»Willst du nun deinem Volke durch die jungen Männer im Walde sagen lassen, wie es sich verhalten soll, so tue es, du bist klug und erfahren genug, um zu wissen, daß es Vernichtung für euch bedeutet, wenn wir in Waffen gegen euch vorgehen.«
»Kitate wird seinem Volke Botschaft senden, er will nicht in Feindschaft mit dem großen Vater in Washington leben, die Ottawas sollen seine Kinder bleiben.«
»Also tue, was dir im Interesse deines Volkes geboten erscheint.«
Kitate ging auf den Wall und stieß dort einen gellenden Ruf aus.
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Schnell traten hierauf fünf Indianer aus dem Walde und kamen furchtlos bis dicht an den Graben.
Dieser Wilde, der eben seinen Freund schmählich unter der Hand der Weißen enden sah, der eine Welt von Haß im Herzen trug, besaß die Kraft, seine erregten Leidenschaften niederzuzwingen und in ruhigem Tone zu seinen Stammesgenossen zu sprechen.
Eindringlich klangen die Worte, welche er vom Wall herab an sie richtete, und diejenigen, welche etwas von der Sprache der Ottawas verstanden, wie der Konsta-bel, Johnson und Athoree, erkannten, daß er die in den Dörfern zurückgebliebenen Häuptlinge auffordern ließ, sich im Interesse des Volkes nicht nur jeder Feindseligkeit gegen die Weißen zu enthalten, sondern auch sowohl die sogenannten Stammlosen, als deren Verbündete, wie die »rote Hand« zurückzuweisen, wenn sie Gastfreundschaft in Anspruch nehmen wollten.
Einer der draußen Stehenden erwiderte: »Kitate ist gefangen.«
»Kitate muß, wie alle Ottawas, sich dem Willen des großen Vaters in Washington fügen, dieser wird entscheiden. Geht und singt meine Worte in das Ohr der Häuptlinge.«
Die Indianer neigten sich und eilten leichtfüßig davon.
Blackwater hatte man von dem Inhalt der Rede Kitates unterrichtet, er sagte zu ihm, als er herabkam: »Du bist klug, Ottawa, und wie ich im Interesse deines Volkes hoffe, auch ehrlich.«
Er ließ die Gefangenen zurückführen und begab sich dann in sein Zimmer, um einen langen Bericht an die Regierung abzufassen.
Der Tag verlief ruhig.
Die Mannschaft hatte immer noch genügend zu tun, um alles inner- und außerhalb der Gebäude möglichst in den früheren Zustand zu versetzen.
Die Nacht brachte allen den ersehnten Schlaf, den die Aufregung dieser Tage verhindert oder beeinträchtigt hatte.
Auch Frances fand die Ruhe, welche Seele und Körper so sehr erforderten, und schlief den traumlosen Schlaf der Erschöpfung.
Sechzehntes Kapitel.
Abschied.
Am andern Morgen zeigte das Fort bereits wieder den regelmäßigen Gang des Dienstes und nur zerstörte Fensterscheiben und die Spuren des Brandes am Hause des Sergeanten erinnerten an die furchtbare Katastrophe, welche so plötzlich über dasselbe hereingebrochen war.
Bald nach dem Appell schritten die beiden Kapitäne langsam vor ihrer Wohnung auf und nieder.
»Ich glaube nicht, Percy,« fuhr Blackwater im Laufe eines angelegentlich geführten Gespräches fort, »daß die Roten etwas gegen uns unternehmen werden, sie scheinen doch gewaltigen Respekt vor dem >großen Vater< in Washington zu haben, indessen ist das Volk unberechenbar und ich kann Sie mit Ihrer Mannschaft nicht entlassen, bis frische Truppen eingetroffen sind. Haben wir überhaupt einen Angriff zu gewärtigen, so wird Fort Jackson selbstverständlich zuerst belagert werden.«
»Ich bin vollständig von der Notwendigkeit meines Hierbleibens überzeugt, Black-water, und bis andre Dispositionen getroffen worden sind, wollen wir uns hier so behaglich einrichten als möglich.«
»Wie man diese ganze traurige Begebenheit in Washington ansehen wird, und welche Anordnungen der weise Kriegsrat und das noch weisere Indianerdepartement treffen werden, mögen die Götter wissen. Es ist gar nicht unmöglich, daß man es sogar bemängelt, daß ich den unschuldigen Kitate hier festgehalten habe, ob ich gleich meiner Ueberzeugung nach nicht anders handeln konnte.«
»Ganz Ihrer Meinung, Blackwater, denn es ist undenkbar, daß er von Peschewas Plänen nicht unterrichtet gewesen sei.«
