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»Helme sind für Weicheier!«, rief Molly über das Motordröhnen der Vincent nach hinten und lachte fröhlich. »Halt dich fest, Eddie!«

»Ich könnte wetten, du bist nicht versichert!«, sagte ich.

* * *

Wir schlängelten uns durch fahrende Autos, als ob sie stillstünden, und erhöhten dabei konstant die Geschwindigkeit. Taxifahrer schrien Beleidigungen, Ladenfronten sausten verschwommen zu beiden Seiten vorbei. Wir hatten schon so oft die Richtung gewechselt, dass ich keinen Schimmer mehr hatte, wo wir eigentlich waren. Ein großer roter Londoner Bus zog direkt vor uns heraus, denn Londoner Busse gewähren nichts und niemandem Vorfahrt, und das Herz sprang mir fast aus der Brust, als Molly den Motor hochjagte und wie ein Lemming auf Amphetaminen durch die sich verengende Lücke schoss. Ich könnte sogar geschrien haben, ein kleines bisschen.

»Versuch, dich mit mir in die Kurven zu legen, Eddie!«, rief Molly vergnügt nach hinten. »Dann kann ich viel leichter manövrieren!«

Wir brausten mit Furcht einflößendem Tempo über Kreuzungen und straften rote Ampeln mit Verachtung. Die Maschine neigte sich hierhin und dorthin, fuhr im Zickzack und sprang von einer Seite auf die andere, während sie in den Verkehr ein- und aus ihm hinaustauchte und für niemanden langsamer machte. Es wäre recht erheiternd gewesen, wäre ich gefahren. So aber konnte ich mich bloß mit meinem gesunden Arm festklammern und eine Reihe hoffnungsvoller Stoßgebete zu Sankt Christophorus, dem Schutzpatron der Reisenden, hochschicken. Er wurde zwar neulich offiziell außer Dienst genommen, aber mich hat niemand um Erlaubnis gefragt, also …

Zum ersten Mal merkte ich, dass wir verfolgt wurden, als eine Kugel direkt an meinem Ohr vorbeipfiff. Ich packte Molly fester und riskierte einen Blick nach hinten: Zwei große schwarze Wagen näherten sich uns schnell. Sie mussten wirklich schwer gepanzert sein, denn sie erhöhten die Geschwindigkeit, indem sie alles vor sich beiseiteschoben und -stießen. Wo kein Platz war, fuhren die großen schwarzen Wagen einfach über das, was ihnen im Weg war, hinweg, wobei sie kleinere Fahrzeuge wie Panzer zerquetschten. Andere Fahrer wurden von der Straße gedrängt oder so eingeschüchtert, dass sie plötzlich Abzweigungen nahmen, die sie gar nicht gewollt hatten. Der Verkehr zwischen den schwarzen Wagen und uns nahm rapide ab, und aus den dunkel getönten Fenstern der beiden Wagen lehnten sich Männer und feuerten mit automatischen Waffen auf uns. Zum Glück ist das sehr viel schwieriger, als es in den Filmen immer aussieht.

Ich drehte mich wieder um und schrie Molly ins Ohr. »Manifestes Schicksal, direkt hinter uns! Und sie schießen auf uns!«

»Tatsächlich hatte ich das schon bemerkt! Bist du sicher, dass es nicht deine Familie ist?«

»Hundertpro! Die würden keine Gewehre benutzen; die würden etwas viel Extremeres benutzen!«

Molly ließ die Maschine um eine enge Kurve fliegen und legte sich dabei ganz auf die Seite. Ich tat mein Möglichstes, um ihr zu helfen und mich mit ihr hinauszulehnen, aber alles was ich tun konnte, war mich mit einem Arm festzuhalten. Einen Moment lang schien der Boden furchtbar nah zu sein. Molly rang die Vincent wieder senkrecht und gab Vollgas. Wir donnerten die Straße entlang, schossen wie ein geölter Blitz zwischen erschreckten Autos hindurch, manchmal so dicht, dass wir ihnen den Lack mit unseren Seitenspiegeln verkratzten, und die ganze Zeit über wichen wir Gewehrfeuer von hinten aus. Sie fingen an, sich einzuschießen. Ich drehte mich auf dem Ledersitz um und riskierte noch einen Blick nach hinten. Wie Rammen schoben die schwarzen Wagen alles, was ihnen im Weg war, zur Seite, und was keinen Platz machte, wurde zu Schrott gefahren. Ins Schleudern geratene Zivilfahrzeuge krachten ineinander, einige überschlugen sich, und auf dem gesamten Straßenabschnitt hinter uns gab es Massenkarambolagen. Die schwarzen Wagen fuhren einfach weiter und die Kugeln kamen immer näher, egal wie sehr wir Slalom fuhren und auswichen.

Ich rüstete hoch. Binnen eines Moments floss das lebende Metall glatt über und um mich und schottete mich hermetisch von einer feindlichen Welt ab. Kugeln trafen meinen Rücken und prallten einfach ab; sie konnten mir oder Molly jetzt nichts mehr anhaben. Das Gewehrfeuer wurde heftiger, denn die schwarzen Wagen kamen näher; Kugeln spritzten mir über Rücken, Schultern und Hinterkopf. Ich spürte den Aufprall nicht, aber ich konnte ihn hören. Meinen linken Arm zu panzern hatte ihn wieder stark gemacht, wenn auch die Schmerzen nicht geringer geworden waren. Ich schob ihn vorsichtig um Mollys Taille und fühlte mich ein wenig sicherer.

