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Der Waffenschmied, ein hochgewachsener Mann mittleren Alters mit viel zu viel nervöser Energie, trug einen ständig fleckigen weißen Laborkittel über einem T-Shirt, auf dem Gewehre töten keine Menschen; ich töte Menschen stand. Zwei Büschel zotteliger weißer Haare standen unter einer runden Glatze über seinen Ohren ab, und seine Augen unter den buschigen weißen Brauen waren stahlgrau. Selten blickte er anders als gewohnheitsmäßig finster, und während er einmal groß und imposant gewesen war, so beugte ihn jetzt ein ausgeprägter Buckel, Erbe all der Jahre, die er gebückt über Arbeitstischen mit Laborprojekten, die immer dringend seiner Zuwendung bedurften, zugebracht hatte. Vielleicht hatte er ihn aber auch nur vom Ducken. Ich saß eine Weile neben ihm und wartete darauf, dass er etwas sagte, aber wie immer blieb es mir überlassen, seine Aufmerksamkeit von seinem jüngsten Projekt loszueisen.

»Hallo, Waffenschmied. Schön, dich wiederzusehen. Der alte Ort scheint sehr geschäftig, zumindest augenblicklich. Bereiten wir uns auf einen Krieg vor?«

Er schniefte noch einmal hörbar. »Immer, Junge. Immer.«

Er steckte ein dickes Stromkabel in eine Steckdose, legte ein halbes Dutzend Schalter um und schaute dann erwartungsvoll auf einen Computermonitor, der mit Mistelzweigen und Knoblauchzöpfen umwickelt war. Nichts geschah. Der Waffenschmied schlug mit einem Hammer gegen den Computer, und ich nahm ihm das Werkzeug schnell ab.

»Gib mir das zurück!«, verlangte er und bedachte mich mit einem grimmigen Blick. »Das ist mein Glückshammer!«

»Glückshammer?«, wiederholte ich und hielt ihn sorgfältig außer Reichweite.

»Ich bin immer noch da, oder?«

Ich legte den Hammer auf die andere Seite des Tischs. »Wo liegt das Problem, Waffenschmied?«

Er seufzte, denn er sah ein, dass es sich nicht vermeiden lassen würde, doch mit mir zu sprechen. »Es scheint, als ob jeder im Herrenhaus versucht, Energie aus dem Herzen zu ziehen, und zwar alle auf einmal. Jede verdammte Abteilung gleichzeitig. Ich sollte eigentlich Priorität haben, aber alles, was ich tun kann, ist, mir mit dem Ellbogen einen Platz in der Schlange zu sichern. Wenn ich hochgehen und mich beschweren muss, dann fliegen Tränengasgranaten und Schrapnelle durch die Gemeinschaftsräume …«

»Warum gibt es eine solche Nachfrage nach Energie?«

»Frag nicht mich! Frag den verfluchten Alistair!«

Ich kannte diesen Tonfall. »Na schön; was hat Alistair jetzt wieder angestellt?«

Der Waffenschmied schenkte mir seine beste Schmollmiene. »Zuerst erhöht die Matriarchin mein Budget - und meine Arbeitslast - und erzählt mir, dass meine Projekte bis auf Weiteres oberste Priorität haben, und dann kommt der verdammte Alistair hier reingetänzelt und verkündet, dass er die Waffenkammer als den geeignetsten Ort auserkoren hat, um mit seinem neuesten Kostensenkungsprogramm anzufangen. Das heißt, dass jetzt nicht nur mein Arbeitspensum in die Höhe geschnellt ist, sondern ich muss auch noch für alles, was wir tun und benutzen, Rechenschaft ablegen - in dreifacher Ausfertigung! Hätte mir jemand gesagt, dass ich mein halbes Leben bis zu den Ellbogen in Papierkram verbringen muss, hätte ich mir einen Kopfschuss verpasst! Noch besser, ich hätte dem verdammten Alistair einen Kopfschuss verpasst, und dazu könnte es durchaus noch kommen! Bisher habe ich mich darauf verlegt, den Papierkram einfach zu ignorieren und seine zunehmend verwirrten Memos als Toilettenpapier zu benutzen. Und sie ihm dann zurückzuschicken.«