»Der gute Davis hätte etwas andres tun sollen, als einen Indianerhäuptling prügeln zu lassen, na, De mortuis nil nisi bene. [322]
Geschehene Dinge sind nicht zu ändern. - Wenn ich wüßte, daß der Kitate wirklich friedlich gesonnen wäre, das heißt, daß er sich vor unsrer Macht fürchtet, denn sein Haß gegen uns ist so grimmig, wie nur der eines Wilden sein kann, so würde ich ruhiger in die Zukunft blicken, denn an einem mörderischen Indianerkriege, der hier oben, wo verschiedene Völkerschaften in ziemlicher Nähe voneinander eingepfercht sind, ungeahnte Dimensionen annehmen kann, ist wenig gelegen, er würde Ströme von Blut und Tränen kosten. Gestern war ich in erregter Kampfesstimmung und hätte am liebsten das rote Gesindel samt und sonders unter meinen Kartätschen gehabt, ich denke heute ruhiger, Percy. Kann auf anständige Weise ein Zusammenstoß mit den Roten vermieden werden, entspricht das ganz meinen Anschauungen. Freilich wird es ohne die strengste Untersuchung nicht abgehen können, und gerät dabei Herrn Kitates Hals in Gefahr, so ist es seine Sache, ihn aus der Schlinge zu ziehen. Ich behalte ihn hier, bis Gegenbefehl aus Washington eintrifft.«
»Aber wenn Ihr darauf rechnet, daß die Ottawas Ruhe halten,« entgegnete Percy, »wäre es nicht angebracht, die Begleiter des Kitate zu entlassen, die doch jedenfalls zu den Häuptern des Volkes zählen und wohl mehr Einfluß haben, als die jungen Männer, welche hier vor dem Walle standen.«
»Habe schon daran gedacht, Percy, habe daran gedacht, bin nicht immer zum Dreinhauen geneigt, habe auch staatsmännische Anwandlungen. Will mit dem Ki-tate mich unterreden, wollen dann hören, was der Mann meint, ob wir gleich auf jede indianische Teufelei gefaßt sein müssen.«
»Es wäre gewiß wünschenswert, daß der Weg durch die Wälder gesichert würde, wir sind sonst abgeschnitten von jeder Verbindung mit der Außenwelt.«
»Natürlich, natürlich. Hätten wir den Pottawatomie nicht gehabt, wäre ich außer stand gewesen, selbst nur den Brief nach Fort Jefferson abzusenden. Ist eine gefährliche Sache, sich in die Wälder zu wagen, wenn sie mit diesen roten Teufeln angefüllt sind.«
»Und nun, Miß Schuyler?«
»Kann gar nicht daran denken, das Kind zu entlassen, ehe die Wälder vollständig sicher sind.«
»Mir ist an der Sicherheit der Verbindung besonders mit Traverse City genügend gelegen, einstweilen aber hängt diese von dem Einfluß ab, den Kitate auf sein Volk hat, immer vorausgesetzt, daß er Streit zu vermeiden wünsche. Nun, ich will meine
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Geschicklichkeit an dem indianischen Diplomaten versuchen. Die Burschen sind nämlich viel schlauer, als man für gewöhnlich annimmt.«
Während dieser Unterredung war der Konstabel im Freien erschienen und hatte sich aufmerksam die Wälder, den See und den Himmel betrachtet. Blackwater bemerkte ihn und rief ihn an. »Guten Morgen, Mister Weller.« »Dasselbe dem Herrn Kapitän.«
»Wollt Ihr uns nicht einen Augenblick Eure Gesellschaft schenken?« »Mit dem größten Vergnügen, Kapitän,« und der rüstige Mann schritt auf die beiden Offiziere zu.
»Nun sagt mir einmal, Konstabel, Ihr seid ein erfahrener Grenzmann, was denkt Ihr über unsre Lage? Werden die Roten Frieden halten?«
»Denke ja, Kapitän. Haben vor drei Jahren Uncle Sams Faust kennen gelernt, werden es nicht wagen, Krieg zu beginnen.« »Aber Peschewa?«
»Seht, Blackwater, habe den Mann gekannt, war ein kluger, bedächtiger Bursche, würde nimmer das Kriegsbeil ausgegraben haben, wenn er nicht beschimpft worden wäre. Kalkuliere, ist der Kitate gesonnen, wie es Peschewa früher war.« »So haltet Ihr die Wälder für sicher?«
»O nein, Kapitän. Offenen Krieg werden die Wilden vermeiden, doch die Sicherheit der Wälder hängt allein von dem Einfluß ab, welchen der Kitate auf seine Leute ausüben kann. Und dann sind immer noch einige verzweifelte Gesellen des Peschewa darin, welche möglichen Falles noch Zuzug finden, Raubgesindel ist unter Roten und Weißen vorhanden, und dann haben wir die Banditen, den Morris und den Iltis.« »So würdet Ihr also Euch nicht in die Wälder trauen?«