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Das hier ist selbstverständlich nicht das erste Zuhause meiner Familie. Die Droods waren schon damals, zu Tudorzeiten, eine alte, sehr alte Familie. So, wie unsere Größe und unser Prestige und unser Einfluss zunahmen, zogen wir weiter und wurden mächtiger. Aber inzwischen war das Herrenhaus schon so lang unser Zuhause und Operationszentrum, dass es einem schwerfällt, sich uns irgendwo anders vorzustellen. Sie werden das Herrenhaus auf keiner offiziellen Karte finden und Sie werden auch keinen der Wege finden, die zu ihm führen. Ich spürte, wie die zahlreichen Schichten wissenschaftlicher und magischer Verteidigungsanlagen beiseite glitten, um mich vorbeizulassen, als ich den Hirondel über den langen, gekiesten Fahrweg steuerte, wie sie vor mir fielen oder sich hoben wie eine Reihe von Schleiern, die weggezogen wurden, und dann hinter mir wieder hermetisch abriegelten. Jemand beobachtete mich seit dem Augenblick, als ich die Steinmauer passiert hatte, und würde fortfahren mich zu beobachten, bis ich wieder ging. An einer Stelle kamen tatsächlich Automatikkanonen aus dem Rasen hoch und visierten meinen Wagen an, bevor sie sich widerstrebend wieder versenkten. Die waren neu. Aber natürlich sind es immer die Verteidigungsanlagen, die man nicht sehen oder spüren kann, die einen fix und fertig machen. Jeder, der auf der Suche nach uns hierherkommt, ungeladen und unerwartet, läuft Gefahr, auf unzählige Arten ums Leben zu kommen, eine qualvoller als die andere.

Die Familie hat ihre Zurückgezogenheit immer sehr ernst genommen. Wenn man die Welt so lange beschützt und in Ordnung gehalten hat wie wir, ist es unvermeidlich, dass sich ernst zu nehmende Feinde ansammeln. Das Herrenhaus und seine weitläufigen Parkanlagen sind umgeben und überzogen von Schicht um Schicht von Schutzvorrichtungen, einschließlich eines ganzen Haufens von Vogelscheuchen. Wir stellen sie aus alten Feinden her. Wenn Sie die richtige übernatürliche Frequenz abhören, können Sie sie schreien hören. Legen Sie sich nicht mit den Droods an: Wir nehmen das persönlich! Wir werden sauer und machen Sie fertig!

Mit einer Vollbremsung brachte ich den Hirondel in einem Sprühregen aus aufgewirbeltem Kies direkt vor der Vordertür zum Stehen und parkte ihn genau dort, nur weil ich wusste, dass ich das nicht sollte. Ich stellte den Motor ab und saß dann eine Weile einfach da, starrte ins Leere und trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum, lauschte den Schreien der Pfauen und dem langsamen Ticken des abkühlenden Motors. Ich wollte das hier nicht machen. Indem ich nicht ausstieg, schob ich den Moment hinaus, in dem ich mein altes Zuhause betreten und in den kalten, abweisenden Schoß der Familie zurückkehren musste. Aber … früher oder später muss man in den Behandlungsraum des Zahnarztes gehen und die Sache eben hinter sich bringen.

Ich knallte die Autotür zu, erfreute mich an den Echos und schloss dann ab. Nicht, weil es nötig war, und schon gar nicht, weil es denjenigen, den sie mit Sicherheit schicken würden, davon abhalten würde, den Wagen zu bewegen. Ich wollte einfach nur jedermann klarmachen, dass ich hier niemandem traute. Das Herrenhaus erhob sich vor mir wie eine versteinerte Flutwelle. Von Nahem wirkte es noch größer, als ich es in Erinnerung hatte, und noch bedrohlicher. Ich konnte seine Substanz spüren, die Jahrhunderte angesammelter Pflicht und Verantwortung, die versuchten, mich einzusaugen wie ein schwarzes Loch, doch vor der Vordertür zögerte ich. Eigentlich hätte ich direkt hineingehen und mich bei der Matriarchin melden müssen, wie Brauch und Tradition es verlangten - aber ich habe noch nie großen Wert darauf gelegt, zu tun, was ich eigentlich müsste. Und da ich immer noch mehr als nur ein bisschen verärgert darüber war, so abrupt zurückbeordert worden zu sein, beschloss ich, dass die Matriarchin warten konnte, dieweil ich noch einen kleinen Spaziergang machte.

