Tja, ganz recht, sagte ich.
Wie dem auch sei, meine Familie hat immer die besten Informationen, und der wiedergeborene Pendragon war schnell als ein gewisser Paul Anderson identifiziert, ein junger Angestellter einer Werbeagentur mit Sitz in Devon. Wie sich herausstellte, war der einzige Drood-Agent in dieser Gegend nach einem äußerst bedauerlichen Zwischenfall, in den eine der lokalen einflussreichen Personen, Joan das Euter, verwickelt war, immer noch arbeitsunfähig, also schickte man mich hin, um einzuspringen, mit der Begründung, dass ich der einzige Außendienstagent war, der gegenwärtig nicht an einem Fall arbeitete. Die Familie konnte mich nicht dorthin teleportieren, denn ein solcher Zauber hätte entdeckt werden und unser Interesse verraten können. Deshalb musste ich den Zug von London nach Devon nehmen, und das ist eine verflucht lange Reise.
Die Familie war nicht einmal bereit, eine Erste-Klasse-Fahrkarte springen zu lassen.
Aber ich kam als Erster bei Paul Anderson an, erklärte ihm die Lage, so gut ich konnte, zeigte ihm meine Rüstung, um zu beweisen, dass ich nicht verrückt war, und überredete ihn dazu, mit mir ins Herrenhaus zurückzukommen, um weitere Tests durchzuführen. Nur um sicherzugehen, dass er der wahre Jakob war. (Sie wären erstaunt, wie viele Thronprätendenten jedes Jahrhundert auftauchen. Und von dem verdammten Fischerkönig will ich gar nicht erst anfangen.) Genau genommen war Paul ziemlich erleichtert. Offenbar hatte er wiederholt sehr lebhafte Träume von Rittern in Rüstung gehabt, die auf rauen Schlachtfeldern blutig zusammenstießen - was für einen jungen Mann mit Aufstiegschancen in der Werbebranche ein bisschen beunruhigend war.
Und dann kreuzte Molly auf. Schrie, Paul solle sich verdammt noch mal von mir fortschaffen, schimpfte mich einen Lügner und faschistischen Handlanger und drängte ihn dann mit dem Rücken an die Wand seines eigenen Wohnzimmers, während sie ihn mit all ihren besten Argumenten förmlich erschlug. Ich argumentierte in meiner Ecke nicht weniger heftig, und bald brüllten Molly und ich uns gegenseitig ins Gesicht. Leider gelang es uns damit nur, Paul völlig kirre zu machen, bis er seinerseits uns beide anschrie, wir sollten aus seinem Haus und aus seinem Leben verschwinden und ja nie wiederkommen. Molly war es nicht gewohnt, überschrien zu werden, also schlug sie mit ihrem besten Zweifelzerstreuungszauber auf ihn ein und zwang damit seine ererbte Kernpersönlichkeit an die Oberfläche.
Und das war der Moment, wo alles den Bach runter ging.
Der Zauber traf etwas in Paul Anderson, weitete sich völlig unkontrolliert aus und jagte das Häuschen, in dem wir standen, in die Luft. Zuerst dachte ich wirklich, Molly und ich hätten es wieder verbockt, aber als der Rauch sich lichtete, standen wir alle drei wohlauf und munter in den Trümmern des Häuschens. Ich in meiner Rüstung, Molly in ihrem Schutzschild und Paul Anderson in geschwärzten und zerrissenen Kleidern, aber mit einem ganz neuen Ausdruck in seinem Gesicht. Molly nutzte den Moment, um mich anzugreifen, fest entschlossen zu verhindern, dass die Droods diesen wiedergeborenen Pendragon beeinflussen und kontrollieren würden. Ich wehrte mich natürlich, und während wir beide abgelenkt waren, spazierte der neue Pendragon einfach fort in die Nacht hinein.
Der erste Hinweis, den Molly und ich darauf erhielten, dass etwas schrecklich schiefgelaufen war, war, dass der Wald auf dem Hügel hinter dem Häuschen explodierte. Wir stellten unsere Versuche, einander umzubringen, ein und schauten uns um, und so weit meine Blicke reichten, stand der ganze Horizont in Flammen, und die jahrhundertealten brennenden Bäume hoben sich hell gegen den Nachthimmel ab. Die Flammen schlugen hoch, wild und boshaft, geschürt von mehr als nur Naturkräften. Molly und ich einigten uns auf eine sehr einstweilige Waffenruhe und gingen den Hügel hoch, um nachzusehen, was zum Teufel los war. Nie werde ich den ersten Anblick des Mannes vergessen, der Paul Anderson gewesen war, wie er lachend in den Flammen stand, verwandelt und umgestaltet, unberührt von der entsetzlichen Hitze, und uralte und furchtbare Zaubersprüche in einer vergessenen Sprache sang.
