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»Unterstehen Sie sich, mich vor meinen Freunden in Verlegenheit zu bringen!«

»Das ist ein Freund? Mr. Stich? Wissen Sie, wie viele Frauen wie Sie er umgebracht hat?«

»Aber mir hat er nie etwas zuleide getan, und auch keiner meiner Freundinnen, und er war für mich da, wenn ich ihn brauchte. Selbst Monster sind nicht immer Monster, schon vergessen? Ich habe in meiner Zeit aus scheinbar guten Gründen getötet, und bei Ihnen ist es nicht anders. Glauben Sie wirklich, die Welt sieht Sie irgendwie anders als ihn? Wie viele trauernde Familien haben Sie in ihrem blutigen Kielwasser hinterlassen, Edwin Drood?«

Ich atmete langsam und tief durch und zwang mich zu einer Art Ruhe. Ich war wegen Antworten hierhergekommen, und die, die ich brauchte, konnten nur freiwillig gegeben werden. Ich nickte Molly fahrig zu, und sie ließ meinen Arm los. Wir drehten uns wieder zu den anderen um.

»In meiner Familie gibt es einen Verräter«, sagte ich steif. »Ich wäre dankbar für jede Information, die Sie mir geben können.«

»Wie dankbar?«, wollte U-Bahn-Ute wissen. »Sprechen wir von ernst zu nehmenden Summen?«

»Meinen Sie wirklich, ich würde hier stehen und mit Ihnen reden, wenn ich ernst zu nehmende Summen besäße?«, versetzte ich ein kleines bisschen schroff. »Ich bin vogelfrei, verfemt, geächtet. Alles, was ich habe, ist das, worin ich morgens aufstehe.«

»Ich bin sicher, dass wir irgendwie ins Geschäft kommen könnten«, meinte das Blumenmädchen mit ihrer hauchigen Stimme, zwinkerte mir zu und verdarb dann die Stimmung, indem sie kicherte.

»Es gibt einen Verräter im Herzen der Droods«, sagte Buddler Browne. »Das ist Allgemeinwissen. Aber ich glaube nicht, dass irgendwer weiß, um wen es sich handelt.«

»Eine Menge Leute haben Namen genannt«, sagte Mr. Stich. »Aber das ist alles bloß Herumgerate. Eine Menge Leute waren der Meinung, Sie könnten es sein, Edwin. Ein Frontagent, der auf eigene Rechnung arbeitet, weit entfernt von der zentralen Drood-Kontrolle, der einzige Drood, der je von zu Hause fortgelaufen und nicht von seiner Familie wie ein Hund zu Tode gehetzt worden ist. Es haben nur deshalb nicht alle gedacht, Sie wären es, weil das zu offensichtlich gewesen wäre.«

»Und keiner von Ihnen weiß, wieso man mich zum Vogelfreien gemacht hat?«

»Ich habe hin und wieder ein paar Arbeiten für Ihre Familie verrichtet«, sagte Buddler. »Ich hätte geschworen, dass Sie deprimierend peinlich sauber sind, wie die meisten in ihrer Familie. Na gut, stimmt schon, sie leiten die Welt und das alles, aber -«

»Auch ich habe Arbeit für die Droods verrichtet«, sagte Mr. Stich. Er lächelte mich schief an. »Fast jeder hier hat das, das ein oder andere Mal. Es ist die Welt der Droods; wir leben nur darin.«

»Wir würden uns nie mit Abschaum wie Ihnen abgeben!«, versetzte ich, aber es überzeugte mich selbst nicht. Ich wusste nicht mehr, wozu meine Familie fähig war.

»Es gibt viele wie uns«, sagte Molly vorsichtig. »Man erlaubt uns, tätig zu sein, solange wir das Boot nicht zu stark zum Schaukeln bringen. Solange wir den Zehnten bezahlen oder ihnen ab und zu einen Dienst erweisen. Schmutzige Aufträge, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Fälle; die Art, für die ihr regulären Frontagenten nicht geeignet seid. Die Art, von der ihr nie erfahren sollt, weil sie sonst eure kostbare Ehre beschmutzen könnte. Wir alle haben schon die Drecksarbeit der Droods erledigt. Deshalb sind wir auch alle so bereit, sie zu Fall zu bringen.«

In meinem Kopf drehte sich alles. Mir war übel. War es wirklich möglich, dass ich mein ganzes Leben damit verbracht hatte, einer Lüge Vorschub zu leisten? War mir jetzt wirklich noch etwas übrig geblieben, außer meine eigene Familie zu Fall zu bringen?

