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»Wieso nur ein Kopf?«, fragte ich schließlich.

»Nun«, sagte Nathaniel, »es war halt nicht so, als ob wir den Rest von ihm wirklich gebraucht hätten, und einen ganzen Körper am Leben und in guter Verfassung zu erhalten, hätte unsere Ausgaben beträchtlich erhöht. Als wir anfingen, waren wir ein ziemlich kleines Unternehmen. Nur der Professor und ein halbes Dutzend seiner besten Studenten … Die Schläuche erhalten den Kopf am Leben und die Drähte berieseln die Stirnlappen unaufhörlich mit Schwachstrom und stellen sicher, dass er nicht aufwacht und tief in seinem Traumzustand bleibt. Über die Schläuche wird er mit gewissen Konservierungsmitteln und allen notwendigen Drogen versorgt. Theoretisch könnte er sich ewig halten. Ach ja, die Drogen. Das haben wir noch nicht erklärt, stimmt's? Wir führen dem Professor einen ganz speziellen Cocktail aus starken psychotropen Chemikalien zu, alles Mögliche von LSD über Taduki bis hin zu Stechapfel, alles gemäß den eigenen Theorien des Professors. Die Drogen schieben seinen Verstand empor und hinaus, während er träumt, und sprengen die Türen der Wahrnehmung geradewegs aus den Angeln, sodass er sehen kann, was dahinter und jenseits davon liegt.«

»Wer war er ursprünglich?«, fragte ich. »Wie ist er hierzu gekommen?«

»Nun, es war alles seine eigene Idee, ursprünglich«, erklärte Nathaniel mit einem ziemlich selbstgefälligen Lächeln. »Er war damals unser Professor an der Themse-Universität. Ein bemerkenswerter Kopf; wirklich bemerkenswert. Er wurde zu unserem Führer, unserer Inspiration. Er hielt uns diese fantastischen Vorlesungen, verstehen Sie; über schamanische Drogen und Traumphasen und wie sie kombiniert werde könnten, um Zugang zu anderen Ebenen der Realität zu erlangen. Er sprach auch viel über etwas, was er Experimentatorenabsicht nannte, wo die Absicht des Wissenschaftlers tatsächlich das Ergebnis des von ihm durchgeführten Experiments verändern konnte. Es war nicht sonderlich fernliegend, diese Ideen zu kombinieren …

Der Professor war wirklich ziemlich überrascht, als wir schließlich zu ihm gingen, alle seine sechs Lieblingsstudenten, und ihm erzählten, dass wir einen Weg gefunden hatten, seine Theorien in eine durchführbare, praktische Lösung für sämtliche Probleme der Welt zu umzusetzen. Noch überraschter war er, als wir ihn hier runterbrachten, ihm zeigten, was wir getan hatten, und ihm mitteilten, dass ihm die einzigartige Ehre zuteilwürde, unser Roter König zu sein: der Mann, der die Welt verändern und uns alle vor dem Teufel retten würde. Genau genommen reagierte er sogar sehr negativ, als wir ihm erklärten, was genau wir beabsichtigten. Er fing tatsächlich an zu weinen, als wir ihm die Knochensäge zeigten und ihn herunterdrückten …

Aber das war alles vor langer Zeit. Seitdem hat er so gute Arbeit geleistet, all die Jahre geschlafen und geträumt, ohne Unterbrechung. Je länger man nämlich schläft, umso tiefer träumt man und umso weiter können die Drogen einen wegführen. Er träumt dieser Tage sehr tief und sehr stark. Ich weiß genau, dass er sehr stolz auf das wäre, was wir mit seiner Hilfe getan haben …«

»Da würde ich nicht drauf wetten«, sagte ich. »Nach dem, was Sie ihm angetan haben - sollte er jemals aufwachen, wird das das Ende Ihrer Welt sein.«

»Sie kennen ihn nicht so gut, wie wir es taten«, widersprach Nathaniel. »Er würde es verstehen. Er hat uns immer gesagt, es sei unsere Pflicht, hinauszugehen und die Welt zu verändern. Und wie wir immer bereit sein müssten, Opfer für das Gemeinwohl zu bringen. Und das taten wir. Wir opferten ihn. Wissen Sie, wir ringen immer noch darum, die Bedeutung dessen, was wir hier eigentlich tun, zu begreifen. Wir ruhen uns nicht einfach auf unseren Lorbeeren aus, o nein! Manchmal frage ich mich, ob nicht vielleicht die ganze Welt und alles darin nur ein Traum ist. Des Teufels Traum. Und das der Grund ist, weshalb der Professor in der Lage ist, darauf zuzugreifen und Teile davon zu ändern. Wenn das der Fall ist, dann müssen wir aufpassen, dass wir den Teufel mit unseren Veränderungen nicht stören, sonst könnten wir ihn aufwecken …«