Die Vincent röhrte über die Straße, und die vorüberziehende Welt war nur noch ein nebelhafter Eindruck. Molly war lauthals am Lachen und jauchzte vor Freude an der Geschwindigkeit; ich war eher besorgt darüber, was passieren würde, falls auch nur eine der Kugeln zufällig den Treibstofftank der Vincent treffen würde. Ich erwähnte das Molly gegenüber.

»Keine Sorge!«, schrie sie nach hinten. »Das hier ist kein richtiges Motorrad! Es sieht nur aus wie eins!«

»Kein richtiges Motorrad? Keine richtige Vincent Black Shadow?«

»Tu doch nicht so! Was hast du von einem Bettelarmband erwartet?«

»Solange es sich nicht um Mitternacht in einen Kürbis verwandelt …«

Molly lachte wieder und gab noch mehr Gas. Ich nahm den rechten Arm von Mollys Taille und zog den Repetiercolt aus dem Schulterhalfter. Es dauerte eine Weile und tat meiner Schulter höllisch weh, aber schließlich hatte ich ihn draußen. Einen Moment lang atmete ich schwer, bis ich den Schmerz unter Kontrolle gebracht und meine Kräfte für das, was ich als Nächstes tun musste, zusammengenommen hatte. Ich verstärkte den Griff meines wieder erstarkten linken Arms um Mollys Taille, drehte mich auf dem Sitz herum und sah auf die Wagen hinter uns. Es waren jetzt vier davon und ein fünfter holte auf; sie pflügten sich ihren Weg durch allen Verkehr, der nicht schnell genug auswich. Männer lehnten sich aus den Wagenfenstern und schossen mit einer ganzen Waffensammlung auf mich. Einer hatte sogar einen Raketenwerfer. Er feuerte das Ding ab, und die Rakete schoss heraus, knallte in meine gepanzerte Seite, prallte ab und jagte einen Gap-Laden in die Luft. Ich hoffte, dass niemand drin war, aber sicher sein konnte ich nicht. Dem Manifesten Schicksal war es egal, wer verletzt oder getötet wurde. Und in diesem Moment beschloss ich, dass diesen Schweinen nur zu entkommen nicht genug war.

Inzwischen feuerten sie alle auf mich, und Kugeln spritzten von meiner Brust und meiner goldenen Gesichtsmaske ab. Die Maschine knallte hierhin und dahin, als wir in einen Stau hinein- und wieder aus ihm herausrasten. Die Extraschmerzen in meinem Arm ließen mich aufschreien, und unter meiner golden Maske liefen mir die Tränen übers Gesicht. Doch der Repetiercolt in meiner rechten Hand lag verdammt ruhig, als ich ihn auf die verfolgenden Wagen richtete.

Zuerst versuchte ich, auf die Reifen zu schießen. In den Filmen funktionierte das immer. Aber obwohl ich jeden Reifen traf, auf den ich zielte, platzte kein einziger davon: Die gepanzerten Wagen fuhren auf Reifen aus massivem Gummi. Das Manifeste Schicksal musste die Filme wohl auch gesehen haben. Also zielte ich auf den Fahrer des Wagens, der uns am nächsten war. Er lachte mich durch seine Panzerglaswindschutzscheibe aus, bis zu dem Moment, wo der Repetiercolt eine Kugel durch die Windschutzscheibe schickte und seinen Kopf zerfetzte. Der Wagen brach in wilde Schlenker aus, fuhr auf den Bürgersteig und nietete drei Parkuhren um, ehe er rutschend zum Stehen kam. Ich zielte sorgfältig und erschoss die anderen vier Fahrer, und ihre Wagen gerieten ins Schleudern und krachten und knallten in Schaufensterfronten.

Aber schon schlossen sich weitere schwarze Wagen der Jagd an und kamen mit quietschenden Reifen um die Ecken sämtlicher Seitenstraßen geschossen, die wir passierten. Schnell hatte sich ein Dutzend neuer Wagen an unser Hinterrad gehängt, die Schlangenlinien fuhren, um mir das Zielen zu erschweren. Ich putzte weiter die Fahrer weg, einen nach dem anderen. Eine solche Zielgenauigkeit wäre unter diesen Umständen normalerweise unmöglich gewesen, aber zum Glück erledigte der Repetiercolt für mich den Großteil der Arbeit. Danke, Onkel Jack! Noch mehr Wagen schlossen sich der Verfolgungsjagd an; sie schienen von überall her gleichzeitig zu kommen, pflügten durch den Zivilverkehr, als ob er gar nicht da sei, schleuderten leichtere Autos zur Seite oder zerstampften sie unter sich. Hinter uns herrschte ein Chaos aus zertrümmerten und brennenden Fahrzeugen, so weit ich blicken konnte. Männer und Frauen mit weit aufgerissenen Augen drängten sich in Ladeneingängen zusammen und schrien in Handys, als wir vorbeirasten.