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Unter solchen Gesprächen verging die Zeit. Der Abend des ereignisvollen Tages sank hernieder und alle die ermüdeten und abgespannten Männer ersehnten die Ruhe.

Unsre Freunde bereiteten sich ihr Lager im Sergeantenhause und bald lag alles, die verstärkten Wachen ausgenommen, in tiefem Schlafe.

Fünfzehntes Kapitel.

Ernste Nachklänge.

Der frühe Morgen sah bereits die Soldaten im Fort in erneuter Tätigkeit, um dasselbe vollständig in den früheren Zustand zu versetzen und alle Spuren der furchtbaren Ereignisse zu verwischen.

Blackwater, welcher nach Schuylers Tode als der älteste Offizier das Oberkommando hatte, befahl den nach Fort Jefferson kommandierten Truppen hier zu bleiben und sandte den Pottawatomie mit einem Briefe an den dortigen Befehlshaber, der ihm Kunde von den Ereignissen gab und die Ablösung für später in Aussicht stellte.

Soldaten hatten aus Brettern einen Sarg hergestellt und andre draußen am Walde auf einer leichten Erdanschwellung ein Grab ausgeworfen.

Der Oberst war dann eingesargt und seine letzte Wohnung mit der Flagge der Union bedeckt worden.

Für neun Uhr war die Garnison zum Begräbnis befohlen.

Athoree war vor Sonnenaufgang schon in den Wäldern gewesen und nach einigen Stunden zurückgekehrt, ohne irgend etwas Verdächtiges gewahrt zu haben.

Der Graf und Heinrich erschienen auf dem Walle; ihre Gefährten schliefen noch. Während sie langsam auf und ab schritten, sagte Edgar: »Ich fürchte, Heinrich, die Ereignisse der letzten Tage haben uns unser Ziel ferner als je gerückt.«

»Warum fürchten das der Herr Graf?«

»Unsre einzige Hoffnung, die Spuren der Verlorenen aufzufinden, beruhte darauf, diese Ottawas genannten Indianer willig zu machen, Auskunft zu erteilen, wie meine Schwester mit ihrem Kinde geendet hat. Wenig wollte es besagen, daß die Raubgier dieser Wilden mich um den Brief des Sekretärs und die für ihre Häuptlinge bestimmten [303]

Geschenke gebracht hat, beides wäre ja zu ersetzen, aber die ausgebrochenen Feindseligkeiten zwischen den Indianern und den Regierungstruppen machten jede Verbindung unmöglich.«

»Was glauben denn der Herr Graf, was wir beginnen sollen?«

»Ich will später mit Kapitän Blackwater reden. Bin ich einmal hier, so will ich das Aeußerste versuchen, um Gewißheit zu erlangen. Erklärt sich die bisherige Zurückhaltung der Indianer in Bezug auf Mitteilungen über das Schicksal meiner Schwester aus der naheliegenden Befürchtung, dafür noch nachträglich zur Rechenschaft gezogen zu werden, so wird es nach den jüngsten Vorgängen, die ihr Schuldkonto wesentlich bereichert haben, noch schwieriger sein, Aufklärung zu erlangen. Die Hoffnung, daß sie noch unter den Lebenden weile, ist mir längst geschwunden, aber der Gedanke will mich nicht verlassen, daß der Knabe, meiner Schwester Kind, noch atme. Aber wo und wie?«

»Es wird doch Mittel geben, irgend jemand von diesen Leuten zum Sprechen zu bringen, sei es durch Geschenke, sei es durch Drohungen?«

»Ich habe dir mitgeteilt, welche Anstrengungen der alte Baring und die Regierungsorgane gemacht haben, um Gewißheit über das Verbleiben meiner Lieben zu erlangen und daß alles dies vergeblich war. Der Kampf hat nun wohl jede Brücke abgebrochen, die zu einem Verständnis mit den Ottawas führen konnte.«

»Es ist aber der Fall nicht ausgeschlossen, daß sie jetzt, wo ihnen wahrscheinlich eine Züchtigung durch die Militärgewalt bevorsteht, gefügiger sind als früher.«

»Der Kapitän wird uns ja beistehen, wollen wir hören, was er meint. - Alles in Dunkel gehüllt, jede Spur der teuern Menschen verweht. Nach dem, was ich in diesen Tagen in diesen Wäldern erlebt habe, begreife ich wohl, wie jede Spur eines Menschendaseins hier für immer ausgelöscht werden kann. In welcher Wildnis mögen deine Gebeine ruhen, arme Luise?«

»Herr Graf, als wir in jenem Blockhause weilten, hatten wir die Hoffnung aufgegeben, mit dem Leben davonzukommen, und erfreuen uns heute doch noch des Daseins. Wollen wir die Hoffnung auch hier nicht aufgeben, das Schicksal Ihrer Frau Schwester aufzuklären.«

