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»Ein Wolf«, pflichtete Arina ihr bei. »Nadenka, guck doch mal, wer noch da ist. Mach die Augen zu und guck. So, wie ich es dir beigebracht habe.«

Bereitwillig deckte Nadjuschka die Augen mit den Händen ab. Und drehte sich in meine Richtung um. Auf die Weise würde sie sie ja initiieren!

Wenn Nadjuschka tatsächlich gelernt haben sollte, durchs Zwielicht zu sehen…

Meine Tochter drehte sich zu mir um. Lächelte. »Papka…«Zwei Dinge gingen mir im nächsten Moment auf.

Erstens: Arina wusste ganz genau, dass ich in der Nähe war! Die Hexe spielte mit mir.

Zweitens: Nadjuschka sah nicht durchs Zwielicht! Sie hatte die Finger gespreizt und linste durch sie hindurch.

Sofort trat ich ins Zwielicht zurück. Meine Nerven waren so angespannt, dass ich prompt in der zweiten Schicht landete, in dieser dumpfen wattigen Stille, in jenem fahlen grauen Schatten.

Arinas Aura loderte orangefarben und türkis. Nadjuschka hüllte eine reine weiße Aureole ein, gleichsam als hämmere ein Leuchtturm seine Botschaft in den Raum: eine potenzielle Andere! Eine Lichte! Von enormer Kraft!

Und die Werwölfe, die losrasten, rote und purpurne Klumpen, Wut und Bosheit, Hunger und Angst…

»Swetlana!«, schrie ich hochschnellend. Hinein in den grauen Raum, hinein in die weiche Stille. »Komm!«Eine Stelle für das Portal markierte ich problemlos, indem ich einfach reine Kraft ins Zwielicht schleuderte, als wollte ich eine Lichterkette spannen, eine Landebahn schaffen. Zwischen mir und Arina.

Gleichzeitig rannte ich los, damit Nadjuschka Arina nicht gegen mich abschirmte, und feuerte aus meinen Fingerspitzen vor langer Zeit gelernte Zauber ab. Den»Freeze«, mit dem die Zeit vor Ort angehalten wird. »Opium«, der Schlaf bringt. Die»Dreifachschneide«, der gröbste und einfachste Kraftzauber. »Thanatos«, den Tod.

Von keinem von ihnen versprach ich mir viel. All das konnte funktionieren, wenn du es mit einem sehr schwachen Anderen zu tun hast. Ein Anderer, dessen Kraft deine übersteigt, pariert alle Schläge, egal, ob er sich im Zwielicht oder in der Menschenwelt aufhält.

Ich musste die Hexe jedoch nur ablenken und aufhalten. Sie zwingen, ihre Verteidigung zu verpulvern, die vermutlich aus Amuletten und Talismanen bestand. All diese imposanten Feuerwerksspiele sollten nur die Lücke in ihrem Schutz ausfindig machen. Der»Freeze«schien im Nichts zu verpuffen.

Der Schlafzauber verfehlte sein Ziel und schoss in den Himmel hinauf. Hoffentlich flog über uns nicht gerade ein Flugzeug.

Die»Dreifachschneide«versagte nicht: Die funkelnden Klingen bohrten sich in die Hexe. Nur dass sie auf die drei Schneiden schiss.

Mit der Anrufung des Todes erlebte ich ein Desaster! Es hat seinen Grund, dass ich diese Magie nicht mag, die den Zaubern der Dunklen so gefährlich ähnelt. Arina konnte, da sie sich in der Menschenwelt befand, die Hand heben. Ein Klumpen grauen Dunkels, der den Willen tötet und das Herz stillstehen lässt, legte sich ihr gehorsam auf den Handteller.

Arina sah mich durchs Zwielicht an und lächelte. Ihre Hand schwebte über Nadjuschkas Kopf, die graue Masse sickerte langsam durch die Finger der Hexe.

Ich sprang zu den beiden hin. Abwehren konnte ich den Schlag nicht - aber ihn auf mich umlenken, das ja…

Doch Arina, die schnelle und blendend schöne, war bereits in der zweiten Zwielicht-Schicht Mit einer Bewegung ihrer Finger knüllte sie meinen Zauber zusammen - und warf ihn achtlos gegen die Wölfe.

»Überstürze nichts…«, riet die Hexe mir, jede Silbe in die Länge ziehend. In der Stille der zweiten Schicht dröhnten ihre Worte - und meine Beine ließen mich im Stich. Einen Schritt vor Arina und Nadjuschka fiel ich auf die Knie. »Rühr sie nicht an!«, schrie ich.