Wie sich herausstellte, hatten die Präkogs und Medien es nur zur Hälfte richtig mitbekommen, wie üblich. Paul Anderson war eine Pendragon-Wiedergeburt, so weit, so gut - aber nicht Artus. Paul war Mordred, Sohn von Artus, wieder da, um seine Bosheit auf der Welt zu verbreiten.
Vorsichtig näherten Molly und ich uns ihm. Wir wussten beide, wer er war, wer er sein musste. Ich dachte bereits ernsthaft darüber nach, Verstärkung anzufordern. Falls Mordred seine volle Macht wiedererlangt hatte, spielte er in einer ganz anderen Liga als ich. Zum Glück hatte Mollys Zauber ihn verfrüht zurückgebracht, und er war immer noch ziemlich verwirrt. Ansonsten hätte er nie einen so elementaren Angriffszauber gegen meine Rüstung losgelassen. Die Rüstung warf den Zauber genau auf ihn zurück und sprengte seine noch ungeschützte menschliche Gestalt in Stücke. Nichts blieb von ihm übrig außer blutigen Klumpen, die sich im weiten Umkreis verteilten.
Molly verschwand, während ich damit beschäftigt war, eine Truppe zu organisieren, die sich um den Waldbrand kümmerte.
Und diesmal war die Familie richtig stinkig.
Das war so ziemlich das Muster über die Jahre. Molly und ich tauchten auf, um irgendeine wichtige Person oder einen wichtigen Preis für uns zu beanspruchen, bei jeder Auseinandersetzung immer auf verschiedenen Seiten und mehr als bereit, uns gegenseitig umzubringen, um zu verhindern, dass der andere mit dem Preis oder der Person entwischte. Manchmal gewann ich, manchmal sie, aber alles in allem waren die Trümpfe gleichmäßig verteilt, würde ich schätzen. Ich kann nicht sagen, dass ich sie jemals wirklich gehasst hätte, und ich war erleichtert zu erfahren, dass es ihr genauso ging. Es war immer nur rein geschäftlich für uns beide, nur die Arbeit, nichts Persönliches. Außer dass es auf eine seltsame Weise irgendwann doch persönlich wurde. Wenn man jemanden wirklich kennen- und bewundern lernen will, gibt es nichts Besseres, als wiederholt zu versuchen, ihn zu töten. Um seine Qualitäten schätzen zu lernen.
»Wie viele Leute haben Sie umgebracht, Eddie?«, fragte Molly irgendwann, während sie die Knie an die Brust zog und die Arme darum legte.
Ich zuckte mit den Schultern. Die Frage als solche brachte mich nicht in Verlegenheit; es war einfach nichts, worüber ich jemals nachgedacht hatte. »Ich habe vor Jahren aufgehört zu zählen. Und Sie?«
»Überraschend wenige, alles in allem. Es ist eine große Sache, jemand zu töten. Man tötet ja nicht nur den, der er ist, sondern auch alle, die er vielleicht noch werden würde, und alles, was er vielleicht noch getan hätte.«
»Manchmal ist das der springende Punkt«, sagte ich. Es war mir wichtig, dass sie es verstand. Dass ich ein Agent war, kein Mörder. »Ich denke gern, dass ich immer nur aus Notwehr getötet habe, oder um die Welt zu beschützen. Um zukünftiges Leiden oder Töten zu verhindern. Aber am Ende … war meine Aufgabe nur, alles zu machen, was meine Familie mir sagte. Und das tat ich, denn ich vertraute ihnen. Wenn sie mir sagten, jemand müsse getötet werden, dann ging ich immer davon aus, dass sie einen guten Grund dafür hatten. Zu meiner Verteidigung würde ich anführen, dass sie meistens recht hatten und das ganz offensichtlich. Ich habe in meiner Zeit so manchen wirklich üblen Scheißkerl getötet. Ich könnte Ihnen Namen nennen …«
»Wahrscheinlich kenne ich sie schon«, sagte Molly. »Sie haben einen ziemlichen Ruf, Eddie.«
»Ich weiß. Einst war ich stolz darauf. Aber nicht nur als Killer, hoffe ich?«
»Naja … größtenteils. Der diskreteste Agent waren Sie nie, Eddie.«
»Sie scheinen ja eine ganze Menge zu wissen!«, sagte ich lässig. »Bei den meisten meiner Aufträge war ich drin und wieder draußen, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Das ist das Merkmal eines guten Agenten: Er führt seinen Auftrag aus, und niemand erfährt je, dass er da war.«