»Es ist wahr, Heinrich, unser Leben war verfallen, und wir atmen doch noch im rosigen Licht. Der tapfere Oberst hat mit seinem Herzblut unser Lösegeld bezahlt, der grause Scherge Tod war damit befriedigt und ließ uns entkommen. Mir kommt es vor, als ob ich dieses so errungene neue Dasein ohne Berechtigung führe, da es mit so edlem Blut erkauft worden ist.«

»Ja, ein heldenhafter, vornehmer Mann, dieser amerikanische Oberst, er schritt voran, als ob es zum Tanze ginge -«

»Und ging in den Tod. - Wie das arme Fräulein es nur tragen mag?«

»Eine sehr schöne Dame, Herr Graf.«

»Eine selten edle Schönheit, ein selten edles Mädchen. - Athoree und seine Mutter haben sie die weiße Rose getauft, diese Indianer entbehren doch nicht der Poesie.«

»O, das ist schön, Herr Graf: >Weiße Rose<. Das ist gut gewählt.«

»Weiße Rose,« wiederholte der Graf leise, »weiße Rose - wirst du je wieder im Hauche frischen, freudigen Lebens erblühen oder bist du gebrochen und entblättert für immer, wie meine arme Schwester?«

Er schwieg in trübem Sinnen, und Heinrich wagte das Gespräch nicht wieder aufzunehmen.

Der Konstabel trat aus dem Hause, warf einen Blick umher, und als der den Grafen traf, rief er ihm fröhlich zu: »Nun, Fremder, hat der Schlaf die traurigen Gedanken und die Erinnerung an gestern verscheucht? Ich habe geschlafen wie ein Rakoon im Winter, und meinetwegen könnte die Partie von neuem beginnen. Kalkuliere, bin der Mann dafür.«

»Ja, mein wackrer Mister Weller, ich glaube Euch das, habe nicht wenig Eure Kaltblütigkeit und Eure Laune inmitten der grimmigsten Gefahr bewundert.«

»Ist Gewohnheit, Mann, nur Gewohnheit - ist ein Fakt. Habe in den bunten Fähr-lichkeiten dieses Lebens gelernt, nie zu verzagen. Kommt die letzte Stunde einem jeden, dem früher, dem später. Muß es kaltblütig nehmen, kalkuliere, ist das richtige.«

»Gewiß, nur hat nicht jeder die Kraft, gleichmütig auch das Schlimmste hinzunehmen.«

»Bin als junger Bursche gegen die Miamis ausgezogen, am Sandusky, wißt Ihr. Waren damals in die Ansiedelungen gefallen, genau wie vor drei Jahren die Ottawas am Manistee. Zogen aus, mein alter Vater, Gott hab' ihn selig, wollte mich nicht mitnehmen, sei noch zu jung, war achtzehn Jahre, lief aber doch mit. Lachte der Alte, als er mich sah: >Hab' mir's gedacht. Wär' auch nicht zu Hause geblieben.< Na, fochten mit den Roten, nahmen mich

[305] gefangen, haben eine schöne Sitte, die Indianer, binden die Gefangenen an einen Baum und treiben Kurzweil mit ihnen, blutige Kurzweil, kann ich Euch sagen. Stand mit zwei andern am Marterpfahl, wie sie diese Vorrichtung nennen. War uns der Tod nahe gestern. Kann Euch sagen, war mir arg wehleidig ums Herz, war zu jung, um zu sterben, hätte gern gemeint, schämte mich nur. Da sollte ich mein Sterbelied singen, wollte die Bursche haben. Betete da laut zu unserm alten Herrgott, sollte es gnädig machen mit mir und uns. Hatte kaum Amen gesagt, krachen Büchsen in den Büschen und die Miamis geben Fersengeld. Waren unsre Leute, war mein Alter, wollte seinen Jungen wieder holen.

»>Hast du die weiße Feder gezeigt, Bob?< war seine erste Frage.

»>Nein, Vater,< sagte ich, wie es auch wahr, denn wenn ich auch Angst gehabt, gezeigt hatt' ich's nicht. Da löste er meine Bande und sagte: >Bist mein Blut, Junge. Alles, nur nicht die weiße Feder zeigen. Kannst vor unserm Herrgott dich demütigen, aber vor keinem Menschen, am allerwenigsten vor solchem Abschaum.< Seht, Herr, seit dem Tage, der mir in höchster Not vom Tode half, hoffe ich bis zum letzten Augenblicke. Stehen alle in Gottes Hand, Mann, weiß es schon zu machen. Ist ein Fakt, Fremder.«