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»Ich ertrage es, weil die Alternativen schlimmer sind«, sagte der Maulwurf. »Ich lebe jetzt durch meine Bildschirme und im Internet. Ein virtuelles Leben, aber besser als gar keins.«

»Die ganzen Jahre«, sagte ich, »hast du Informationen zusammengetragen und verglichen, aber nie hast du etwas unternommen, um die Wahrheit über unsere Familie den Medien der Welt zu enthüllen. Wieso nicht?«

»Weil ich noch nicht bereit bin zu sterben«, sagte der Maulwurf.

Kapitel Siebzehn

Immer und immer wieder

»So«, sagte ich zum Maulwurf, »gibt es zufällig noch einen anderen Weg hier raus? Ich bin wirklich nicht besonders scharf drauf, mich wieder durch Tunnels voller stinksaurer Trolle durchzukämpfen, nur um wieder zum Bahnhof Blackfriars zu kommen. Wo es wahrscheinlich sowieso vor unfreundlichen Menschen wimmelt, die nach Molly und mir Ausschau halten.«

»Aber sicher gibt es noch einen anderen Weg hinaus!«, bestätigte der Maulwurf. »Du glaubst doch nicht etwa, ich würde zulassen, dass ich irgendwo in der Falle sitze, oder? Nicht mal in meiner eigenen Höhle! Ich mag paranoid, agoraphobisch und krankhaft eBay-süchtig sein, aber blöd bin ich nicht. Nein. Ich bin mir seit jeher darüber im Klaren, dass meine vielen Feinde mich eines Tages aufspüren werden und ich dann mein gemütliches kleines Schlupfloch verlassen muss. Wahrscheinlich rennend. Ja. So, wenn du dir jetzt die Mühe machst, dich in den hinteren Teil des Raums zu begeben, möglichst ohne gegen meine sehr empfindliche Ausrüstung zu stoßen oder sie gar umzurennen, wirst du einen Aufzug für den Notfall finden, der bereit und willens ist, dich direkt an die Oberfläche zu befördern.«

»Wohin an die Oberfläche?«, wollte Molly wissen.

»Überallhin an die Oberfläche«, antwortete der Maulwurf selbstgefällig. »Sagt einfach dem Aufzug, wo ihr hinwollt, und er wird euch dort absetzen.«

»Egal wo in London?«, fragte Molly.

»Egal wo auf der Welt«, entgegnete der Maulwurf. »Du hast schon immer zu klein gedacht, Molly.«

»Ein Aufzug überallhin auf der Welt?«, wunderte ich mich. »Wie ist das denn überhaupt möglich?«

Der Maulwurf schenkte mir ein mitleidiges Lächeln. »Du würdest es selbst dann nicht verstehen, wenn ich es dir erklärte. Sagen wir einfach, die Quantenunschärfe ist eine wunderbare Sache, und belassen es dabei. Es war schön, dir endlich einmal zu begegnen, Molly. Und dir, Edwin. Aber kommt nicht wieder! Euch in der Nähe zu haben, ist einfach zu gefährlich. Tschüss! Sichere Reise! Wieso seid ihr noch hier?«

Molly und ich verstanden den Wink, nickten ihm zum Abschied zu und steuerten den hinteren Teil der Kaverne an. Wo tatsächlich eine völlig normale Aufzugstür bündig in den schwarzen Basalt der Kavernenwand eingelassen war. Die Tür bestand aus glänzendem Stahl, und daneben war ein großer roter Knopf, auf dem AUFWÄRTS stand. Ich sah Molly an.

»Weiter zum nächsten Vogelfreien, nehme ich an. In Ermangelung einer besseren Idee. Du weißt doch noch von einem anderen Vogelfreien?«

»Na klar. Sebastian Drood. Er hat eine nette kleine Wohnung in Knightsbridge, nur ein paar Häuser weiter von dir.«

Kann sein, dass ich ein paarmal erstaunt geblinzelt habe. »Das wusste ich ja gar nicht!«

»Es gibt eine Menge Dinge, die du nicht weißt, aber ich schon«, klärte Molly mich auf. »Du würdest dich wundern! Sebastian gibt es schon seit Ewigkeiten, auch wenn er sich nicht die Mühe macht, viel in Erscheinung zu treten. Er hat es gern, wenn man von ihm als Gentleman-Dieb denkt, aber in Wahrheit ist er nur ein professioneller Einbrecher mit Größenwahn.«

»Kann nicht behaupten, dass ich den Namen kenne«, sagte ich. »Vermutlich ist er aus der Familiengeschichte gestrichen worden, wie der Maulwurf. Und ich.«

»Sebastian ist viel älter als du«, fuhr Molly fort. »Und obwohl er einer gelegentlichen Verschwörung oder Intrige nicht abgeneigt ist, hat er schon immer lieber hinter den Kulissen agiert. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, das ist seine Devise. Er macht keinen Finger krumm, wenn nicht irgendwas für ihn dabei herausspringt. Aber möglicherweise hilft er dir … nur um es der Familie heimzuzahlen, die es gewagt hat, ihn zu ächten. Sebastian war immer groß darin, einen Groll zu hegen.«