Kapitel Zwölf

Vom Berg der Läuterung zur Hölle

Es gibt Momente im Leben jedes Mannes, wo die Frau, mit der er sich eingelassen hat, sich plötzlich das Näschen pudern muss und verschwindet und es ihm überlassen bleibt, höfliche Konversation mit ihren Freunden zu machen. Ich persönlich würde mir lieber Nadeln in die Augen stecken, aber es gehört halt zu den Dingen, um die man einfach nicht herumkommt. Molly Metcalf holte ein Einmalhandy heraus und begab sich zur Damentoilette, sodass sie ihre Kontaktperson beim Manifesten Schicksal erreichen konnte, ohne von allen anderen im Club wütend angestarrt zu werden. Ich hieß ihren Sinn für Vorsicht gut. Einmaltelefone sind Telefone, die man nur einmal benutzen kann und anschließend sofort aufgibt und zerstört. Ein Anruf, der nicht abgehört, und ein Telefon, dass nicht aufgespürt werden kann. Es war gut zu wissen, dass das Manifeste Schicksal professionell zu Werke ging. Aber es bedeutete auch, dass ich mit Mollys Freunden allein gelassen wurde, von denen ich die meisten vor ein paar Tagen noch beim ersten Anblick zu töten versucht hätte. Und umgekehrt genauso, sehr wahrscheinlich. So standen wir da und lächelten einander verlegen an, während das Einzige, was wir miteinander gemein hatten, in ›Damen‹ verschwand.

»Sie sagen also«, wandte ich mich schließlich an den Ghul, Buddler Browne, als den am wenigsten Beunruhigenden des Haufens, »dass Sie gelegentlich für meine Familie gearbeitet haben?«

Er zuckte ungezwungen mit der Schulter. »Ich helfe aus, wenn ich dazu aufgefordert werde. Der Preis des Lebens in diesen schweren Zeiten. Der Status meiner Sippe ist nicht mehr das, was er einst war, als wir noch einen angesehenen Platz in der Gesellschaft hatten, weil wir das Durcheinander aufräumten, das die zahlreichen Schlachten der Menschen zurückließen … Heutzutage zieht uns Ihre Familie nur noch hinzu, wenn es darum geht, die Leichen zu verschlingen, deren anderweitige Beseitigung sie als zu kostspielig oder zu gefährlich erachtet. Sie wissen schon - die Sorte, die wiederauferstehen oder sich neu bilden oder zu Sondermüll zerfließen könnte. Es gibt nicht viel, was ein Ghul nicht verdauen kann. Allerdings müssen unsere Toiletten zugegebenermaßen gründlicher als die meisten -«

Ich hob die Hand. »Ich glaube, wir nähern uns rapide dem Punkt von zu viel Information. Was meinen Sie zu den Droods? Oder zu dieser neuen Widerstandsgruppe, dem Manifesten Schicksal?«

Erneut zuckte Buddler die Schulter. »Die Namen ändern sich, Gesichter kommen und gehen, aber irgendjemand hat immer das Sagen. Einen stichhaltigen Beweis dafür, dass das Manifeste Schicksal netter als die Droods oder gerechter wäre, hat mir bisher noch niemand vorgelegt … Aber es interessiert mich auch nicht wirklich. Wer den Laden auch schmeißt, es wird immer Arbeit für mich und meine Art geben.«

Ich wandte mich, ein bisschen widerwillig, an Mr. Stich. Er trank mit abgewinkeltem kleinem Finger einen Perrier, jeder Zoll der gelassene und kultivierte Gentleman. Ich hatte einmal geholfen, eins seiner Opfer aus der Themse zu fischen, unten bei Wapping. Sie war ausgeweidet worden, aufgeschnitten vom Hals bis zum Schritt, und alle inneren Organe waren entfernt worden. Er hatte auch noch andere Sachen mit ihr gemacht, bevor er sie endlich getötet hatte. Der einzige Grund, weshalb ich ihn nicht auf der Stelle in Stücke riss, war, dass Molly sich darüber aufregen könnte, und ich brauchte sie auf meiner Seite. Im Augenblick.

»Ich habe gehört, man hat Sie mit einem Pfeil angeschossen«, sagte er ruhig. »Direkt durch Ihre viel gepriesene Rüstung.«

»Neuigkeiten verbreiten sich schnell, nicht wahr?«, antwortete ich, sorgsam darauf bedacht, weder zu leugnen noch zu bestätigen. »Aber ich bezweifle, dass Sie etwas haben, was mir etwas anhaben könnte.«

»Sie wären vielleicht überrascht«, sagte Mr. Stich. »Aber Sie sollten wirklich versuchen, sich zu entspannen, Edwin. Von mir droht Ihnen keine Gefahr, solange Sie mit Molly zusammen sind. Ein liebes Mädchen und eine alte Freundin; ich würde sie nur äußerst ungern verärgern.«