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»Ich wurde vor vier Jahren rekrutiert«, berichtete Molly. »Von Solomon Kriegk.«

»Nun, von dem habe ich gehört«, sagte ich. »Der Golem mit dem Atomgehirn, stimmt's? Im Kalten Krieg ein Versuch, Zauberei und Wissenschaft zu kombinieren, um einen Kalter-Krieg-Supersoldaten hervorzubringen. Tödlich zu seiner Zeit und eine Legende in jenen geheimen Kriegen, von denen die Öffentlichkeit nie etwas erfährt; aber nach dem, was ich zuletzt gehört habe, ist er vom Frontdienst abgezogen worden.«

»Das ist er auch«, bestätigte Molly, »vor über zehn Jahren. Seine alten Herren brauchten ihn nicht mehr, aber man konnte ihn nicht einfach frei rumlaufen lassen, also haben sie ihn hier runtergeschickt, um die Bunker zu bewachen. Es heißt, sie haben ihn hier eingesperrt und dann sämtliche Kombinationen geändert, für alle Fälle. Das Manifeste Schicksal hat ihn gefunden, als sie hier eingezogen sind, wie er immer noch Wache stand, und Truman nahm ihn und gab ihm einen neuen Zweck. Der Golem mit dem Atomgehirn dient einer neuen Sache und einem neuen Glauben, und er würde für Truman sterben. Eine Loyalität wie diese kann man nicht kaufen.

Also durchstreift Solomon Kriegk die verborgenen Orte dieser Welt, ihre geheimen Schlupfwinkel und Clubs, und wirbt Leute wie mich als Verbündete für seine neue Sache an. Mich hat er im Wolfskopf gefunden. Er kann … sehr überzeugend sein. Und da ist er auch schon, direkt vor uns, und bewacht das Versteck seines Meisters.«

Mit sichtbarer Erleichterung und nicht geringer Eile übergab uns unser soldatischer Führer Solomon Kriegks Obhut und brachte gerade noch einen flüchtigen Gruß hin, bevor er auf seinen Posten am Eingangsportal zurückhastete. Ich musterte Kriegk unverhohlen. Eine Legende für sich genommen, die schrecklichste Geheimwaffe, die der britische Geheimdienst je hervorgebracht hatte. Der englische Assassine, der amerikanische Butzemann: Solomon Kriegk hatte viele solcher Namen über die Jahre hinweg. Aber an dem Golem mit dem Atomgehirn war nichts Romantisches. Auf seine Art war er fast so beunruhigend wie Mr. Stich. Ein Killer ohne Gewissen, ohne Mitgefühl und, wie viele sagten, ohne Seele. Der größte Geheimagent von allen, denn er würde absolut alles machen und niemals seine Befehle infrage stellen. Er war eine Schreckenswaffe aus der kältesten Zeit des Kalten Krieges, entworfen, um denjenigen, gegen die er vorging, dermaßen Angst einzujagen, dass sie sich die Hosen vollmachten.

Es war ein sehr kalter Kalter Krieg gewesen. Alle machten damals schreckliche Dinge.

Kriegk war ein wenig über eins achtzig groß, hatte pechschwarze Haare und eine blasse, farblose Haut, die auf schaurige Weise mit seiner schwarzen Uniform kontrastierte. Er war muskulös, aber nicht über die Maßen. Daher kam seine Kraft nicht. Kriegk war aus Lehm geschnitzt, mit uralten Zaubern zu Fleisch gemacht und anschließend mit implantierten Mechanismen überladen worden. Die beste Technologie seiner Zeit. Mitten über seine Stirn verlief eine lange, tiefe Narbe, die auf den alten Fotos, die ich von ihm gesehen hatte, normalerweise von Schminke verdeckt war. Es sah aus, als hätten sie ihm gerade die Schädeldecke abgesägt, ihr erstaunliches Atomgehirn hineingesteckt und dann den Deckel wieder draufgeballert. Es war kein subtiles Zeitalter damals.

Wie er einfach so vor uns stand, ruhig und gesammelt, das bleiche Gesicht bar jeder Emotion, sah Kriegk gefährlich aus. Wie eine zusammengeringelte Schlange oder ein kauernder Tiger, bereit, ohne Warnung jeden Moment zuzuschlagen und zu töten. Ich brauchte ihn nur anzusehen, und schon glaubte ich jede Schreckensgeschichte, die ich über ihn gehört hatte. Als er endlich sprach, war seine Stimme ein raues Wispern, gefühllos und ohne Modulation.

