Ich rollte mich von Archie weg, während er wie eine verdammte Seele schrie und Janes Körper um sich schlug und trat, als sein besitzergreifender Geist die Gewalt über sie verlor und sie ihn aus sich herauszwang. Archie konnte nirgendwohin; sein ursprünglicher Körper war schon vor langer Zeit zerstört worden. Ich setzte meinen Blick ein und sah einen Moment lang Archies wahre Gestalt, die die von Jane überlagerte. Und dann verließ seine Seele unter schrecklichem Geheul die Welt, endlich zur Hölle gerufen, die so lange auf sie gewartet hatte. Ich stellte den Blick ab. Ich wollte nicht sehen, was auf ihn wartete.
Janitscharen-Jane lag bewusstlos auf dem Boden, zuckend und zitternd. Physisch entkräftet und psychisch unter Schock vermutlich, aber sie würde sich erholen. Sie war eine Kämpferin und hatte in ihrer Karriere schon Schlimmeres durchgemacht.
Das kandarianische Amulett wand sich in meinen es umschließenden Händen wie ein lebendiges Wesen und brannte kälter als der grimmigste Winter. Eine Kälte des Herzens und der Seele. Ich konnte seine Gegenwart bei mir in der Rüstung spüren, wie es darum kämpfte, mir seinen Willen aufzuzwingen. Die Rüstung konnte mich nicht beschützen, solange das Amulett darin war. Es kam mir vor, als ob ich einen Chor von dunklen, nicht menschlichen Stimmen hörte, der langsam näher kam: Schließ dich uns an! Schließ dich uns an! Der bloße Klang verursachte mir Übelkeit, als ob etwas eine Schleimspur über meinen Verstand gezogen hätte. Ich rüstete herunter, und im selben Moment, wo das lebende Metall von meinen Händen verschwand, schleuderte ich das widerliche Ding von mir fort.
Das Amulett rutschte über den Fußboden, und Sebastian erwachte ruckartig aus seiner scheinbaren Erstarrung, rollte sich auf die Seite und riss es gierig an sich. Er rappelte sich auf und lächelte schrecklich, als er seine Beute an sein Herz drückte. »Du bist nicht der Einzige, der sich schlafend stellen kann, Eddie; ich habe mich schon vor Jahren gegen sämtliche Gifte geschützt. Und nun … besitze ich Macht, die meine kühnsten Träume übertrifft! Denn auch wenn du nicht den Mumm hast, das hier zu benutzen - ich habe ihn! Ich werde mich an Hunderten von Körpern erfreuen, jungen Körpern, und Lebensspannen leben …«
»Wirf es weg!«, forderte ich ihn auf und erhob mich langsam. »Es wird dich zerstören.«
»Wie diesen Narren Archie Leech? Das glaube ich nicht! Ich kann es kontrollieren!«
»Niemand kann es kontrollieren«, sagte ich. »Es richtet einen zugrunde, das macht es. Du wirst genau wie Archie enden, als Seelenschänder.«
»Ich brauche einen neuen Körper«, sagte Sebastian. »Dieser hier wird allmählich alt. Er wird langsamer und er lässt mich bisweilen im Stich. Leute wie ich sollten nicht altern müssen; nicht wo wir das Leben so sehr genießen, seine Freuden und Qualitäten so sehr zu schätzen wissen. Es ist nicht richtig, dass jemand wie ich sterben sollte, nur weil ein alter Körper sich verschleißt.« Er lächelte mich an, und es war nicht sein Lächeln, nicht mehr. »Vielleicht werde ich mir deinen Körper nehmen, Eddie, nur für einen kleinen Testlauf. Um zu sehen, was er kann. Und vielleicht werde ich schreckliche, schreckliche Dinge mit deinem Körper anstellen, nur so zum Spaß.«
Molly zog ihm von hinten die Manxkatzenstatuette über den Kopf, und er stürzte wie ein nasser Sack bewusstlos zu Boden. Er war so damit beansprucht gewesen, mich zu verhöhnen, dass er überhaupt nicht gemerkt hatte, dass Molly sich von hinten an ihn herangeschlichen hatte. Die Manxkatze bekam Sprünge, bröckelte auseinander und zerfiel. Molly sah mich an, lächelte achselzuckend und streifte die letzten paar Splitter von ihren Händen ab. Das kandarianische Amulett war aus Sebastians Hand gefallen, als er zusammengebrochen war, und lag jetzt auf dem Boden zwischen uns. Dass so ein kleines Ding so böse sein konnte! Ich trat vor und trampelte darauf herum, und der uralte Stein zerbröselte unter meinem Absatz zu Staub.
