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»Geht in Ordnung«, meinte Molly leichthin. Sie setzte sich an den Teichrand und zog die Finger träge durch das mit Seerosenblättern bedeckte Wasser. Fische kamen, um an ihren Fingerspitzen zu knabbern. Ich blieb stehen; im Sitzen wäre ich mir zu verwundbar vorgekommen. Molly blickte aus ihren dunklen, nachdenklichen Augen zu mir auf. »Wie passen Sie in das Ganze, Shaman? Damit spielen Sie doch weit über ihrer üblichen Liga. Wieso sollte ich glauben, was Sie mir da erzählen?«

»Weil ich Edwin Drood bin«, sagte ich. »Und immer gewesen bin.«

Ich rüstete hoch, und binnen eines Augenblicks überzog mich das lebende Gold. Molly sprang auf und funkelte mich mit wilden, gefährlichen Augen an. Ihr rubinroter Mund verzerrte sich vor Wut, während sie eine Hand hob und in Zauberspruchposition brachte. Ich zwang mich dazu, ganz still dazustehen, die Arme schlaff an den Seiten und die Hände so, dass deutlich zu sehen war, dass sie offen und leer waren. Sie stand da, sog scharf die Luft ein, und dann kam sie langsam wieder runter und ließ die Hand sinken.

»Nehmen Sie die Rüstung ab!«, sagte sie schroff. »Ich werde nicht mit Ihnen reden, solange Sie die Rüstung tragen!«

Ohne Rüstung wäre ich wehrlos. Sie könnte mich töten, mich foltern oder mich zu ihrem geistlosen Sklaven machen - alles Sachen, die sie mir in der Vergangenheit schon angedroht hatte. Andererseits war ich zu ihr gekommen, also musste ich eine Geste des Vertrauens machen. Der Verwundbarkeit. Ich sprach innerlich die Worte und machte mich auf das Schlimmste gefasst, als das lebende Metall in meinen Torques zurückverschwand. Molly schaute mich an, als ob sie nach Anzeichen für Verrat suchte, und ich erwiderte ihren Blick so gelassen, wie ich konnte. Molly nickte langsam und kam einen einzelnen Schritt näher.

»Ich habe gehört, was sich zugetragen hat, auf der Autobahn. Von all den Wesen, die Ihre Familie Ihnen auf den Hals gehetzt hat. In der ganzen Stadt fällt es den Leuten schwer zu glauben, dass Sie sie alle zurückgeschlagen haben. Ich meine, nichts für ungut, Edwin, aber … keiner in der Szene hätte je gedacht, dass Sie so gut sind. Hat einer der Elben Sie tatsächlich mit einem Pfeil angeschossen?«

Mit langsamen und vorsichtigen Bewegungen knöpfte ich mein Hemd auf und schob es zurück, um ihr die Pfeilwunde in meiner Schulter zu zeigen. Molly machte noch einen Schritt nach vorn, um die verheilte Verletzung genauer in Augenschein zu nehmen. Sie berührte mich nicht, doch ich konnte ihren warmen Atem auf meiner nackten Haut spüren, als sie sich nah heranbeugte. Sie zog sich wieder zurück und begegnete offen meinem Blick. Sie war größer, als ich sie in Erinnerung hatte, und ihre Augen waren fast auf einer Höhe mit meinen. Plötzlich lächelte sie, und es war kein nettes Lächeln.

»Soso, eine Drood-Rüstung ist also doch nicht unverwundbar. Das ist es wert zu wissen. Ich könnte Sie jetzt töten, Shaman. Edwin.«

»Ja«, sagte ich, »das könnten Sie. Werden Sie aber nicht.«

»Wirklich? Sind Sie sich da sicher?«

»Nein«, gab ich zu. »Sie waren noch nie … vorhersagbar, Molly. Aber ich bin nicht mehr Ihr Feind. Ich bin kein Drood: Ich bin vogelfrei. Damit ändert sich alles.«

»Kann sein«, meinte Molly. »Überzeugen Sie mich, Edwin. Ich kann Sie ja später immer noch umbringen, falls es mir langweilig wird.«

Ich entspannte mich ein klein wenig und knöpfte mein Hemd wieder zu. Geben Sie mir den kleinen Finger, und ich kann jeden zu allem überreden. »Sie haben in der Vergangenheit oft genug versucht, mich umzubringen«, fing ich an. »Wissen Sie noch, wie Sie mal das ganze Bradbury Building in die Luft gejagt haben, nur um mich zu kriegen? Ihr Gesichtsausdruck, als ich unversehrt aus den Ruinen spaziert kam! Ich dachte, Ihnen platzt jeden Moment die Schlagader!«

