»Wo er ist, bleibe ich, Herr Oberst.«
Der Oberst reichte Sounders die Hand.
»Lassen Sie mich ruhig liegen, hier oder dort enden, es ist gleichviel,« kam es finster, aber gefaßt über seine Lippen.
Der Oberst ging hinaus, die Männer standen zum letzten Kampfbereit an der Türe, Frances lehnte nach wie vor an der Wand.
Fest schloß der Oberst sein Kind an die Brust und flüsterte ihr zu: »Auf Wiedersehen droben.«
»Oeffnen Sie die Tür, Michael!« kommandierte er dann mit fester Stimme.
Michael, seinen Stock neben sich, begann die Befestigungen zu lösen. [292]
Athoree wollte zur Türe treten, um der erste zu sein, welcher hinausstürzte; mit strenger Gebärde wies ihn der Oberst hinweg.
»Zurück, Indianer, wo Gefahr ist, geht Oberst Schuyler voran!«
Der Wyandot trat zurück.
Die Tür war von allen Hemmnissen, die sich ihrem Oeffnen entgegenstellten, befreit, der Schlüssel umgedreht.
»Oeffne! Vorwärts!« und die kleine, todbereite Schar stürzte durch Flammen und Rauch ins Freie.
Ein Geheul, als wenn zehntausend Teufel brüllten, erhob sich, Schüsse krachten hier und dort, von allen Seiten eilten mit wilden Sprüngen die Indianer herbei.
Der Oberst stürzte, von drei Kugeln getroffen, auf das Angesicht. Der herzerschütternde Schrei seines Kindes verhallte in dem Toben; aber achtlos einen kleinen Dolch fallen lassend, den sie in der Hand hielt, stürzte sie hinaus und fiel auf der Leiche des Vaters nieder.
Einen Moment bildeten Angegriffene und Angreifer einen verworrenen Knäuel.
Trommelwirbel - eine dröhnende Befehlshaberstimme: »Feuer!« und vom Eingang knatterten die Musketen der amerikanischen Truppen.
Wie aus Stein gehauen stand alles da.
»Feuer!«
Und zum zweitenmal krachte eine Salve.
»Fällt das Gewehr! Stoßt alle Roten nieder!« Und eine geschlossene Reihe von Staatentruppen, welchen andre durch das Tor nachdrängten, rückten mit der von den Indianern so gefürchteten Waffe vor.
So stürmisch und wild die Indianer beim Angriff gelegentlich sind, so groß ist ihre Furcht bei einer Ueberraschung wie die gegenwärtige.
Mehr als zwanzig ihrer Leute wälzten sich schon tot oder verwundet am Boden, die andern stürzten hinter die Häuser nach dem Wall, um durch dessen Lücke zu entkommen.
Die Büchsen von Edgar, Heinrich, Johnson, dem Konstabel und Athoree entluden sich; jede Kugel fand ihr Opfer.
Athoree warf die Büchse fort, und die Streitaxt von der Seite reißend, sprang er mit dem Schlachtruf seines Volkes einem flüchtigen Ottawa nach.
Der Konstabel hatte gleichfalls die entladene Schußwaffe fallen lassen und seinen Dienstsäbel gezogen.
Morris, als er diesen Ausgang der Sache sah, rief seinen [293]
Genossen zu, die sich wie er mehr im Hintergrunde gehalten hatten: »Zu den Kanoes!« und sprang, von ihnen gefolgt, zur Wasserpforte, riß den Riegel auf, sprang hinaus, und die Axt, welche er im letzten Augenblicke ergriffen hatte, zertrümmerte mit gewaltigem Schlage die Befestigung des Sperrbalkens. Morris und Iltis sprangen in das vorderste Kanoe, Tyron, nach welchem sie sich einen Augenblick umsahen, fehlte, und ruderten in Todesangst in den See hinaus. Einige Indianer, welche ihnen nachgeeilt waren, folgten in den nächsten Booten.
Tyron hatte den beiden andern nacheilen wollen, als ihn der Säbel des grimmigen Konstabel traf. Er taumelte, schnell folgte der zweite Hieb - Tyron stürzte und ein Stich brachte ihm die Todeswunde bei.
»Daß der Schurke von der Hand eines ehrlichen Mannes sterben muß!« knurrte der Konstabel. Dabei sah er sich nach den andern um und lief, als er sie nicht gewahrte, auf den Wall nach der Seeseite zu.
Heinrichs Büchse krachte drei-, viermal. Der Graf aber hatte sich, nachdem er geschossen, dem Oberst und der ohnmächtigen Frances zugewendet.
Johnson war nach dem Hause zurückgekehrt, hatte im Zimmer ein Fenster geöffnet, um frische Luft einzulassen, dann auf seinen starken Armen den Leutnant ins Freie getragen und gleich darauf den Sergeanten, der immerfort »Hurra!« und »Drauf!« schrie, im Kasernenhaus niedergelegt.
