Und einfach so stellte ich eine Verbindung mit etwas her. Nicht mittels meines Verstandes; eher mit meiner Seele. Ich konnte etwas in meinem Kopf und in meinem Herzen spüren; nicht menschlich, nicht in irgendeiner Weise menschlich, aber groß und lachend, verspielt und neugierig. Das Confusulum fand alles unglaublich lustig, von dieser faszinierenden neuen Welt, in der es war, bis hin zu seiner eigenen Form und Natur. Es war lebendig und nicht lebendig, mehr als lebendig … So sehr eine Kraft und ein Zweck wie eine Person. Diese Welt und alle Menschen darin waren bloß etwas faszinierend Neues für das Confusulum, etwas, woran es sich erfreuen und womit es spielen konnte, eine Zeit lang. Bis ihm langweilig wurde. Das Confusulum würde mir dienen, solange es belustigt blieb, und dann würde es irgendwo anders hingehen und etwas anderes machen. Es versuchte mir zu zeigen was, aber ich konnte nichts davon begreifen oder beurteilen. Das Confusulum lachte noch einmal, wie ein Kind, das mit einem brandneuen Spielzeug spielt, und brach den Kontakt ab. Ich schaute Molly an.
»Nun?«, fragte sie.
»Ich denke, es wird tun, was immer wir wollen«, sagte ich vorsichtig. »Es ist sehr … fremdartig. Ich weiß nicht, ob es unsere Feinde verwirren wird, aber mich bringt es völlig durcheinander.«
Molly rümpfte die Nase. »Hättest es mir geben sollen! Ich hätte ihm schnell beigebracht, Männchen zu machen. Ich bin den Umgang mit magischen Gegenständen, die ihren eigenen Kopf haben, gewohnt. Man muss ihnen zeigen, wer der Herr im Haus ist!«
»Oh, ich bin ziemlich sicher, dass es weiß, wer der Herr im Haus ist«, entgegnete ich.
»Hör zu, kann es uns bei unserem dringlichsten Problem helfen? Nämlich wie wir ins Herrenhaus kommen sollen? Alle üblichen und unüblichen Wege aus London heraus werden inzwischen bestimmt streng überwacht, entweder von deiner Familie oder vom Manifesten Schicksal, und ich habe nicht annähernd genug Energie mehr in mir, um ein Raumportal zu beschwören. Hätte ich doch nur nicht die Manxkatze zertrümmern müssen, um dir das Leben zu retten! Aus dieser Statue hätte ich viel Kraft schöpfen können.«
»Dann ist das Ganze also meine Schuld?«
»Alles ist deine Schuld, Drood, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird.«
»In Ordnung«, sagte ich geduldig. »Lass uns also damit beginnen. Confusulum, kannst du Molly helfen, ihre Kraft zurückzubekommen?«
Oh, klar!, sagte eine erfreute Stimme in meinem Ohr. Null Problemo!
Das Abzeichen an meinem Revers pulsierte mit einem andersweltlichen Licht, und die Welt um uns herum wurde plötzlich ungewiss. Das Confusulum gebrauchte seine einzigartige Natur und brachte die Sache so durcheinander, dass das Universum selbst sich nicht mehr sicher war, ob Molly ihre Kraft noch hatte oder nicht. Es war, als ob jemand dem Universum einen Stups in die Rippen gegeben hätte, damit es einen Taktschlag übersprang, und einfach so … war die Welt fast unmerklich anders. In der Luft rings um Molly sprühte und knisterte Magie, als Kraft sie durchwogte und sie vor lauter Übermut laut lachte. Sie fuhr mit ihren Händen hin und her und schimmernde Energiespuren folgten ihnen. Mollys Gesicht war vor einer fast sexuellen Erregung gerötet, und sie sah unglaublich lebendig aus, zum Bersten voll von allen Energien der wilden Wälder.
Ich fand, sie hatte nie schöner ausgesehen.
(Die Veränderung hatte Nebenwirkungen. Plakate in den Schaufenstern hatten plötzlich andere Farben oder bewarben andere Produkte. Rote Rosen blühten in den Rinnsteinen. Und ein Schaf ging ernst rückwärts die Straße hinunter.)
