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»Was hast du getan, Blue?«, fragte ich ihn.

Er blickte mich flehentlich an. »Mir blieb keine Wahl. Einer eurer Leute tauchte völlig unerwartet hier auf. Ich hatte nicht gedacht, dass die Droods von meiner Existenz überhaupt noch wussten, geschweige denn, wo ich zu finden war. Aber er hatte Arbeit für mich, und die Bezahlung war gut. Sehr gut. Und die Drohung, die dahintersteckte, war sehr real. Man sagt nicht nein zu einem Drood. Und weil alles, was er wollte, ein bisschen fremde Materie war … Ich konnte nichts Schlimmes daran finden. Ungewöhnliche Objekte aus anderen Dimensionen zu erwerben ist eine der wenigen Sachen, in denen ich noch gut bin. Es liegt in den Genen, wisst ihr. Vor einigen Jahren habe ich einmal etwas fremde Materie für den Waffenschmied eurer Familie besorgt, und das musste wohl irgendwo in den Akten stehen, denn als sie noch mehr wollten, kamen sie zu mir.«

»Wen haben sie geschickt?«, wollte ich wissen.

»Matthew«, antwortete der Blaue Elf. »Sie schicken immer Matthew, wenn sie nicht bereit sind, ›Scher dich zum Teufel!‹ als Antwort zu akzeptieren.«

»Natürlich!«, sagte ich. »Klar, dass es Matthew war. Er würde alles für die Familie tun. Sprich weiter, Blue!«

Der Blaue Elf blinzelte mich nervös an, denn die Kälte in meiner Stimme war ihm nicht entgangen. Er drückte den letzten Zentimeter seiner Zigarette auf dem Nachttisch aus und versuchte, sich gerade hinzusetzen, wobei er die Hände im Schoß verschränkte, damit sie nicht zitterten.

»Naja«, fuhr er fort, »ich ging angeln. Das ist es, was ich mache. Eine Schnur in die anderen Reiche fallen lassen und sehen, was ich fangen kann. Fremde Materie ist nicht leicht zu finden. Ich nenne sie so, weil ich keinen Schimmer habe, was oder wozu sie eigentlich ist. Sie ist organisch, vielleicht lebendig, vielleicht auch nicht, und sie hat einige … ganz einzigartige Eigenschaften. In den Dimensionen zu fischen kann sehr gefährlich sein, müsst ihr wissen. Man kann nie sagen, ob man nicht versehentlich etwas Großes und Gefährliches an den Haken bekommt, und dann kommt es hoch durch die Ebenen, stinksauer und rachgierig … Aber ich beschaffte Matthew, was er wollte, und er bezahlte noch an Ort und Stelle in bar. Gutes Geld. Viel zu viel, für jemand in meinen beschränkten Verhältnissen. Das war der Moment, wo ich misstrauisch wurde. Aber ich unternahm nichts. Ich hatte neuen Alk und neue Drogen, und … er war schließlich ein Drood. Man legt sich nicht mit den Droods an. Dann hörte ich, dass du von einem Elbenlord angegriffen worden warst, der von den Droods angeworben worden war und einen Pfeil aus fremder Materie benutzt hatte … und da wusste ich Bescheid. Ich fühlte mich schlecht, Eddie; wirklich, richtig schlecht. Ich hatte immer gewusst, dass du ein Drood bist; man kann einen Torques nicht vor Elbenaugen verstecken. Und wir hatten einige gute Zeiten zusammen, im alten Wolfskopf … Du hast mir Drinks spendiert und meinem Gerede zugehört und mich nie ausgelacht. Nachdem ich also gehört hatte … was passiert war … wartete ich darauf, dass du nach mir suchen kommst. Und da bist du. Aber du bist nicht hier, um mich zu töten, nicht wahr? Du willst etwas!«

»Die fremde Materie ist immer noch in meinem Körper«, sagte ich. »Und sie bringt mich um. Kannst du mir ein Heilmittel beschaffen?«

»Nein«, erwiderte der Blaue Elf und sah mir fest in die Augen. »So funktioniert das nicht. Ich muss genau wissen, wonach ich suche, wenn ich angeln gehe, oder ich kann es nicht finden. Und ich weiß nicht annähernd genug über fremde Materie, um irgendeine Vorstellung davon zu haben, was ihr Gegenstück sein könnte. Es tut mir leid, Eddie, wirklich leid. Ich wusste nicht, was sie vorhatten!«

»Hätte es denn etwas geändert, wenn du es gewusst hättest?«, fragte ich.

»Vermutlich nicht«, räumte er ein. »Die Bezahlung war sehr gut.«

»Wie würde dir eine Chance gefallen, dich freizukaufen?«, fragte Molly. »Wie würde es dir gefallen, für uns nach etwas fischen zu gehen?«

»Woran hattet ihr denn gedacht?«, erkundigte sich der Blaue Elf.

