Während sie auf eine günstige Gelegenheit warteten, ihren äußerst gemeinen und boshaften Naturen Ausdruck zu verleihen, vertrieben sich die Goblins die Zeit mit Kreuzworträtseln aus der Times. Goblins lieben Buchstabenspiele. Einer von ihnen hielt mich an, um mich nach einem Vierzehn-Buchstaben-Wort für schlechte Regierung mit M am Anfang zu fragen, und war echt ziemlich verstimmt, als ich schlagartig Misswirtschaft antwortete. Dem armen Kerl war nicht klar, dass er das Kreuzworträtsel von gestern machte.
Am Fuß der Treppe mussten wir beide die Hände auf einen elektronischen Scanner legen, bevor wir in das große Kellergewölbe durften, in dem der Lageraum der Familie untergebracht war. Der Seneschall führte mich hinein und bestand dann darauf, dass ich an der Tür stehen blieb und mich nicht vom Fleck rührte, während er ging, um die Matriarchin davon in Kenntnis zu setzen, dass ich eingetroffen war. Ich verschränkte steif die Arme vor der Brust und schnitt ihm eine höhnische Grimasse hinterher, aber dabei ließ ich es bewenden. Neben der Tür kauerte eine Gorgo, den Kopf gesenkt, eingehüllt in ledrige Schwingen wie in einen schützenden Umhang. Sie sah aus, als ob sie schliefe, aber ich wusste, dass sie das nicht tat, auch wenn einige der Schlangen einen lahmen Versuch machten zu schnarchen. Den Lageraum zu betreten, ohne einer streng umrissenen Verfahrensordnung zu folgen, würde dazu führen, dass die Gorgo die Augen öffnete und einen ansah und die Familie anschließend eine weitere überrascht aussehende Statue für die hinteren Gärten hätte.
Der Lageraum war ein riesengroßer Zuschauerraum, der aus massivem Fels herausgemeißelt war. Hier drin sahen wir alles - oder jedenfalls alles, worauf es ankam. Alle vier Wände waren voll von dem neusten Stand der Technik entsprechenden Bildschirmen, die jedes Land auf der Welt zeigten, mit kleinen blinkenden Lichtern, die die Städte und anderen Orte anzeigten, wo Familienmitglieder gerade bei der Arbeit waren. Grüne Lichter für einen erfolgreich durchgeführten Auftrag, blaue für gewisse Individuen, die zurzeit auf der Abschussliste der Familie standen, und hier und da wies ein violettes auf einen größeren Pfusch und dessen gleich große Vertuschungsoperation hin. Potenzielle Unruheherde waren mit gelben Lichtern gekennzeichnet, aktuelle Bedrohungen mit roten. Es leuchtete eine verdammte Menge Gelb und Rot quer über die ganze Welt und viel mehr Rot als Gelb, verglichen mit vor zehn Jahren. Teufel auch, sogar Litauen hatte ein rotes Licht!
Die Familie saß in langen Reihen und konzentrierte sich auf ihre Bildschirmarbeitsplätze, ungeachtet des hektischen Treibens rings um sie. Dutzende von Weithersagern liebkosten Kristallkugeln oder schauten angestrengt in Wahrsagebecken, studierten die Probleme der Welt von Weitem und murmelten unterdessen ihre Erkenntnisse leise in Headsets. Techniker bedienten ihre Computer und extrahierten mit Fingern, die in schwindelerregendem Tempo über Tastaturen huschten, brauchbare Daten. Agenten mögen allein an der Front operieren, aber jeder Einzelne von uns wird von einem Mitarbeiterstab von Hunderten unterstützt. Und das nicht nur im Lageraum. Unaufhörlich sind im Nachrichtenzimmer (von denen, die ihre Acht-Stunden-Schicht in dem fensterlosen Loch absitzen, als ›die Grube‹ bezeichnet) Informationswiedergewinnungsexperten bei der Arbeit, sichten die Medien der ganzen Welt und vergleichen die offiziellen Versionen mit dem Berg von Informationen, der jeden Tag aus unserem weltweiten Netzwerk von Spionen und Informanten hereinkommt. Die Familie verlässt sich auf diese einsatzfreudigen Forscher sowohl, um entstehende Schwierigkeiten zu orten, bevor sie außer Kontrolle geraten, als auch, um sich über gewisse Personen auf dem Laufenden zu halten, die gerne glauben, sie könnten durch die Welt ziehen, ohne Spuren zu hinterlassen. Diese Forscher konnten einem genau sagen, wo in einem Heuhaufen eine Nadel zu finden war, und eine ziemlich gute Schätzung abgeben, in welche Richtung sie zeigte. Sie wussten alles über die Welt, was es zu wissen gab, außer wie es war, in ihr zu leben. Sie waren viel zu wertvoll, als dass ihnen jemals hätte erlaubt werden können, das Herrenhaus zu verlassen.