»Verdammt!«, sagte Molly und grinste von einem Ohr zum anderen. »Das ist … erstaunlich! Ich komme mir vor, als ob ich es mit der ganzen Welt aufnehmen und sie wie ein Baby zum Weinen bringen könnte! Du willst ein Raumportal, Eddie? Ich fühle mich, als könnte ich diese ganze Straße von einem Ende des Landes zur anderen transportieren!«
»Das könnte augenblicklich ein bisschen auffällig sein, schätze ich«, erwiderte ich mit einer Stimme, von der ich hoffte, dass sie ruhig, vernünftig und sehr besänftigend war. »Und überhaupt, wir können es nicht riskieren, ein Raumportal zu benutzen, um zum Herrenhaus zu gelangen. Die Verteidigungsanlagen meiner Familie würden das entdecken. Nein, unsere einzige Chance besteht darin, uns hineinzuschleichen und meine Familie zu überrumpeln.«
»Du hast gesagt, du willst deine Familie stürzen!«
»Will ich auch, will ich auch! Aber selbst jetzt, wo du wieder in Höchstform bist, besteht trotzdem keinerlei Hoffnung, dass wir einen direkten Kampf mit meiner Familie überleben könnten. Das weißt du, Molly.«
Sie schaute mich finster an. »Na schön, vielleicht weiß ich das. Also, wie werden wir zum Herrenhaus kommen?«
»Wir benutzen das Confusulum«, erklärte ich. »Wenn es das gesamte Universum so durcheinanderbringen kann, dass es nicht mehr weiß, ob du Magie besitzt oder nicht, dann kann es auch die Welt so verwirren, dass sie nicht weiß, wo wir wirklich sind. Stimmt's, Abzeichen?«
Na klar! Kein Problem! Alles durcheinanderbringen ist mein Leben! Weißt du, für eine dreidimensionale Wesenheit sind deine Gedanken außerordentlich klar!
So wendete das Confusulum sich an, die Welt warf die Hände hoch und sagte: Ach, dann mach doch, was du willst!, und Molly und ich erschienen am äußersten Rand der Anlagen des Herrenhauses. Ausgedehnte Rasenflächen erstreckten sich von uns weg bis zum Horizont, wo das Herrenhaus selbst drohend aufragte. Es war jetzt früh am Abend, und das Licht verließ den Tag bereits. Am Himmel türmten sich Wolken auf, und die Luft war heiß und drückend. Ich blickte mich schnell um, aber es schien niemand in der Nähe zu sein. Halb geduckt und angespannt wartete ich darauf, dass Alarme losgingen und Verteidigungssysteme sich aktivierten, doch alles schien ruhig und still und der abendliche Frieden ungestört bis auf das Singen einiger schläfriger Vögel und das Wiehern der Einhörner in ihren Ställen. Die friedliche Ruhe konnte mich nicht zum Narren halten: Das Herrenhaus und seine Anlagen wurden zu allen Zeiten durch ganz entsetzliche wissenschaftliche und zauberische Mittel schwer beschützt. Die augenblicklich anscheinend alle vom Confusulum völlig verwirrt wurden. Ich richtete mich auf und nickte langsam.
Ich war heimgekehrt.
»Bleib dicht bei mir!«, sagte ich zu Molly. »Die Familie kann mich nicht fernwahrnehmen, solange ich den Torques trage, und solange du direkt neben mir bist, müsste er dich auch schützen.«
»Ich kann mich selbst schützen«, erwiderte Molly automatisch. Mit großen Augen und einem ungläubigen Lächeln schaute sie sich erstaunt um. »O Eddie, das hättest du mir sagen sollen! … Dieser Ort ist fantastisch! Ich meine, die Größe dieser Anlagen … Auf einem Rasen dieser Größe könnte man ein Flugzeug landen! Und ihr habt Brunnen und euern eigenen See … und Schwäne! Oooh … ich liebe Schwäne!«
»Ich auch«, sagte ich. »Lecker!«
»Barbar! Sind das Pfauen da drüben?«
»Ja. Versuch, sie nicht aufzustören! Sie können mehr Krach als die Alarmanlagen machen.«
»Ich hatte mir ja immer schon ausgemalt, dass ihr Leute gut lebt, aber das hier ist unglaublich! Ich kenne Landadel, der es nicht so gut hat!«
»Willkommen bei mir zu Hause!«, sagte ich. »Eines Tages wird nichts, aber auch gar nichts von dem mir gehören.«
Molly sah mich an. »Warum sind wir hier abgesetzt worden, so weit vom Herrenhaus weg? Warum sind wir nicht an einer besseren Stelle angekommen, im Haus drin?«
»Weil das die Alarme ausgelöst hätte«, antwortete ich. »Nicht einmal das Confusulum könnte mit der Art von Sicherheitsmaßnahmen fertig werden, die meine Familie im ganzen Herrenhaus getroffen hat. Die Art von Alarmen, die so eingestellt sind, dass sie schon losgehen, wenn sie auch nur misstrauisch sind oder bloß einen schlechten Traum haben. Die Verteidigungsanlagen hier draußen sind eher unkompliziert: an/aus, töten/nicht töten, etwa in der Art. Ein Kinderspiel fürs Confusulum.«