»Wir brauchen einen Dietrich, der uns an den Verteidigungsanlagen des Hauses vorbeibringt«, erklärte ich. »Gibt es einen solchen Gegenstand?«

Unvermittelt lächelte er. »Oh, ja! Den gibt es. … Ich warte schon seit Jahren darauf, dass jemand kommt und mich danach fragt. Es ist wirklich ganz einfach; recht elegant sogar. Aber bist du dir auch sicher, dass du das machen willst, Eddie? Wenn erst einmal die Nachricht die Runde macht, dass die Verteidigungsanlagen der Droods durchbrochen worden sind …«

»Soll sie ruhig!«, erwiderte ich. »Soll die ganze Familie zerschmettert werden und verbrennen, wenn es

das ist, was nötig ist, um an die Wahrheit zu gelangen!«

* * *

Wir begaben uns ins angrenzende Zimmer. Der Blaue Elf wühlte sich durch einen Haufen von Abfall und tauchte mit einer ganz gewöhnlich aussehenden Angelrute samt Rolle wieder auf. Die Sorte, die Leute benutzen, wenn sie Angeln nicht als Wettkampfsport, sondern vielmehr zur Erholung betreiben. Dann förderte der Blaue Elf aus dem Nichts ein Messer zutage, zog den linken Ärmel seines Morgenmantels hoch und machte einen flachen Einschnitt direkt über dem Handgelenk. Ich konnte eine ganze Reihe von Narben sehen, die bis zu seinem Ellbogen hochreichten, manche alt und manche nicht; er machte das hier offenbar nicht zum ersten Mal. Goldenes Blut quoll aus dem Schnitt, und er hielt den Arm über die Stelle, die er auf dem Fußboden vor sich freigeräumt hatte. Das Blut tropfte herunter und bildete eine goldene Lache. Als sie ungefähr zehn Zentimeter Durchmesser hatte, drückte der Blaue Elf seine Finger auf den Schnitt und murmelte etwas, und augenblicklich heilte die Wunde zu und hinterließ bloß eine weitere Narbe auf seinem Arm.

Der Blaue Elf zog seinen Ärmel wieder herunter, ohne uns drei, die wir ihn beobachteten, anzusehen, und bellte ein halbes Dutzend Worte auf Altelbisch. Etwas davon bekam ich mit, aber sein Akzent war ungewohnt. Die Lache auf dem Boden erstrahlte plötzlich in einem goldenen Licht und breitete sich aus, bis sie fast einen Meter im Durchmesser maß. Sie sah nicht mehr nach einer Pfütze aus Flüssigkeit aus; in sie hineinzusehen war wie in einen tiefen Brunnen zu blicken, der immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Ich kam mir vor, als ob ich das Gleichgewicht verlöre und zu fallen drohte. Ich griff im selben Moment haltsuchend nach Mollys Arm, als sie nach meinem griff. Ein wenig verschämt lächelten wir einander an. Janitscharen-Jane sah nicht in den Tümpel; sie hielt ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Blauen Elfen gerichtet - und beide Faustdolche stoßbereit.

Der Blaue Elf nahm seine Angelrute, vergewisserte sich, dass der Haken fest saß und die Leine reibungslos über die Rolle lief, und ließ dann die Angelschnur in den leuchtenden goldenen Tümpel fallen. Der Haken verschwand, gefolgt von immer mehr Schnur, die der Blaue Elf abspulte.

»Wie weit nach unten geht es?«, wollte Molly wissen.

»Die ganze Strecke«, antwortete der Blaue Elf.

»Es gibt Fragen, da weiß man einfach schon im Voraus, dass man keine Antwort bekommen wird, die einem weiterhilft!«, philosophierte Molly.

»Elbenblut hat viele nützliche Eigenschaften«, sagte der Blaue Elf gelassen, »selbst verdünntes, degeneriertes Blut wie meins. Alle Elben haben ein eingebautes Talent fürs Reisen. Sie können seitlich von der Sonne gehen, sich Zutritt zu anderen Existenzebenen verschaffen, Dimensionen betreten, die ihr und sogar ich uns nicht einmal vorstellen könnten, geschweige denn darin funktionieren. Aber allein das Blut reicht, um Türen zu öffnen und mir zu erlauben, angeln zu gehen. Manchmal nur so zum Spaß, aufs Geratewohl angeln nach allem, was zufällig da ist … manchmal auf Bestellung gegen Bezahlung. Wenn ich mich stark genug konzentriere, kann ich so ziemlich alles finden … und was du brauchst, Eddie, ist ein Confusulum.«

»Ein was?«, fragte ich.

»Ein Confusulum«, wiederholte der Blaue Elf geduldig. »Frag mich nicht, was das ist, denn ich habe keine Ahnung. Das ist ja der springende Punkt. Es verändert nicht tatsächlich etwas, bringt nur alle völlig durcheinander. Es funktioniert auf der Grundlage der Unschärferelation, jenes Ungewissheitsprinzips, das besagt, dass nichts zwangsläufig das oder dort ist, was oder wo es zu sein scheint. Ich hab das erste vor einem Jahr gefunden, ganz zufällig, und ich hab mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Jeder braucht ein paar Gewissheiten in seinem Leben. Ich hab's wieder reingeworfen, aber irgendetwas daran ist in meinem Verstand haften geblieben. Die Verteidigungsanlagen der Drood-Familie basieren auf Gewissheiten: Freund oder Feind, Zutrittserlaubnis oder nicht, die Art von Dingen. Aber das Confusulum wird all diese Gewissheiten aus der Gleichung nehmen. Die Verteidigungsanlagen des Herrenhauses werden so verwirrt sein, dass sie nicht mehr wissen werden, ob sie funktionieren oder nicht, ob du Zutrittserlaubnis hast oder nicht, ja nicht einmal ob du tatsächlich da bist oder nicht. Sie werden so verwirrt sein, dass du mittendurch spazieren kannst, während sie sich immer noch abmühen, zu einem Schluss zu kommen. Bis jemand im Herrenhaus bemerkt, dass ihre Verteidigungsanlagen gerade einen schwerwiegenden Nervenzusammenbruch gehabt haben, wirst du schon drin sein.