Sie drückte den AUFWÄRTS-Knopf und verkündete den Namen einer Straße im exklusivsten Teil von Knightsbridge, und die Aufzugstür öffnete sich zischend. Im Inneren sah es aus wie in jedem anderen Aufzug auch. Wir traten ein, und die Tür schloss sich schnell hinter uns. Es gab kein Bedienungsfeld und keine Wahrnehmung einer Aufwärtsbewegung, aber nur einen Moment später öffnete sich die Tür wieder und gab den Blick auf eine Straße frei, die ich als eine erkannte, die nur ein paar Minuten zu Fuß von dort entfernt war, wo ich früher gewohnt hatte. Ich trat hinaus und blickte mich vorsichtig um: keine Spur von irgendwelchen Drood-Agenten. Was es an Überwachung gab, konzentrierte sich wahrscheinlich auf die Gegend unmittelbar um meine alte Wohnung herum, für den Fall, dass ich so dumm sein sollte, dorthin zurückzukehren.

Die Sonne stand hoch am Himmel. Ein halber Tag war verstrichen, und wir hatten noch nicht das Geringste vorzuweisen. Unter dem ständigen Druck fiel es mir schwer, richtig nachzudenken oder einen Plan zu fassen. Ich drehte mich zu Molly um und stellte ohne Überraschung fest, dass die Aufzugstür hinter ihr verschwunden war.

»Wie kommt es, dass du Sebastian kennst?«, fragte ich. »Hast du mit ihm auch schon gearbeitet?«

»Du machst wohl Witze!«, sagte Molly und schürzte verächtlich die Lippen. »Den Mann würde ich nicht mal mit 'ner desinfizierten Beißzange anfassen! Er arbeitet allein, weil ihm sonst niemand traut. Er ist ein doppelzüngiger, hinterhältiger kleiner Scheißkerl, der schon so ziemlich jeden irgendwann mal übers Ohr gehauen hat. Allerdings … er kann der Mann sein, zu dem man geht, wenn man unbedingt einen bestimmten Gegenstand braucht, den einem sonst keiner besorgen kann, legal oder illegal. Für den richtigen Preis kann Sebastian dir alles beschaffen, solange völlig klar ist, dass es keinen Herkunftsnachweis geben wird. Oder irgendeinen Schutz, falls der ursprüngliche Eigentümer herausbekommt, dass du der neue Besitzer bist. Du kannst auch völlig sicher sein, dass es keine Rückzahlung geben wird, wenn sich herausstellt, dass der fragliche Gegenstand nicht ganz genau das ist, was du erwartet hast. Es bleibt dir überlassen, dir Sicherheit zu verschaffen, bevor du irgendwelche Zahlungen leistest. Der Käufer möge sich hüten - und einen verdammt großen Stock bei sich tragen.«

»Und das ist der Mann, von dem du glaubst, er könne mir helfen?«, vergewisserte ich mich.

»Ich sollte vorher besser anrufen«, meinte Molly und nahm ein leuchtend rosa Telefon mit einem Hello-Kitty-Gesicht darauf heraus. »Um sicherzugehen, dass er da ist und bereit, uns zu empfangen.«

»Es könnte unklug sein, meinen Namen über ein Standardtelefon mit ungeschützter Leitung zu erwähnen«, gab ich zu bedenken. »Meine Familie hat Leute, die alles abhören.«

»Da will das Ei wieder klüger sein als die Henne!«, sagte Molly. »Ich habe schon seit Jahren nicht mehr über eine ungeschützte Leitung gesprochen. Die Engel selbst könnten keins meiner Telefonate ohne die Hilfe Gottes abhören.«

Sie entfernte sich ein paar Schritte, während sie die Nummer eintippte. Ich lehnte mich gegen eine dekorative Steinmauer und überdachte meine Lage. Die beiden Vogelfreien, mit denen Molly mich bisher bekannt gemacht hatte, hatten mich nicht beeindruckt. Der Seltsame John war wahnsinnig geworden, und der Maulwurf war vollauf in dieselbe Richtung unterwegs. Beide steckten in Gefängnissen fest, die sie sich selbst geschaffen hatten. Und dieser Sebastian hörte sich nach einem richtigen Drecksack an. Wie konnte ich mich auf irgendetwas verlassen, was so ein Mann mir sagen mochte, falls ich ihn überhaupt dazu überreden konnte, sich mit mir abzugeben? Aber die Zeit drängte, und von irgendwoher musste ich Antworten bekommen. Wenigstens war ich mir ziemlich sicher, die Wahrheit irgendwie zu erkennen, wenn ich sie erst einmal hörte. Mein linker Arm tat höllisch weh, obwohl ich die Hand in den Gürtel gesteckt hatte, damit dieser etwas vom Gewicht trug. Ich massierte die Muskeln mit der anderen Hand, aber es half nichts. Der Schmerz zog sich übelkeiterregend von meiner Schulter hinab in meine Brust. Die fremde Materie breitete sich unerbittlich in meinem Organismus aus. Drei Tage, hatte Molly gesagt. Vielleicht vier. Vielleicht auch nicht. Ich musste meine Antworten bald bekommen, solange sie mir noch etwas nützten.