»Ich habe dich doch gebeten…«, sagte die Hexe leise. »Willst du mir nicht raushelfen… Was habe ich alte Hexe dir denn getan? »

»Ich glaube dir nicht!«

Arina nickte. »Und Recht hast du…«, sagte sie mit müder, bitterer Stimme. »Aber was soll ich denn machen, Zauberkundiger?«

Sie huschte mit einer Hand über den Rocksaum und zog einen kleinen Zweig getrockneter Trauben daraus hervor. Als sie ihn in die lodernden weißen Feuer warf, stiegen Wolken schwarzen Rauchs auf. Und die Markierung für das Portal verschwand. Swetlana hatte es nicht geschafft!

»Du lässt mir keine Wahl, Lichter…«Arina setzte ein schiefes Lächeln auf. »Hast du verstanden? Ich werde dich ermorden müssen, und deine Tochter wird niemandem mehr nützen. Was willst du mit deinem zweiten Grad schon ausrichten?«

In diesem Moment traf ein lodernder weißer Keil Arina im Rücken. Einen Moment lugte er aus ihrer Brust heraus, dann zog er sich langsam, einer unsichtbaren Hand gehorchend, zurück.

»Ah, ah, ah…«, stöhnte die Hexe, die unwillkürlich nach vorn stürzte.

Die Feuerschneide loderte im Zwielicht. Dann verzog sich die graue Finsternis und gab Swetlana frei.

Die Hexe schien sich bereits von dem Schlag erholt zu haben. Tänzelnd wich sie zurück, ohne Swetlana aus den Augen zu lassen. Von dem angesengten Riss in ihrem Kleid stieg Rauch auf, Blut floss jedoch nicht. In ihren Augen stand eher Respekt als Hass zu lesen.

»Ach du… Große…«Arina stieß ein krächzendes Gelächter aus. »Habe ich dich übersehen?«

Swetlana antwortete nicht. Nie hätte ich mir einen solchen Hass in ihren Augen vorstellen können: Ein Mensch wäre gestorben, wenn er sie bloß angesehen hätte. In ihrer rechten Hand hielt sie ein weißes Schwert, die Finger ihrer linken fuhrwerkten in der Luft herum, als drehten sie an einem unsichtbaren Zauberwürfel.

Das Zwielicht dunkelte ein. Um Nadjuschka herum bildete sich eine regenbogenfarbene Kugel. Die nächsten Passes Swetla-nas galten mir: Mein Körper bekam seine Beweglichkeit zurück. Ich sprang auf und lief hinter die Hexe. In diesem Krieg spielte ich nur eine Nebenrolle.

»Aus welcher Schicht bist du gekommen, du Irrlichternde?«, fragte die Hexe fast gutmütig. »Doch wohl nicht aus der vierten? Aber die dritte habe ich abgesucht…«Ich spürte, dass ihr sehr, sehr viel an der Antwort lag. »Aus der fünften«, sagte Swetlana plötzlich.

»Das ist nicht gut…«, murmelte die Hexe. »Das schafft sie, die Wut einer Mutter…«Sie linste aus den Augenwinkeln zu mir herüber, richtete den Blick dann jedoch wieder auf Swetlana. »Behalte besser für dich, was du dort gesehen hast…»

»Spar dir deine klugen Ausführungen«, meinte Swetlana. Die Hexe nickte. Abrupt krempelte sie die Ärmel hoch und riss sich ein paar Haare aus. Ich weiß nicht, ob Swetlana damit gerechnet hatte - ich hielt es jedoch für geboten wegzuspringen. Woran ich gut tat: Um die Hexe herum toste ein schwarzer Schneesturm los, als ob sich jedes einzelne Haar in eine dünne, feine Klinge aus schwarzem Stahl verwandelt hätte. Die Hexe ging auf Swetlana zu. Diese schleuderte das weiße Schwert gegen die Hexe. Die Klingen zerstückelten es jedoch, löschten es aus. Daraufhin bildete sich vor Swetlana ein durchscheinender, durch die Luft gleitender Schild. Ich glaube, er heißt»Lushin-Verteidigung«.

Lautlos und fast unverzüglich zerbrachen die Klingen an dem Schild.

»Ach, diese Mamotschkas…«, sagte Arina kläglich. Komisch, aber ich hegte keinen Zweifel daran, dass sie das ernst meinte. Gleichzeitig war es theatralisch, für ein Publikum gedacht. In dem Fall für mich.

»Ergib dich, du Miststück«, sagte Swetlana. »Noch biete ich dir das an: dich zu ergeben!«

»Und wenn… wenn ich tatsächlich…«, meinte Arina plötzlich. »Was dann?«

Diesmal hatte sie nicht nach ihren Amuletten gelangt. Sondern nur in einer Art Singsang ihre Knittelverse vorgetragen.

Staub, zu andrem Staub gerafft, In den Händen spüre Kraft, Diener sollst du sein und Halt, Sonst verstreue ich dich bald!

Von Arina hatte ich alles Mögliche erwartet. Aber nicht das.