Ich konnte nicht anders als lächeln und nicken. Typisch Alistair: im Kleinen sparsam und im Großen verschwenderisch. Immer bemüht, sich auf die schlechtest mögliche Art nützlich zu machen. Jemand hat einmal, wohlweislich außer Großmutters Hörweite, die Ansicht geäußert, die beste Methode, unsere Feinde zu Fall zu bringen, wäre, ihnen Alistair als Geschenk zu schicken. Plötzlich hörte ich auf zu lächeln. Jemand in der Familie war ein Verräter … und wie wäre die Familie besser zu behindern als dadurch, die Arbeit in der Waffenkammer zu untergraben und zu unterbrechen? Widerwillig schüttelte ich den Kopf. Die Vorstellung, Alistair als den Verräter festzunageln, war wirklich verlockend, aber ich wusste mit Sicherheit, dass er alle erdenklichen Arten von Sicherheitsüberprüfungen hatte durchlaufen müssen, bevor die Familie Martha erlaubt hatte, ihn zu heiraten. Hätte es damals auch nur den Hauch eines Verdachts bezüglich seiner Person gegeben, hätte man den gefunden. Unvermittelt blickte ich mich um, denn der Waffenschmied hatte mir warnend in die Rippen gestoßen, und da war Alexandra Drood, die auf mich zugesteuert kam wie eine Rakete mit Infrarotsuchkopf.

»Was zum Teufel treibst du hier unten, Eddie?«

»Hallo, Alex!«, sagte ich unbeschwert. »Ich freue mich auch, dich wiederzusehen. Du siehst herrlich streng aus, aber das tust du ja immer. Besonders in bestimmten Träumen, die ich habe, in denen du in Leder in einem Kerker vorkommst … Schau mich nicht so an! Ich bin hier, um etwas von der kleinen und tödlichen Sorte abzuholen, für meinen nächsten Auftrag. Was führt dich denn hier runter?«

Sie stellte sich breitbeinig vor mich, die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Ich leite diesen Ort jetzt. Ich werde derzeit dafür ausgebildet, vom Waffenschmied zu übernehmen, wenn er in den Ruhestand tritt.«

Ich sah den Waffenschmied an. »Ruhestand? Du? Wirklich?«

Er zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Irgendwann trifft es uns alle, Eddie. Ich werde nicht jünger, ungeachtet all meiner Experimente auf diesem Gebiet, und die Familie ist auf neue Ideen und neue Methoden aus der Waffenkammer genauso angewiesen wie auf neue Waffen. Vielleicht ist es Zeit für eine Veränderung. Zurzeit führe ich nur noch die Aufsicht. Papierkram, weißt du noch? Alexandra kümmert sich um das ganze tägliche Geschäft. Und macht das sehr gut.«

Es brachte tatsächlich ein ehrliches Lächeln für sie zuwege, welches sie ignorierte, denn ihr grimmiger Blick war auf mich geheftet. Ich betrachtete Alexandra nachdenklich. Sie war meine Cousine und im selben Alter wie ich. Wir hatten an vielen Unterrichtsstunden gemeinsam teilgenommen, und sie war immer der Liebling des Lehrers gewesen. Eine erstklassige Schülerin und die Erste, die einen das wissen ließ. Alexandra war groß und blond und mit einem Vorbau ausgestattet, von dem aus man Shakespeare geben konnte. Vom Scheitel bis zur Sohle das arische Ideal und doppelt so gruselig. Ihr Laborkittel war fast zu Tode gestärkt und blendend weiß. Sie war recht hübsch, aber auf eine gänzlich einschüchternde Weise, und erweckte immer den Eindruck, als wolle sie sich jeden Moment nach vorn stürzen und einen beißen. Und das nicht unbedingt auf liebenswerte Art. Sie funkelte mich mit mehr als ihrer üblichen Wildheit an, und instinktiv blickte ich mich nach etwas rohem Fleisch um, um es ihr zuzuwerfen. Sie rammte mir einen Zeigefinger in die Brust.

»Vorsicht, Liebling!«, sagte ich. »In manchen Kulturen bedeutet das, dass wir verlobt sind!«

»Ich bin nicht dein Liebling!«

»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wohl und sicher ich mich deshalb fühle, Alex!«

Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen, was sehr interessante Sachen mit ihrem Vorbau anstellte. Ich musste einen Moment lang wegschauen. Als Alexandra wieder sprach, war ihre Stimme eiskalt und beherrscht.

»Ich hatte schon gehört, dass du wieder da bist, Eddie. Ich weiß nicht, wie du die Unverfrorenheit aufbringst, deine Visage im Herrenhaus zu zeigen. Du hast der Familie den Rücken gekehrt, nach allem, was sie für dich getan hat!«

»Wegen allem, was sie für mich getan hat! Ich diene immer noch, aber auf meine eigene Weise.«