Ich kehrte der Vordertür den Rücken zu, summte laut und sorglos vor mich hin und schlenderte an den vielen Bogen- und Bleiglasfenstern in der Fassade des Hauses vorbei. Ich konnte ihre Gegenwart spüren wie den Druck unzähliger beobachtender Augen, daher hielt ich meinen eigenen Blick eisern geradeaus gerichtet. Der Kies knirschte laut unter meinen Füßen, als ich am Ostflügel vorüberging, um die Ecke bog und zum ersten Mal lächelte, als ich die alte Familienkapelle sah. Sie war deutlich vom Rest der Gebäude abgesetzt und vor den Blicken versteckt, ein gedrungenes Steingebäude mit Kreuzfenstern. Sie sah angelsächsisch aus, war aber tatsächlich eine Torheit aus dem achtzehnten Jahrhundert. Die Familie hatte jetzt ihre eigene Kapelle im Inneren des Herrenhauses, angenehm und friedlich und großzügig multikonfessionell, und das alte Gebäude war dem Verfall überlassen worden. Es wird gegenwärtig vom Familiengespenst, Jacob Drood, bewohnt, zänkischer alter geiler Bock, der er ist. Ich glaube, er ist mein Urururgroßvater - Genealogie war noch nie meine Stärke.

Im Großen und Ganzen ermutigt meine Familie Gespenster nicht zum Aufenthalt, sonst würden wir hüfthoch in den Dingern waten. Falls doch mal welche plärrend ins Herrenhaus zurückkommen, nachdem sie an der Front ihr Leben gelassen haben, werden sie verdammt schnell ins Jenseits weiterbefördert. Die Familie blickt streng nach vorn, nie zurück, und im Herrenhaus ist einfach kein Platz für Sentimentalitäten. Jacob darf weiter in der Kapelle bleiben aufgrund irgendeiner formalen Spitzfindigkeit, die ich nie richtig verstanden habe, hauptsächlich, weil es den wenigen Leuten, die Genaueres wissen, anscheinend zu peinlich ist, darüber zu reden. Alle Familien haben irgendeine sonderbare Leiche im Keller, und unsere ist halt Jacob. Ostentativ spricht die Familie schon seit Jahren nicht mehr mit ihm, und ihm ist das völlig schnuppe. Meistens sitzt er einfach in seiner Gespensterunterwäsche herum und schaut sich die Erinnerungen alter Fernsehsendungen in einem Gerät ohne Innenleben an. Hin und wieder hat er ein geisterhaftes Auge darauf, was die Familie vorhat, nur weil er weiß, dass er das nicht soll.

Jacob und ich sind immer prima miteinander ausgekommen.

* * *

Ich war acht, als ich ihn entdeckte. Cousin Georgie forderte mich dazu heraus, einen Blick durch das Fenster der verbotenen Kapelle zu werfen, und einer Herausforderung konnte ich noch nie widerstehen. Ich wurde erwischt (natürlich) und bestraft (natürlich) und mir wurde gesagt, dass die Kapelle und ihr Bewohner streng tabu waren. Anschließend konnte ich es nicht erwarten, ihn kennenzulernen. Ich wusste einfach, dass wir verwandte Geister waren. Also schlich ich mich in dieser Nacht hinaus und überfiel kurzum das alte Gespenst in seinem Bau. Er machte ein paar unbeholfene Versuche, mich zu verscheuchen, aber er war nicht mit dem Herzen dabei. Er hatte lange darauf gewartet, dass die Familie noch ein schwarzes Schaf wie ihn hervorbrachte. Wir wurden schnell warm miteinander, und danach konnte uns niemand mehr voneinander fernhalten. Die Familie versuchte es, aber Jacob kam mit großen Schritten aus der Kapelle und marschierte geradewegs in die Privatgemächer der Matriarchin, und was immer dort auch gesagt wurde, danach überließ man uns beide strikt uns selbst.

Jacob war vielleicht der einzige echte Freund, den ich damals hatte; mit Sicherheit der einzige, dem ich vertrauen konnte. Er ermutigte mich in all meinen frühen Auflehnungen und war als Einziger immer auf meiner Seite. Er war es, der mir sagte, ich solle bei der ersten Gelegenheit fortgehen. Er akzeptierte mich;

sagte, ich erinnerte ihn an ihn selbst als Teenager. Was eigentlich ziemlich beunruhigend war.

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Die Kapelle sah so gedrungen und hässlich aus wie immer: unbehauene Steine, begraben unter dickem Efeugeflecht, das sich bedrohlich regte und wand, als ich mich der offenen Vordertür näherte - ein Bestandteil von Jacobs Frühwarnsystem. Ich tätschelte das Efeu und sprach ihm freundlich zu, und es entspannte sich wieder, als es meine Stimme wiedererkannte und sich erinnerte. Die Tür stand halb auf und klemmte, wie immer, und ich stemmte die Schulter dagegen. Das schwere Holz kratzte laut über den nackten Steinfußboden und wirbelte eine Staubwolke auf. Ich hustete und nieste ein paarmal und spähte in die Düsterkeit: Nichts hatte sich verändert.