»Das würde nichts helfen«, sagte Molly mit ausdrucksloser Stimme.
»Oh«, meinte Janitscharen-Jane leise. »So sieht's also aus.« Und nach einem Moment sagte sie: »Verdammte Elben! Bösartige kleine Scheißkerle. Okay, fremde Materie … Fieses Zeug, jawohl; andersdimensional … Echt übles Mojo, wenn man's in die Finger bekommen kann, was meistens nicht der Fall ist. Ich selbst habe nie mit dem Zeug zu tun gehabt, aber ich kenne einen Mann, der hat. Es heißt, er kann es sogar direkt vom Ursprung besorgen, wenn nötig.«
Ich zwang Kraft zurück in meine Beine, bis sie gerade wurden und mich wieder tragen konnten, und dann zwang ich meinen Kopf hoch, um Janitscharen-Jane anzusehen. »Wen?«
»Ich glaube, du musst dich hinlegen, Shaman. Ich meine, Eddie.«
»Ich habe keine Zeit. Ich werde mich hinlegen, wenn ich tot bin.« Ich atmete tief durch, unterdrückte die Schmerzen und schob sie durch reine Willenskraft beiseite. Behutsam entzog ich meine Arme Mollys und Janitscharen-Janes Griff, und sofort traten sie zurück, um mir etwas Platz zu geben, ohne mich jedoch aus den Augen zu lassen. Ich spürte kalten Schweiß auf meinem Gesicht trocknen, aber meine Gedanken waren wieder klar. »Jane, wer ist es, der etwas über fremde Materie weiß?«
»Der Blaue Elf.«
»Was?«, rief Molly. »Der? Die Tunte ist ein Säufer ersten Ranges! Dem ist noch nie eine Flasche Alk über den Weg gelaufen und hat es überlebt!«
»Ich habe ihn einmal nüchtern gesehen«, sagte ich. »Er sah schrecklich aus.«
Janitscharen-Jane seufzte laut. »Gerade ihr solltet genug wissen, um hinter die Fassade zu blicken. Ihr wisst doch, warum man ihn den Blauen Elfen nennt, oder?«
»Na klar!«, antwortete ich. »Weil er ständig besoffen ist.«
»Nein! Ich meine, ja, besoffen ist er meistens, aber das ist nicht der Ursprung seines Namens. Er heißt so, weil er ein Halbelb ist.«
»Ach, hör auf!«, sagte Molly. »Sprechen wir von derselben Person? Das nutzlose kleine Arschloch, das immer Getränke im Wolfskopf schnorrt?«
»Er kann kein Halbelb sein«, sagte ich. »Elben pflanzen sich niemals außerhalb ihrer eigenen Art fort. Das ist entschieden verboten, ihr strengstes Tabu.«
»Es gibt immer ein paar, die zu einem anderen Takt tanzen«, sagte Janitscharen-Jane. »Die Elben haben eine ganz bestimmte Bezeichnung für diejenigen, die sich außerhalb des zugelassenen Genpools vergnügen. Sie nennen sie Perverse.«
Molly grinste. »Du meinst, sie sind homosexuelle?«
»Bitte!«, sagte ich. »Wir wollen uns nicht auf dieses Niveau begeben!«
»Der springende Punkt ist«, fuhr Janitscharen-Jane fort, »dass der Blaue Elf einige Elbenfähigkeiten und sogar ein paar direkte Kontakte innerhalb der Elfen hat. Ich wäre bereit, ein hübsches Sümmchen darauf zu setzen, dass er es war, der deinen Elbenlord mit der fremden Materie versorgt hat, um seinen Pfeil zu machen. Also könnte er auch der Mann sein, an den man sich wegen eines Heilmittels wenden sollte. Jedenfalls weiß er mit Sicherheit mehr über die fremde Materie als irgendjemand anders, den ich kenne.«
»Also schön«, sagte ich. Ich fühlte mich besser, für den Augenblick. »Irgendeine Idee, wo er im Moment steckt? Seine alte Wohnung am Leicester Square hat er nach der unglückseligen Episode mit dem Kobold aufgegeben. Was in aller Welt die beiden allerdings aneinander gefunden haben …«
»Danach ist er ziemlich viel durch die Gegend gezogen«, sagte Janitscharen-Jane. »Und es ging rapide bergab mit ihm. Er wollte nicht, dass einer seiner alten Bekannten sieht, was aus ihm geworden war.«
»Haha, als ob uns das gekümmert hätte!«, meinte Molly.