Den wildesten Kampf hatte aber Michael bestanden, der mit einem riesenhaften, gräßlich bemalten Indianer gleich anfangs ins Handgemenge geraten war. Dieser hatte nach ihm geschossen, aber die Kugel war ihm am Haupte vorbeigeflogen, und der wütende Ire stürzte nun mit seinem Stock auf jenen zu. Der Indianer griff zur Axt und machte einige wilde Sprünge hin und her, um dem Iren einen Schlag beizubringen, aber Michael, der Mann aus Leitrim, war ebenso gewandt als stark, und wo der schnelle Wilde sich hinwandte, bedrohte ihn des Irländers Stock. Da schleuderte der Indianer das kleine Beil nach Michaels Haupt, aber dieser wich der Waffe aus und im selben Augenblick zerschmetterte sein Stock des Indianers linke Schulter. Dieser stand mit schmerzverzerrtem Gesicht und zog nun mit einem Wutschrei das Messer; aber mit dem verblüffenden Trommelwirbel zugleich traf Michaels Stock die Hand, das Messer fiel nieder. Der Indianer wandte sich zur Flucht, aber der unermüdliche Shillalah erreichte noch seinen Rücken, so daß er
[294] niederstürzte. Gleich lag der Ire auf ihm und faßte seine Arme. »Du willst andre ehrliche Leute verbrennen und ihnen die Kopfhaut abziehen, du roter Teufel du? Dir wird Michael O'Donnel zeigen, wie man in Leitrim mit solchem Gesindel umgeht. O warte nur.«
Der Konstabel, der auf dem Wall mit wahrer Verzweiflung gesehen hatte, daß seine langgesuchten Opfer entflohen, rief einige Soldaten an, welche auch dem Boote nachfeuerten. In den Kanoes, welche Indianer trugen, schlugen die Kugeln wahrnehmbar ein, Morris und Iltis aber erreichten unverletzt das westliche Ufer des Sees und verschwanden gleich darauf im Walde.
Drohend streckte ihnen der Konstabel die Faust nach: »Ich hole euch ein!«
Diese Vorgänge hatten von dem Augenblicke an, wo die Männer aus dem brennenden Hause stürzten, bis jetzt, wo außer drei Gefangenen, zu denen der gehörte, welchen Michael gemacht hatte, kein lebender Indianer mehr im Fort weilte, viel weniger Zeit in Anspruch genommen, als wir brauchten, um sie zu schildern.
Athoree, welcher drei Ottawas mit seinem Tomahawk getötet hatte, wäre seiner roten Hautfarbe wegen fast ein Opfer der Wut der Soldaten geworden, wenn sich nicht Heinrich rasch entschlossen vor ihn gestellt und Johnson, welcher es glücklicherweise bemerkt, ihnen zugerufen hätte, er sei ein Freund. Die tiefe Stimme Kapitän Blackwaters, eines untersetzten, breitschultrigen Offiziers, rief dem Hornisten zu: »Blas zum Sammeln!«
Die Soldaten traten rasch in Reih' und Glied. Es fand sich, daß nur fünf verwundet waren, gefallen war keiner.
Jetzt warf er seinen Blick in die Runde. Ringsum sterbende oder tote Indianer, hinten das brennende Haus und diese ergreifende Gruppe vor demselben? »Wer ist der Offizier, dessen bleiches Haupt an der Brust der jungen Dame ruht? Doch nicht -?« Rasch ging Blackwater darauf los. »Mein Gott, mein guter, tapferer Oberst!« Man hörte es an dem Tone, daß der rauhe Krieger ergriffen war: »O, meine arme Miß Frances, welches Unglück!«
Das Mädchen saß bewegungslos, die Arme um des Vaters Leiche geschlungen, die Augen starr auf sein noch im Tode würdig schönes Angesicht geheftet, dessen Ausdruck ein durchaus friedlicher war, da.
Sie antwortete nicht, hörte auch wohl nicht, was Blackwater sagte.
»Welches Geschick! Welches Geschick!« Er stand eine Weile stumm, dann wandte er sich an Edgar, der neben Frances stand.
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»Sind Sie vielleicht der tapfre deutsche Herr, der dieses Fort verteidigt hat?«
»Ja, Herr, preußischer Premierleutnant Graf Bender.«
»Geben Sie mir die Hand, mein tapferer Kamerad. Dort der Verstorbene hatte Sie mir schon empfohlen und unser Pottawatomie mir alles berichtet, was Sie hier getan haben. Ihnen und Ihrem Kanonenfeuer danken wir es, daß wir noch leben.« Mit warmer Herzlichkeit schüttelte er ihm die Rechte.