Zu jedem beliebigen Zeitpunkt operieren Hunderte von Droods in Krisenherden auf der ganzen Welt. Und sie arbeiten allein, weil Agenten im praktischen Einsatz aus der Ferne nicht gesehen werden können. Ihre Torques verbergen sie vor uns ebenso wie vor unseren Feinden. Das ist der Grund, weshalb nur den Zuverlässigsten in der Familie überhaupt erlaubt wird, Agenten im Außendienst zu werden. Und weshalb ich immer an so einer kurzen Leine gehalten werde. Der Lageraum muss darauf warten, dass Frontagenten auf traditionellem Wege ihren Bericht erstatten, häufig auf der Flucht, und sie dann mit so viel Informationen und Unterstützung versorgen wie möglich. Jeder Agent wird von Tausenden von Forschern, Beratern, Fachleuten in den arkaneren Bereichen von Wissenschaft und Zauberei und einem Rund-um-die-Uhr-Nachrichtentechnikerstab unterstützt.
Agenten im Außendienst sammeln Informationen, entschärfen Druckpunkte und handeln, wenn nötig. (Wir ziehen es zwar vor, mit einem leisen Wort und einer subtilen Drohung zu arbeiten, aber die Familie ist auch noch nie davor zurückgeschreckt, sich die Hände schmutzig zu machen.) Jeder von uns weiß jedoch, dass es die Unterstützung der Leute im Herrenhaus ist, die unsere Arbeit erst ermöglicht.
Die Familie hat die Fernwahrnehmung in all ihren Formen zu einer Art Kunst erhoben. Und da wir schon immer Wissenschaft und Zauberei als nur zwei Seiten derselben nützlichen Münze betrachtet haben, arbeiten wir hart, um bei allen neuesten Fortschritten in vorderster Reihe zu bleiben. Genau genommen arbeiteten unsere Forschungslabore pausenlos und unermüdlich, damit wir todsicher immer die Nase vorn haben. Wir haben Waffen hervorgebracht und Antworten auf Waffen, von deren Existenz große Teile der Welt nicht einmal träumen. Wir benutzen, was immer wir müssen, damit die Welt ein sicherer Ort bleibt.
Ich war überrascht und ein klein wenig beunruhigt darüber, wie viele Katastrophenalarme zu sehen waren; Warnungen vor schwerwiegenden Bedrohungen, die bisher noch nicht auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Person oder Gruppe eingegrenzt waren. Und wenn ich schwerwiegende Bedrohung sage, dann meine ich damit eine offensichtliche und gegenwärtige Gefahr für die Welt. Ich hatte den Lageraum noch nie so geschäftig erlebt, mit Leuten, die sich um jede Anzeige, jeden Computer, jeden aktenübersäten Tisch scharten. Da war ein allgemeines Säuseln gemeinschaftlich murmelnder Stimmen, fast als ob man sich in einer Kirche befände. (Gehobene Stimmen werden missbilligt; sie erzeugen Unruhe.) Fortwährend eilten Boten ein und aus und überbrachten Aufzeichnungen und Berichte und hochwichtige Aktualisierungen. Und Kannen frischen Tees. Die Familie läuft mit Tee. Und mit Jaffa Cakes.
Keiner warf auch nur einen Blick in meine Richtung.
Die Matriarchin saß, mit steifem Rücken und gelassen aufmerksam wie immer, am größten Tisch und studierte eine endlose Reihe dringender Berichte, so wie sie ihr gerade gereicht wurden. Manche zeichnete sie ab und stimmte damit Maßnahmen zu; andere ließ sie zurückgehen für mehr Einzelheiten. Boten standen Schlange und warteten auf eine Gelegenheit, eine Akte vor sie zu schieben oder ihr vertraulich ins Ohr zu flüstern, ehe sie mit neuen Instruktionen davoneilten. Die Matriarchin gestattete es sich nie, gehetzt oder besorgt zu wirken, und nie wurde sie laut. Falls einmal ein besonders penetranter Bote den Bogen überspannte, indem er eine Einzelheit infrage stellte oder die Wichtigkeit seiner Botschaft nachdrücklich betonte, so genügte ein Blick aus den kalten grauen Augen der Matriarchin, und der Bote brach sich förmlich das Kreuz, während er katzbuckelnd von ihr wegeilte.
Der Seneschall setzte die Matriarchin von meiner Ankunft in Kenntnis, und sofort drehte sie sich um und sah mich an. Ich erwiderte ihren Blick gelassen und machte mir nicht einmal die Mühe, die gekreuzten Arme vor der Brust wegzunehmen. Sie winkte mich gebieterisch zu sich her, und ich durchquerte gemächlich den Lageraum, um mich zu ihr zu gesellen, und ließ mir dabei bewusst Zeit. Die Matriarchin bedeutete den Umstehenden mit einer knappen Geste, sich zurückzuziehen, und alle nahmen einen gebührenden Abstand ein, damit sie und ich unter vier Augen miteinander reden konnten. Der Seneschall schien tatsächlich empört, mit allen anderen in einen Topf geworfen zu werden, aber er ging. Man diskutierte nicht mit der Matriarchin. Sie stand auf, um mich zu begrüßen, wobei sie ihre übliche kalte und missbilligende Miene zur Schau trug.