Herr,« und Schuy-ler verließ das kleine Zimmer.
Er begab sich dann zu Sounders, der ihm mitteilte, was er selbst wußte.
»Es ist ein wahres Glück, daß die Deutschen mit ihrer Begleitung gekommen sind und das Fort gehalten haben, unsre Skalpe zierten sonst bereits den Gürtel eines Ottawa.«
Einen Augenblick zeigte Schuylers sonst so ruhiges Gesicht einen tiefschmerzlichen Ausdruck, denn es fuhr ihm durch den Sinn, welches Los seine Tochter vielleicht bereits erreicht haben würde, wenn nicht das Fort so rechtzeitig eingegriffen hätte.
»Der Offizier scheint ein tapferer und geschickter Mann zu sein, und es war eine glückliche Idee, die Kanonen sprechen zu lassen.«
»Die Ueberraschung war groß, als uns die Situation endlich klar wurde.«
»Und Miß Schuyler?«
»Der Schrecken wirkt noch immer in ihr nach, und ich fürchte, das arme Mädchen wird noch mehr ertragen lernen müssen. Sounders; ich wollte, ich wüßte sie in Sicherheit, dann mögen die Ottawas kommen.«
»Und die Truppen, Herr Oberst?«
»Blackwater ist ein vorsichtiger und geschickter Offizier, und ich hoffe, der Kanonenschall ist zu seinen Ohren gedrungen und hat ihn gewarnt wie mich.«
Die beiden Offiziere versanken in ernstes Schweigen.
»Hilft nichts,« sagte dann der Oberst aufstehend, »trüben Gedanken nachzuhängen, müssen's als Männer ausfechten. Behüt' Euch Gott, Leutnant.«
Oberst Schuyler schritt wieder hinaus. Er ging dann mit Edgar langsam den Wall entlang, lobte die Verteidigungsanstalten und richtete dann die Frage an ihn: »Sind Sie des weißhaarigen Mannes ganz sicher, Herr Graf?«
»Wie meinen Sie das?« äußerte der erstaunt.
»Es kommt mir nicht unverdächtig vor, daß er auf der Reservation der Ottawas wohnt, und daß diese ihn dort dulden, was sie nicht zu gestatten brauchen und auch wohl kaum einem Weißen gestatten, wenn nicht besondere Gründe dafür sprechen.«
Graf Edgar berichtete dem Obersten, welch grauses Geschick das Lebensglück Johnsons zerstört hatte.
»Ich entsinne mich, von dem entsetzlichen Vorgang in den [262]
Zeitungen gelesen zu haben. Der Arme. Aber sagen Sie mir eines: Hat der Mann Blut der Ottawas vergossen?«
»Er hat gekämpft wie ein Löwe, er war's auch, der den Schurken niederschoß, welchen Sie auf Ihrem Ritt zum Fort aus dem Busche hervortaumeln sahen. Gestern hat er sogar einen Gefangenen gemacht.«
»Einen Gefangenen?« fragte der Oberst lebhaft, »das ist trefflich, da werden wir doch etwas über die Aktion der Ottawas erfahren.«
»Der Mann hat bis jetzt kein Wort gesprochen.«
»Wir müssen versuchen, ihn zum Reden zu bringen. Würden Sie die Güte haben und mir ihn vorführen lassen?«
»Es soll sofort geschehen.«
Er ging vom Wall hinab und bat Johnson, den Ottawa herbeizuholen. Dieser begab sich ins Haus, während der Oberst ebenfalls den Wall verließ.
Johnson führte den jungen Gefangenen vor Schuyler.
Der Ottawa, welchem der Kanonendonner einen tiefen Schrecken eingeflößt hatte, sah sich scheu um und blickte dann vor sich nieder.
Die im Fort befindlichen Männer, auch Athoree und der Pottawatomie, kamen heran, um der Unterredung beizuwohnen.
Schuyler, der mit den Leuten roter Rasse wohl bekannt war, betrachtete den vor ihm stehenden Jüngling, dessen Miene eine mit Trotz gepaarte Aengstlichkeit zeigte.
»Bitte, nehmen Sie dem jungen Mann die Fesseln ab!« wandte er sich an Johnson, welcher dann sofort die Riemen löste, welche die Arme des Gefangenen umschlangen.
»Der junge Krieger, den meine Männer gefangen genommen, ist ein Ottawa? Nicht so?« fragte er in englischer Sprache.
Der Indianer erhob die Augen auf den Redner, dessen stattliche, vornehme Persönlichkeit sichtlich nicht ohne Eindruck auf ihn blieb, aber er schwieg auch hier.
»Der Ottawa hält es für klug zu schweigen vor den weißen Männern, aber er irrt sich, es wäre für sein Volk besser, er würde reden.«
Ein schneller Blick traf den Oberst, der verriet, daß der Indianer verstanden hatte, was er sagte.
Oberst Schuyler, der sich in seinen reichlichen Mußestunden in einsam gelegenen Grenzgarnisonen mit großem Fleiß dem Studium der Algonkin-Dialekte hingegeben, und sogar eine Grammatik derselben verfaßt hatte, sprach jetzt in einem derselben, von dem er sicher war, daß der Ottawa ihn verstehen mußte: »Der Ottawa ist [263] sehr jung, er hat den Kriegspfad gegen die Söhne des großen Vaters in Washington betreten und weiß nicht, daß die Ottawas dafür büßen müssen. Die Krieger des weißen Mannes sind zahllos wie die Blätter des Waldes, sie werden kommen und die Ottawas töten, Mann, Weib und Kind. Warum hat der Ottawa die Streitaxt ausgegraben? Du bist jung, Indianer, aber doch alt genug, um dich zu entsinnen, wie der große Vater in Washington die Ottawas vor drei Sommern gezüchtigt hat.«
Der Indianer, welcher überrascht aufgehorcht hatte, als der Oberst ihn fließend in der Mundart seines Volkes anredete, senkte das Haupt - aber schwieg.
Ruhig fuhr der Oberst, immer im Algonkin-Dialekte, fort: »Der junge Mann könnte viel Unheil von seinem Volke abwehren, wenn er sprechen wollte. Er will nicht, er muß den Ottawas feind sein und ihren Untergang wünschen. Gut, ein Krieger muß wissen, was er tut.«
Jetzt öffnete der Gefangene zum erstenmal die Lippen und sagte: »Niake ist kein Ottawa.«
»O, Niake ist kein Ottawa, das ist mir lieb, denn nun kann ich dem großen Vater in Washington sagen, nicht seine Kinder, die Ottawas, haben die Krieger hier erschlagen, es waren Männer eines andern Volkes. Will Niake mir sagen, welchem Volke er angehört, der fürchtet er sich, seinen Stamm zu nennen?«
»Niake ist stammlos.«
»So? Niake ist stammlos?« Ein leichtes Staunen zeigte sich auf dem Gesicht des Obersten, aber so vorübergehend, daß es nur ein aufmerksamer Beobachter gewahren konnte. »Niake ist stammlos? Das freut mich, denn ungern hätte ich die Ottawas erschlagen sehen. Aber Niake war ein Ottawa?«
Der Indianer nickte.
»Und seine Gefährten sind stammlos, wie er?«