»Nein, euch vermutlich nicht«, stimmte Janitscharen-Jane ihr zu. »Aber ihn. Entscheidend ist aber, dass ich weiß, wo wir ihn finden können. Ich lasse ihm hin und wieder einen Auftrag zukommen, um der alten Zeiten willen. Wenn ihr wollt, kann ich euch direkt zu ihm bringen.«
»Ich will«, bejahte ich. »Aber wir können uns nicht vor aller Augen in London herumtreiben, nicht, solange das Manifeste Schicksal hinter mir her ist. Zu dem gehören übrigens die Dornröschen.«
»Die hast du auch wütend auf dich gemacht?«, staunte Janitscharen-Jane. »Schön für dich! Du steigst weiter in meiner Achtung, Eddie. Ich kann diese Hobbymöchtegernsoldaten in ihren hübschen neuen Uniformen nicht ausstehen! Sie bringen die echten Söldner in Verruf. Wenn man sie in einem richtigen Kriegsgebiet rausließe, würden sie sich wahrscheinlich in die Hosen scheißen, dann eine Meile weit weglaufen und die ganze Zeit über nach ihrer Mami schreien.«
»Könnten wir uns wenigstens bemühen, beim Thema zu bleiben?«, fragte ich ein bisschen wehleidig. »Entscheidend ist, dass es für Molly und mich nicht sicher ist, offen durch London zu reisen, und die Raumportale sind ihr ausgegangen.«
»Tja, wie bin ich hierhergekommen?«, wandte Janitscharen-Jane vernünftig ein. »Wie sind die Arschlöcher vom Manifesten Schicksal hierhergekommen? Sie müssen ein Transportmittel gehabt haben, richtig?«
Wir gingen alle zu dem zerbrochenen Fenster hin und schauten hinaus. Unten auf der Straße standen, in einer Reihe geparkt, drei schwarze Wagen, die mir sehr bekannt vorkamen. Ich musste grinsen.
»Perfekt!«, sagte Molly. »Seht nur, sie haben sogar getönte Scheiben, sodass keiner hineinsehen kann! Niemand wird einem Wagen des Manifesten Schicksals auf Patrouille Beachtung schenken.«
»Also schön«, meinte ich. »Dann wollen wir den Blauen Elfen mal aus dem Schlaf klingeln!«
Molly bestand darauf, dass wir uns noch etwas Zeit nahmen, um eine angemessen beleidigende Botschaft für diejenigen zu hinterlassen, die die bewusstlosen Soldaten des Manifesten Schicksals einsammeln kommen würden. Also zogen sie und Janitscharen-Jane sämtlichen Soldaten Hosen und Unterwäsche herunter, wobei sie auf laute und sehr unfaire Weise kommentierten, was sie dabei zu sehen bekamen, und arrangierten die ohnmächtigen Männer zu einem erotischen Gänseblumenkränzchen. Dann traten sie zurück, um ihr Werk zu bewundern, und kicherten viel. Gnade denen, die den Frauen in die Hände fallen!
»Ich würde zu gern sehen, wie sie versuchen, das hier ihren vorgesetzten Offizieren zu erklären, wenn die aufkreuzen«, sagte Molly zufrieden, und Janitscharen-Jane nickte feierlich.
Während sie beschäftigt waren, hatte ich meine eigenen Ideen für ein bisschen Unfug. Ich hob Sebastians Telefon ab, das dem Stil der Ära König Eduards nachempfunden war, und rief zu Hause an. Wie immer wurde beim ersten Läuten abgehoben und eine vertraute Stimme meldete sich. Eine, mit der noch einmal zu reden ich nie erwartet hätte.
»Hallo, Penny«, sagte ich. »Rate, wer dran ist?«
Am anderen Ende wurde scharf eingeatmet, doch dann erlangte Pennys gut geschulte Professionalität rasch wieder die Oberhand. »Hallo, Eddie. Von wo rufst du an?«
»Spürt den Anschluss auf«, schlug ich vor. »Bis ihr hier seid, werde ich schon lang weg sein. Aber ihr werdet trotzdem feststellen, dass etwas Interessantes auf euch wartet. Jetzt stell mich zur Matriarchin durch!«
»Du weißt, dass ich das nicht machen kann, Eddie. Du bist offiziell für vogelfrei erklärt worden. Ich bin sicher, dass das alles ein schrecklicher Irrtum ist. Sag mir, wo du bist, und ich werde jemand vorbeischicken, um dich abzuholen.«
»Ich will mit der Matriarchin sprechen!«
»Und sie will nicht mit dir sprechen, Eddie.«
»Aber klar will sie das. Deshalb hört sie auch genau in diesem Moment mit. Sprich mit mir, Großmutter, und ich werde dir von Sebastian erzählen.«
»Ich bin hier, Edwin«, sagte Martha Drood. Ich konnte die Veränderung in der Leitung hören, als sie auf sicheren Modus wechselte. Sie wusste, dass jetzt Dinge zur Sprache kommen würden, die für Penny nicht freigegeben waren. Auch wenn Penny offiziell die Sicherheitsfreigabe für alles hatte.
»Hallo, Großmutter«, sagte ich nach einer Pause. Wir klangen beide ach so zivilisiert, als ob dies nur eine kleine Meinungsverschiedenheit zweier Familienmitglieder sei, nichts, was nicht bei einer netten Tasse Tee beigelegt werden könnte. »Was ist das für ein Gefühl, Martha, mit einem Toten zu sprechen? Was war es für ein Gefühl, den Tod deines eigenen Enkels zu befehlen?«