»Ich hab die Schnauze voll!«, sagte er mit unverkennbarem East-End-Akzent. »Marcus zahlt uns nicht genug, um uns mit einem Drood anzulegen. Sie wollen den Mittelsmann sehen, Goldjunge? Folgen Sie mir!«
Er führte mich durch die überraschend saubere und ordentliche Küche, dieweil das Thaipersonal mit Mienen, die nicht im Geringsten unergründlich waren, meinen Abmarsch verfolgte. Es gibt Orte, wo Blicke töten können, aber das hier war zum Glück keiner davon. Der Oberkellner brachte mich hinten aus der Küche heraus und ging mit mir durch einen langen, schmalen Flur mit so gedämpftem Licht, dass er ausgesprochen düster war. Der Teppich war blutrot und die tiefvioletten Wände schienen einen von beiden Seiten zu erdrücken. Die ausgestopften Köpfe verschiedener Tiere, die daran angebracht waren und von überall auf einen herabstarrten, Großkatzen und afrikanische Wildtiere hauptsächlich, stellten die einzige Dekoration dar. Die Augen in den Köpfen bewegten sich langsam und folgten mir, als ich vorüberging. Nun, ich bin bizarre Scheiße gewohnt; schließlich bin ich im Herrenhaus aufgewachsen. Aber etwas an diesen Augen brachte mich echt aus der Fassung.
»Lassen Sie mich raten«, sagte ich lässig zu meinem Führer. »Wenn ich auf die Idee kommen sollte, irgendwelchen Ärger zu machen, dann sagen Sie einfach das Wort, und die Tiere, die an diesen Köpfen hängen, kommen plötzlich durch die Wände gekracht und gehen auf mich los, stimmt's?«
Der junge Thaikellner sah mich merkwürdig an. »Nein«, antwortete er. »Es sind nur Dekostücke. Der Boss hat sie als Ramschware gekauft, um den Ort ein bisschen freundlicher zu gestalten.«
»Tut mit leid«, sagte ich. »Liegt an der Gesellschaft, in der ich mich in letzter Zeit aufhalte.«
Wir erreichten das Ende des Flurs, und er klopfte kurz an die einzige Tür, ehe er sie öffnete und zurücktrat, um mich hineinzuführen. Ich trat ein, und sofort schloss er die Tür wieder von außen. Ich nahm es nicht persönlich. Der Raum war mehr als ausreichend groß, äußerst luxuriös, beinah dekadent. Dicke Teppichböden, Polstermöbel, überall Draperien und Zierkissen. Noch mehr gedämpftes Licht, aber nicht mehr düster, sondern gemütlich. In der Luft der süße Duft von Rosenöl und eine Andeutung von Opium. Und dort, auf dem großen kreisrunden Bett, gelehnt gegen ein halbes Dutzend Kissen, lag der Mittelsmann persönlich, Marcus Middleton. Er lächelte mich auf eine resignierte Weise an, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben.
Er trug einen modisch geschnittenen grünen Seidenpyjama und nippte an einer schlanken Champagnerflöte; dazu rauchte er ein schlankes, schwarzes Zigarillo, das in einer langen Elfenbeinspitze steckte. Tiefschwarzer Nagellack brachte seine langen, schlanken Finger besser zur Geltung. Er war hinlänglich gut aussehend, auf eine reife und verdorbene Art und Weise, mit glatt anliegendem schwarzem Haar, überraschend subtilem Make-up und sanften braunen Augen, die wirklich alles schon gesehen hatten. Er musterte mich einen Moment lang und winkte mich dann mit einem vagen Lächeln und einer matten Geste heran. Ich trat zum Fuß des Bettes hin und sah ihn an.
Das Bett war von Dutzenden von Telefonen umgeben, alle bequem in Reichweite, in einer Vielzahl von Stilen von viktorianischer Gotik bis hin zum unverblümt Futuristischen. Dazwischen befand sich eine nette Sammlung von Kristallkugeln, Zauberspiegeln und sogar eine Wahrsagelache in einem Nachttopf. Wenigstens hoffte ich, dass es eine Wahrsagelache war. Der Mittelsmann schickte sich an, etwas zu sagen, wurde aber vom plötzlichen Klingeln eines seiner Telefone gestört.
»Entschuldigen Sie, guter Junge«, sagte er gelassen. »Aber ich muss das entgegennehmen. Machen Sie es sich doch bequem!«
Er winkte mich zu einem Sessel hin, aber ich lehnte ab und blieb gegenüber von ihm stehen, meine goldenen Arme vor meiner goldenen Brust verschränkt. Es ist schwer, im Sitzen grimmig und imposant auszusehen, und ich brauchte jeden psychologischen Vorteil, den ich kriegen konnte. Der Mittelsmann seufzte theatralisch, schnippte etwas Asche von seinem Zigarillo über die Bettkante und hob ein Siebzigerjahre-Trimphone in kotzgelbem Plastik ab.