Aber mit dem Zerspringen der Manxkatze war auch die Energie, die Mollys Verhedderzauber gespeist hatte, verschwunden, und das Dutzend schwarz uniformierter Männer rappelte sich wieder auf und hob die Waffen. Stinksauer, weil sie so leicht außer Gefecht gesetzt worden waren, eröffneten sie alle das Feuer auf Molly. Wieder und wieder trafen die Kugeln Molly und ließen sie unter den wiederholten Einschlägen zurücktaumeln. Blut spritzte aus Dutzenden von Wunden, ihr Kopf wurde hin und hergerissen, und sie bekam nicht genug Luft zum Schreien. Endlich hörten die Männer zu feuern auf, und Molly fiel hin, als ob die Schüsse alles gewesen wären, was sie auf den Beinen gehalten hatte. Ich fiel neben ihr auf die Knie und ergriff ihre Hand. Sie versuchte, mir etwas zu sagen, während ihr das Blut schmerzhaft aus dem Mund sprudelte und spritzte, und alles, was ich tun konnte, war, ihre Hand zu halten, bis schließlich das Leben aus ihren Augen wich. Ich blickte zu den bewaffneten Männern hoch, und alle wichen einen Schritt zurück, aus Angst vor dem, was auch immer sie in meinem Gesicht sehen mochten.
Aber ich hatte nicht vor, sie zu töten. Das wäre nicht genug gewesen.
Endlich fiel mir ein, den Knopf auf meiner Umkehruhr zu drücken und die Zeit zurückzuspulen. Fast hatte ich zu lange gewartet. Die Uhr wollte mich nicht weit genug zurückbringen, aber ich drückte den Knopf einfach wieder und wieder, bis sie mich schließlich zu der Stelle zurückbrachte, wo die bewaffneten Männer gerade ihre Waffen auf Molly richteten. Ich warf mich vor Molly, zwischen sie und die Kugeln, und rüstete noch in der Bewegung hoch. Das lebende Metall schwappte im selben Moment über mich, als die ersten Kugeln durch die Luft flogen; und so schnell die Kugeln auch waren, die Rüstung war schneller. Jeder einzelne Schuss, der Molly getötet hätte, prallte stattdessen von mir ab.
Ich warf mich auf die bewaffneten Männer, prügelte sie windelweich und schleuderte sie eine Weile durchs Zimmer, bis Molly schließlich einschritt und mich aufhielt - nicht um ihretwillen, sondern mir zuliebe. Sie wusste, dass ich mich schlecht fühlen würde, falls ich sie umbrächte. Ich rüstete herunter und lächelte ihr ängstlich zu. Ich war so nah daran gewesen, sie zu verlieren!
»Ich bin eine Hexe«, sagte Molly langsam und blickte mir fest ins Auge. »Ich sehe Dinge und ich erinnere mich an Dinge, die anderen verborgen bleiben. Ich erinnere mich daran, sterbend auf diesem Boden gelegen zu haben … und dann hast du die Geschichte neu geschrieben, die Welt selbst verändert, nur um mich zu retten. Und dein eigenes Leben dabei aufs Spiel gesetzt. Du konntest nicht sicher sein, dass die Rüstung dich rechtzeitig bedecken würde, um dich vor ihren Gewehren zu schützen. Wieso hast du das getan, das riskiert, um mich zu retten?«
»Weil ich es musste«, sagte ich.
»Eddie …«, sagte sie.
»Molly …«, sagte ich.
»O Gott!«, sagte Molly. »Haben wir etwa einen romantischen Moment?«
Wie sahen einander an, und es wäre schwer zu sagen gewesen, wen von uns dieser Gedanke mehr entsetzte.
Kapitel Achtzehn
Bin angeln, am goldenen Tümpel
»Ich habe einen Entschluss gefasst«, sagte ich zu Molly.
»Schön für dich«, meinte Molly.
»Ich habe beschlossen, dass ich keine weiteren Treffen mit Vogelfreien mehr will«, erklärte ich. »Nicht wenn sie so sind wie die, die ich bereits kennengelernt habe. Ich meine, ein Irrer, ein Eingesperrter und ein moralischer Krüppel? Ist das die Art von Zukunft, auf die ich mich freuen darf, wenn ich durch irgendein Wunder die nächsten paar Tage überlebe?«