»Na schön!«, sagte ich. »Das reicht. Sie sind ein Irrer! Ihr Leute wisst überhaupt nichts mit Sicherheit, oder? Alles nur Theorien und Vermutungen und unausgegorene, geklaute Gedankengebäude.«

»Wir lernen durch eigenes Handeln«, entgegnete Nathaniel mehr als nur ein bisschen blasiert. »Denn alles muss besser sein als die Welt, in der wir gezwungen sind zu leben. Deshalb müssen Sie sich uns anschließen, Edwin. Denn wir sind nicht der Feind, für den uns Ihre Familie immer ausgibt. Wir sind die Guten. Wir sind die letzte Hoffnung der Menschheit.«

»Das denke ich nicht«, sagte ich. »Ich habe die Berichte der Familie darüber gelesen, was Sie getan haben und versucht haben zu tun. Die Veränderungen, die Sie herbeizuführen versucht haben. Jede einzelne davon befasste sich damit, die Welt nach Ihrer Vorstellung neu zu erschaffen, nicht nach der Gottes. Veränderungen, um Ihre Anschauungen, Ihre Wünsche, Ihre Bedürfnisse zu fördern. Um die Kulissenschieber einflussreich und wichtig und zu einer mächtigen Stimme in den Angelegenheiten der Menschheit zu machen.«

»Natürlich«, stimmte Nathaniel mir zu. »Wie sonst können wir wirkliche Veränderung bewirken? Dauerhafte Veränderung?«

»Ihre Träume sind so klein!«, sagte ich. »So unbedeutend. Kein Wunder, dass Sie nie etwas erreicht haben, was von Bedeutung war. Ich werde mich Ihnen niemals anschließen!«

»Aber sicher werden Sie das«, meinte Nathaniel. »Genau genommen haben Sie das bereits. Die ganze Zeit über, in der sie so angenehm mit Bert geplaudert haben, waren wir hier unten und haben dem Professor ins Ohr gemurmelt, und der Rote König hat seinen kleinen Traum geträumt und die Veränderung so glatt vonstattengehen lassen, dass Sie sie nicht einmal bemerkt haben. Sie sind einer von uns, Edwin. Sie sind immer einer von uns gewesen.«

Ich sah an mir herab, und ich trug eine lange rote Robe, genau wie er. Genau wie Schwester Eliza. Natürlich trug ich sie. Es war dieselbe Robe, die ich immer trug, wenn ich hierherkam, um meine lieben Freunde bei den Kulissenschiebern zu besuchen. Seit Jahren arbeitete ich jetzt schon für sie, seit ich zum ersten Mal nach London gekommen war, ihr ganz eigener Maulwurf in der Drood-Familie. Es tat gut, wieder unter meinen Freunden zu sein, in meiner altvertrauten Robe, an diesem vertrauten Ort. Ich lächelte Nathaniel und Eliza zu, und sie lächelten zurück. Es tat gut, wieder zu Hause zu sein.

Das Einzige, was nicht hierhergehören zu schien … war meine Armbanduhr. Ich betrachtete sie dümmlich. Etwas an ihr nagte an meinem Verstand. Nathaniel redete mit mir, aber ich hörte nicht zu. Da war etwas mit der Uhr, etwas Wichtiges, etwas … Besonderes, an das ich mich erinnern sollte. Mein Torques brannte kalt um meinen Hals, als ob er versuchte, mich zu beschützen, wenngleich ich mir nicht denken konnte, wovor. Ich berührte die Armbanduhr mit der rechten Hand und ließ meine Fingerspitzen darüber wandern, ohne auf Nathaniels zunehmend ärgerliche Worte zu achten. Die Uhr, die der Waffenschmied mir gegeben hatte, bevor ich das Herrenhaus verlassen hatte. Die Umkehruhr, die die Zeit zurückspulen konnte …

Ich drückte auf den Knopf, und die Zeit blieb abrupt stehen und legte den Rückwärtsgang ein. Licht und Schall zuckten schmerzlich um mich herum, als die Uhr die jüngere Zeit umkehrte und mich kurz vor den Moment zurückbrachte, wo Nathaniel mir erzählte, dass ich verändert worden war. Und in diesem Moment, während die Zukunft noch anpassungsfähig und im Fluss war, zog ich meinen Repetiercolt und schoss Professor Redmond mitten zwischen die Augen.