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Ich erinnerte mich daran, wie mutig der kleine runde Ande Pu in die Senke gesprungen war, in der immerfort Tote auftauchten, und nickte energisch.

»Ja, das ist wirklich so gewesen. Er hat anderen ein ausgezeichnetes Beispiel gegeben. Ohne ihn hätte ich nicht gewusst, wie ich es je nach Hause hätte schaffen sollen.«

»Tja«, seufzte Rogro begeistert. »Ich wusste immer, dass er zu denen gehört, die zwar viel Wirbel machen, sich in ernsten Situationen aber als tapfer erweisen.«

»Er ist ein Musterbeispiel natürlicher Verwegenheit«, meinte ich. »Er kann zwar nicht allzu gut kämpfen, ist aber sehr geschickt darin, dem Gegner das Leben schwer zu machen.«

»Das glaube ich«, sagte Sir Rogro lächelnd. »Als er bei mir auftauchte und meinte, er wolle Sie daheim besuchen, um einen Artikel über Sie und Ihre Katzen zu schreiben, wirkte er, als stünde er kurz vor seiner Hinrichtung. Damals hätte ich wetten mögen, dass er sich nicht trauen würde, Sie zu besuchen, sondern sich in eine gemütliche Kneipe setzt und sich alles ausdenkt.«

»Ach«, sagte ich und musste lächeln, weil ich mich an sein plötzliches Auftauchen erinnerte. »Vielleicht hätte er das besser getan.«

Wieder unterbrach Mochi unser Gespräch und beugte sich streng über unseren Tisch. Er sah aus, als wollte er zwei dreiste Lumpen zurechtweisen, brachte uns aber nur das Essen und verlor dabei ein paar knappe Worte über die Länder, aus denen die Gerichte stammten, mit denen er uns verwöhnte. Dann ließ er uns gnädigerweise mit dem Essen allein.

Begeistert sah ich dem majestätisch wirkenden Wirt nach und merkte, dass er zu dem Gast im dunklen Lochimantel ging, ein paar Worte mit ihm wechselte und sich dann mit dem Zeigefinger an die Schläfe tippte. Offenbar war diese Geste nicht nur in meiner alten Heimat bekannt. Dann verließ Mochi rasch den Tisch, und der Mann im dunklen Mantel stand auf und verließ das Lokal. Meine Neugier war erwacht, und ich nahm mir vor, Mochi zu fragen, was der Brillenträger Dummes gesagt hatte.

Sir Rogro und ich begannen zu essen. Als wir unser Gericht vertilgt hatten, beschlossen wir, uns zu duzen. So demokratisierend wirkt die Atmosphäre in Juffins Dutzend! Der langsame Prozess, aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft werden zu lassen, war auf gutem Weg. Ich begann, mich in diesem Lokal als Stammgast zu fühlen, entspannte mich, lächelte breit und hätte beinahe zu schnurren begonnen.

Den Zwischenfall mit dem Brillenträger allerdings vergaß ich dennoch nicht, und als Mochi mir die zweite Portion Kamra brachte, sagte ich zu dem finster blickenden Wirt: »Ich bin der neugierigste Mensch in dieser schrecklichen Stadt und brenne auch jetzt wieder vor Wissbegier. Erzählen Sie mir doch, was Ihnen der Mann in Brille und Lochimantel gesagt hat. Ich habe Sie beide zufällig beobachtet.«

»Ich weiß selber nicht, was ich davon halten soll«, brummte Mochi. »Er wirkte ganz normal und hat brav das Essen gelobt. Alles war wie üblich. Aber dann hat er eine Grimasse gezogen und >Komm mit!< gesagt. Ich dachte erst, ich hätte mich verhört, und fragte: »Was, bitte, soll ich tun, Sir?« Er sah mich an wie die Schlange das Kaninchen und wiederholte den Befehl. Das war ein Verrückter, und das hab ich ihm auch gesagt. Daraufhin war er still, bezahlte und verschwand. Halten Sie das etwa für normal?«, fragte Mochi irritiert.

»Eigentlich nicht. Aber vielleicht war er von Ihrer Küche so begeistert, dass er Sie unbedingt in sein eigenes Wirtshaus mitnehmen wollte.«

»Meinen Sie?«, fragte Mochi leicht geschmeichelt, fuhr dann aber in seinem üblichen Ton fort: »Ich brauche kein anderes Wirtshaus. Ich bin mit meinem Lokal sehr zufrieden.«

»Das ist gut so«, sagte ich erfreut. »Wenn Sie Ihren Laden schließen, muss ich mich im Churon ertränken gehen.«

»Schau an, wie gut es Ihnen hier gefällt!««, frotzelte Mochi, und wer ihn dabei durchs Fenster beobachtet hätte, hätte denken können, ich hätte ihm gerade eine böse Überraschung beschert.