»Edwin Drood«, hob er an, und nur meinen Namen mit solch einer kalten Stimme ausgesprochen zu hören war, wie der Verkündung meines eigenen Todesurteils beizuwohnen. »Es ist richtig, dass Sie zu uns kommen. Nun, da Sie ein Vogelfreier sind. Sie verstehen, wie es ist, von denen verraten zu werden, denen Sie Ihr Leben geweiht haben. Sie müssen Mr. Truman kennenlernen. Er ist ein Mann mit Visionen und Bestimmung. Sie können ihm vertrauen.«

»Nun«, antwortete ich, »das ist gut zu wissen. Können meine Gefährten mitkommen?«

Solomon Kriegk betrachtete sie flüchtig mit seinem kalten, ungerührten Blick. »Sofern sie sich benehmen. Sie verstehen: Wenn sie aus der Reihe tanzen, werde ich ihnen unter Umständen den Hintern versohlen müssen.«

»Nur zu!«, sagte ich. »Ich werde Ihren Mantel halten.«

»Na, na, Solomon!«, sagte Molly. »Sie müssen sich doch an mich erinnern! Schließlich waren Sie es doch, die mich vor vier Jahren zum Manifesten Schicksal gebracht haben. Im Wolfskopf; wissen Sie noch?«

»Nein«, sagte Solomon Kriegk.

Er führte uns durch einen weiteren Stahlkorridor, um eine Ecke und in ein schlichtes, privates Büro. Und dort, hinter einem schlichten Schreibtisch, saß der Kopf des Manifesten Schicksals. Anführer der Widerstandsbewegung gegen die alte und mächtige Herrschaft der Droods. Er saß mit dem Rücken zu uns in seinem Drehstuhl und behielt ein Dutzend Bildschirme im Auge, die ihn mit Informationen bombardierten. Der Art nach zu urteilen, wie er seinen Kopf langsam hin und her bewegte, schien er alles in sich aufzunehmen, obwohl es für mich nur ein Gewirr aus zusammengemischten Geräuschen war. Er ließ uns eine Weile warten, nur um uns daran zu erinnern, wer hier der Boss war, und dann winkte er mit einer Hand in Richtung der Bildschirme, und alle schalteten sich gleichzeitig aus. Bedächtig drehte er sich herum, um uns anzusehen, indes Solomon Kriegk Stellung an seiner Seite bezog. Truman hatte ein breites, freundliches Gesicht, aber das war es nicht, was meine Blicke anzog. Ich hatte in meiner Zeit manchen seltsamen Anblick erlebt, aber was Truman mit sich angestellt hatte, war wahrhaft außergewöhnlich.

Aus seinem rasierten Kopf ragten, strahlenförmig und in regelmäßigen Abständen, lange Stahlstäbe fast vierzig Zentimeter weit heraus, verbunden durch ein breites Stahlband, wie ein großer Nimbus aus Metall. So, wie die Haut um die Eintrittsstellen der Stäbe herum Falten bildete, war davon auszugehen, dass sie sich schon eine Zeit lang dort befanden. Das Gewicht dieser Konstruktion musste entsetzlich sein, doch Truman zeigte keine Anzeichen von Belastung. Mein erster Gedanke war, dass er einen Unfall gehabt hatte und dies eine Art Kopfstütze war, aber der Stolz in seinen Augen und in seiner Körperhaltung legte eine andere Erklärung nahe.

Schauen Sie sich an, was ich mit mir gemacht habe!, sagte sein Gesicht. Ist es nicht großartig?

»Ja«, sagte er mit tiefer, befehlsgewohnter Stimme. »Es ist alles mein eigenes Werk. Ich selbst habe die Löcher in meinen Schädel gebohrt, die Stahlstäbe einen nach dem andern eingeführt und sie eine präzise Strecke in mein Gehirn hineingedrückt, wobei ich meinen eigenen, sehr sorgfältigen Berechnungen folgte. Und dann musste ich sie nur noch am Ende mit einem verstärkenden Ring verbinden, und ich wurde der erste Mensch, der das wahre Potenzial des menschlichen Gehirns erkannte. O ja, meine Freunde, diese Dornenkrone dient einem ganz bestimmten Zweck!«

»Wirklich?«, sagte ich. »Ich bin ja so froh, das zu hören!«

»Es erwuchs alles aus meinem Interesse für Akupunktur und Trepanation«, fuhr er in seiner vorbereiteten Rede fort, als ob er mich nicht einmal gehört hätte, und vielleicht hatte er das auch nicht. »Die Stäbe in meinem Gehirn aktivieren die Energiezentren, erweitern meine Gedanken und vergrößern die Kraft meines Geistes über alle normalen Grenzen hinaus. Mein Gehirn ist jetzt jedem Computer ebenbürtig, dazu in der Lage, unglaubliche Mengen an Informationen zu speichern, Entscheidungen in unerhörter Geschwindigkeit zu treffen und so viele Aufgaben gleichzeitig auszuführen, dass Sie es nicht für möglich halten würden. Mein Kopf enthält die gesamte Organisation des Manifesten Schicksals, bis hinunter zum kleinsten Detail. Nichts entgeht mir.