»Oh, hallo, Tarquin; was kann ich für dich tun? Zwerge … Also wirklich, Herzchen, ich habe dir erst letzte Woche gesagt, dass es eine Verknappung geben würde … Sie arbeiten alle bei diesem geschmacklosen neuen Fantasyfilm mit, den sie in den Elstree-Studios drehen. Und machen gutes Geld damit, wie ich gehört habe. Bist du sicher, dass du dich nicht mit Kobolden abfinden könntest? Bei einer Gruppenbuchung könnte ich dir einen richtig guten Preis machen … Müssen Zwerge sein. Ich verstehe. Na schön, überlass es mir, Schätzchen, und ich will sehen, was ich für dich tun kann.«
Er legte das Trimphone in anmutigem Bogen und einem Wirbel seines grünen Seidenärmels auf und blickte mich dann einen langen Moment lang an, während er noch einen Schluck Champagner nahm und einen tiefen Zug an seinem Zigarillo tat. Falls ihn meine Rüstung beeindruckte, so brachte er es wirklich gut fertig, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nun, hallo!«, sagte er schließlich und beehrte mich mit einem verschmitzten und entschieden selbstzufriedenen Lächeln. »Und welchen kleinen Drood haben wir hier?«
»Ich bin Edwin«, sagte ich schroff, »der neue Vogelfreie.«
»Wirklich? Wie aufregend … Es ist schon so lange her, dass jemand einen von euch auf die schiefe Bahn führen konnte. Kann ich Sie auch zu etwas verführen? Ich hätte ausgezeichneten Belugakaviar, oder vielleicht ein wenig marsianisches Rotgras? Raucht sich wie Samt … Nein? Es muss doch etwas geben, was ich Ihnen anbieten kann, damit Sie sich ein bisschen entspannen und mehr wie zu Hause fühlen. Wie wäre es, wenn ich ein hübsches Thaimädel oder einen Thaijungen hereinriefe?«
»Ganz bestimmt nicht!«, sagte ich. »Ich bin geschäftlich hier.«
»Wie überaus langweilig!« Der Mittelsmann zog vernehmlich die Luft ein. »Typisch Drood; ihr Leute wisst einfach nicht, wie man sich amüsiert. Es war wohl zu verwegen zu hoffen, Sie könnten aus Ihrer ekelerregend selbstgerechten Familie hinausgeworfen worden sein, um doch noch ein paar kultivierte Laster zu entwickeln. Also dann, was kann ich für Sie tun, guter Junge?«
»Sie haben über Jahre hinweg gelegentlich für die Drood-Familie gearbeitet«, begann ich vorsichtig. »Indem Sie uns halfen, genau den richtigen Spezialisten ausfindig zu machen, wenn wir einen für gewisse ungewöhnliche Operationen brauchten.«
»Ja, als ob ich das nicht wüsste, Süßer; Ihre Familie benutzt mich skrupellos und zahlt nie auch nur einen Penny. Ich tue, was man mir sagt, oder sie schließen meinen Laden. Und sie sind immer so fürchterlich grob zu mir. Ich weiß nicht, warum; ich stelle bloß eine Dienstleistung zur Verfügung. Ich bringe Leute gleicher Gesinnung zusammen für wechselseitigen Spaß und Profit. Was sie anschließend machen, geht mich nichts an.«
»Nein«, stimmte ich ihm zu. »Es ist Ihnen egal, wie viel Ärger und Leiden Sie verursachen; nichts von dem Blut, das am Ende vergossen wird, befleckt je Ihre zierlichen Finger. Sie ermöglichen schreckliche Dinge, übernehmen aber nie die Verantwortung für Ihre Handlungen.«
»Ach, wie überaus langweilig! Ein Drood-Philosoph! Aber trotzdem so etwas wie ein Mann der Tat, wie ich höre. Was Sie den Liebenden Chelseas, den Ärmsten, angetan haben, ist Stadtgespräch. Die werden Jahre brauchen, um den Boden wieder wettzumachen, den Sie sie gekostet haben. Nicht dass es mir etwas ausmachen würde, bewahre! Es macht mir nie etwas aus; ist schlecht für den Teint. Und ich kann mich auch des Gefühls nicht erwehren, dass den Liebenden meine kleinen Sünden viel zu fad für ihren extremen Geschmack finden würden. Ich hatte sowieso nie viel Zeit für Revolutionen, gleich welcher Art. Mir gefällt die Welt, so wie sie ist.« Er langte über seine Kopfkissen und nahm sich eine belgische Praline aus einer großen offenen Schachtel. Er steckte sie in den Mund, kaute einen Moment lang und gestikulierte dann vage mit einer schwarznagligen Hand in meine Richtung. »Wofür genau sind Sie hierhergekommen, guter Junge? Kommen Sie doch zur Sache! Ich bin mit wichtiger Lümmelei befasst und müsste damit weitermachen.«