Rogro und ich verließen zusammen das Lokal.

»Wenn du willst, kann ich dich zum Haus an der Brücke fahren«, schlug er mir vor. »Anders als du bin ich mit dem Wagen gekommen.«

»Nicht nötig«, sagte ich dankend. »Ich habe - den Magistern sei Dank! - keine Eile. Und der Spaziergang zum Haus an der Brücke ist meine einzige Chance, die wunderbare Nacht nicht zu versäumen. Der wahnsinnige Vollmond versetzt mich immer wieder in Verzückung.«

»Stimmt, die Nacht ist sehr hübsch, aber Vollmond ist erst morgen«, bemerkte Sir Rogro.

»Tatsächlich?«, fragte ich. »Dabei wirkt der Trabant kreisrund!«

»Tja, in solchen Fragen ist nicht das menschliche Auge maßgebend, sondern die Berechnungen der Astronomen. Infolge verschiedener kosmischer Kräfte unterscheiden sich bestimmte Mondphasen nicht sehr stark. Unser himmlischer Begleiter will uns nach wie vor ein Rätsel bleiben. Zwischen zwei Vollmonden vergehen gewöhnlich sechsunddreißig Tage. Doch ich bin kein Experte, interessiere mich aber für Astronomie.«

»Ach, auch davon hast du Ahnung?«, fragte ich.

»Warum nicht? Das ist ein Hobby wie jedes andere. Als ich noch im Orden des Siebenzackigen Blattes war, hat Astronomie sogar zu meinen Hauptbeschäftigungen gehört. Damals habe ich aber vor allem an Zank und Streit gedacht. Übrigens kenne ich mich auch mit Astrologie aus - soll ich dir vielleicht dein Horoskop stellen?«

»Vielen Dank, aber daraus wird nichts. Ich kenne weder Tag noch Ort meiner Geburt«, log ich. Schließlich konnte ich unmöglich einem Journalisten erzählen, dass ich durch die Hintertür nach Echo gekommen war.

Sir Juffin begegnete mir auf der Türschwelle.

»Auf die Minute pünktlich«, nickte er respektvoll. »Gute Nacht, Max.«

»Gute Nacht«, echote ich.

Ich durfte davon ausgehen, dass niemand meine Nachtruhe störte. Erst Techi würde mich am nächsten Morgen wecken, und dagegen hatte ich natürlich nichts.

Tatsächlich störte mich niemand. Nur das Licht des fast vollen Mondes klopfte leise an meine Lider und ließ

mein Blut rauschen. Mir war rasch klar, dass ich mich vom Fenster wegdrehen musste. Ich machte es mir im Sessel bequem, legte den Turban als Kissenersatz auf den Tisch, kuschelte mich in den Todesmantel und war Minuten später selig eingeschlummert.

Deshalb war ich am nächsten Morgen in Topform und beschloss sogar, auf meinen Chef zu warten, um ihm zu sagen, dass er am Abend nicht mit meiner Anwesenheit würde rechnen können. Ich hatte nämlich vor, Techi in ein wunderbares Wirtshaus zu führen, und sie hatte nichts dagegen.

»Eigentlich fangen alle normalen Menschen genau damit an«, begann Juffin schon an der Tür.

»Wie bitte?«, fragte ich ratlos.

»Erst füttern sie ein nettes Mädchen, dann verführen sie es. Aber bei dir ist es natürlich umgekehrt - wie immer.«

Ich sah verlegen drein. »Haben Sie etwa schon wieder meine Gedanken gelesen? Selbst solche Dummheiten?«

»Zu den Magistern mit dir, Junge. Das habe ich gar nicht nötig - du denkst nämlich manchmal laut«, klärte mein Chef mich auf. »Na schön, viel Spaß heute Abend. Und jetzt geh. Immerhin hast du nur selten Ideen, die so gut sind, dass ich ihre Verwirklichung nicht verhindern will. Kofa ist sicher entzückt, wenn er den Grund deiner heutigen Abwesenheit erfährt. Er glaubt nämlich, das Essen und die Liebe seien die wichtigsten Dinge des Lebens. Denk bitte ein wenig über die Reihenfolge nach.«

»Vielen Dank«, sagte ich lächelnd. »Nachdem es mir gelungen ist, Techi dazu zu bringen, ihr Gasthaus einen Abend in der Woche zu schließen, überkommen mich - offen gesagt - merkwürdige Ahnungen. Was passiert wohl, wenn so ein Narr ins Wirtshaus geht und beschließt, mittels Magie 5861. Grades unsere schöne Welt in Schutt und Asche zu legen?«