Lächelnd nickte Molly. »Wissen Sie noch, wie Sie mir mal drei Fuß verzauberten Stahl durch die Brust gejagt haben? Nur um dann festzustellen, dass ich, wie alle guten Zauberer, mein Herz wohlbehalten und sicher woanders aufbewahre? Ich dachte, Sie würden einen Anfall bekommen!«

»Wir haben gelebt, was?«, sagte ich trocken, und sie lachte kurz. »Wir können zusammenarbeiten«, fuhr ich fort. »Wir wollen in dieser Sache doch dasselbe, und wer sonst hat so viel gemeinsame Vergangenheit wie wir?«

»Das ergibt Sinn«, sagte Molly. »Auf eine verdrehte Art. Wer kennt uns besser als unsere Feinde? Obwohl ich zugeben muss, dass die Shaman-Bond-Geschichte schon etwas überraschend für mich kam.« Sie legte den Kopf ein bisschen schräg, wie ein Vogel, und betrachtete mich. »Warum sind Sie als Shaman zu mir gekommen? Sie hätten doch genauso gut in Ihrer verdammten Rüstung hier reinplatzen können, geschützt vor all meinen Zaubern, meine Verteidigungen zerschlagen und von mir verlangen können, dass ich Ihnen helfe.«

»Nein, hätte ich nicht«, sagte ich. »Sie hätten mir geantwortet, ich solle mich zum Teufel scheren.«

»Wahr, nur zu wahr. Sie kennen mich tatsächlich, Edwin.«

»Bitte - nennen Sie mich Eddie! Und außerdem wollte ich auf etwas Bestimmtes hinaus: Dass ich meine Geheimnisse mit Ihnen teilen würde, wenn Sie Ihre mit mir teilen. Sie wissen Dinge, Molly, die nur wenige andere Menschen wissen; Dinge, die Sie eigentlich nicht wissen sollten. Und es gibt Dinge, die ich über meine Familie wissen muss. Dinge, die sie vor mir geheim gehalten haben.« Ich schaute mich um. »Und ich würde wirklich gerne wissen, wie Sie einen Wald in Ihr Haus gekriegt haben!«

»Weil ich die wilde Hexe bin! Ich bin das Lachen in den Wäldern, das Versprechen der Nacht, die Wonne der Seele und die Verwirrung der Sinne. Und weil ich einen wirklich guten Innendekorateur angestellt habe. Sie haben mich nie richtig eingeschätzt, Edwin.«

»Eddie, bitte!«

»Ja … Sie sehen wie ein Eddie aus. Nun, wenn es wirklich Antworten sind, was Sie wollen, dann blicken Sie in meinen Wahrsageteich. Aber geben Sie nicht mir die Schuld, wenn die Wahrheit, die Sie erfahren, eine Wahrheit ist, die Sie lieber nicht kennen würden!«

Molly setzte sich wieder neben ihren Teich und raffte ihr langes weißes Kleid um sich herum zusammen, und ich kauerte mich vorsichtig neben sie. Das ganze Ding war ein Wahrsageteich? Es hatte gut und gern sechs Meter von einer Seite zur anderen, was es höllisch leistungsfähig machen musste. Molly klatschte mit der flachen linken Hand auf die Wasseroberfläche, und die kleinen Wellen breiteten sich aus und schoben die Seerosenblätter an den Rand des Teichs. Das kristallklare Wasser schimmerte und strahlte dann hell wie die Sonne, blendete meine Augen, bevor es sich abrupt klärte und mir das Bild eines Mannes und einer Frau zeigte, in zwei verschiedenen Räumen, die am Telefon sprachen. Ich beugte mich vor, als ich sie erkannte: Der Mann war der britische Premierminister; die Frau war Martha Drood.

»Sie können ins Herrenhaus sehen?«, fragte ich, und meine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. »Das sollte eigentlich nicht möglich sein!«

»Ist schon gut!«, beruhigte mich Molly. »Sie können uns weder sehen noch hören. Aber jetzt sperren Sie die Ohren auf und geben Sie Acht! Das hier müssen Sie hören!«

»Nun passen Sie mal auf, das ist Ihr Schlamassel!«, sagte der Premierminister gerade wütend. »Drood-Agenten, in voller Rüstung, die vor den Augen der Öffentlichkeit gegeneinander kämpfen? Gott sei Dank haben die Medien keinen Wind davon bekommen! Haben Sie auch nur eine annähernde Vorstellung davon, welches Aufwands es bedarf, um das wieder in Ordnung zu bringen? Der Wiederaufbau, das Zeugeneinschüchterungsprogramm, die Schweigegelder? Und das alles nur, weil Sie sich nicht selbst um Ihre Drecksarbeit kümmern konnten!«