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Vor mir, an der Autobahneinfahrt, brannte ein Licht. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich durchs Zwielicht. Quer über der Straße stand ein Sperrgitter der Miliz. Daneben warteten zwei Menschen und zwei Andere. Dunkle Andere. Lächelnd drosselte ich die Geschwindigkeit.

Ameisen statt Bienenschwärme wimmeln mir im Sinn, Das Geschoss hat eine Unwucht zu der Liebe hin. Doch die Schlangenringe sind eine feste Wehr, Eine schwarze Sonne seh ich, und sie hasst mich sehr. Kampflos könnte ich dem Teufel in den Rachen springen, Doch ich werde stehend sterben in den Schlangenringen. Denn die Ringe machen, dass ich starr und reglos steh. Stets die schwarze Sonne sehen tut den Augen weh.

An der Sperre hielt ich an, wartete, bis der Polizist zu mir kam, der eine Maschinenpistole vor die Brust gepresst hielt. Die Inquisition hat noch nie Probleme damit gehabt, bei der Abrigelung eines Gebiets Menschen einzusetzen.

Ich hielt dem Polizisten meinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere hin und stellte den Ton ab. Dann sah ich mir die Anderen an.

Den einen Inquisitor kannte ich nicht, ein hagerer, älterer Asiat. Ich würde schätzen, er stand auf der zweiten oder dritten Kraftstufe, doch bei Inquisitoren lässt sich so was immer schwer sagen.

Der zweite war ein gewöhnlicher Dunkler aus der Moskauer Tagwache. Der Vampir Kostja.

»Wir suchen eine Hexe«, sagte der Inquisitor. Die Polizisten ignorierten die beiden völlig, denn ihnen war befohlen worden, nichts zu sehen.

»Bei mir ist Arina nicht«, sagte ich. »Leitet Edgar die Razzia?«Der Inquisitor nickte. »Fragen Sie ihn nach mir. Anton Gorodezki, Nachtwache.«

»Ich kenne ihn«, murmelte Kostja, während er sich zum Inquisitor beugte. »Alles in Ordnung. Ein gesetzestreuer Lichter…»

»Fahren Sie weiter.«Der Polizist gab mir meine Papiere zurück.

»Ja, Sie können weiterfahren«, nickte der Inquisitor. »Es kommen noch mehr Straßensperren.«

Ich nickte und fuhr auf die Autobahn. Kostja stand da und sah mir nach. Ich stellte den Ton wieder an.

Bin nicht gut, nicht böse, nein; ich bin für alles offen. Heimat, hast es doch mit mir mächtig gut getroffen! Deine Schlangenringe sind mir Wohnung und Verschlag. Und so werd ich weiterkriechen Unter dieser Teufelssonne, Hin und her, hin und her, Bis zum Jüngsten Tag.

Dritte Geschichte

Niemandskraft

Prolog

Er träumte selten. Momentan schlief er nicht einmal. Und trotzdem kam ihm das alles fast wie ein Traum vor, eine Phantasie, kurz vor dem Aufwachen…

Eine leichte, reine, nahezu kindliche Phantasie… »Treibstoff… Oxydationsmittel… Start…« Der silbrige Körper einer Rakete in leichtem Nebel. Aus den Düsen herausschlagende Flammen.

Jedes Kind träumt davon, Kosmonaut zu werden, bis es dann zum zehnten Mal gefragt wird: »Was möchtest du werden? Kosmonaut?«

Andere hören auf, vom Kosmos zu träumen, sobald sie Andere werden.

Das Zwielicht ist interessanter als fremde Planeten. Die neue Kraft verlockender als der Ruhm des Kosmonauten.

Doch jetzt phantasierte er wieder von einer Rakete - einer alten, plumpen Rakete, die in den Himmel aufstieg. Die Erde zog unter den Füßen oder überm Kopf vorbei. Dicke Fensterscheiben aus Quarzglas. Seltsame Träume für einen Anderen, oder?

Die Erde… der Wolkenschleier… die Lichter in den Städten… die Menschen. Millionen. Milliarden.

Und er, der aus dem Orbit auf sie herunterblickte.

Ein Anderer im Weltall - was könnte es Absurderes geben? Vielleicht ein Anderer im Kampf gegen einen Außerirdischen. Als er einmal einen SF-Film gesehen hatte, war ihm plötzlich der Gedanke gekommen, dass es für die tapfere Ripley allerhöchste Zeit war, ins Zwielicht einzutreten. Und zuzuschlagen, wieder und wieder auf diese behäbigen, hilflosen Mistwesen einzuschlagen.

Bei dem Gedanken hatte er lachen müssen. Es gab keine Außerirdischen.

Aber es gab den Kosmos. Nur dass früher nicht klar war, wozu. Jetzt hatte er es verstanden.

Mit geschlossenen Augen stand er da und hing seiner Phantasie von der kleinen, sich langsam unter ihm drehenden Erde nach.

Jedes Kind träumt davon, ein Riese zu werden - solange es nicht darüber nachdenkt, wozu das nötig ist. Jetzt wusste er alles.

Die Teile des Puzzles passten zusammen. Sowohl seine Vorherbestimmung als Anderer. Als auch sein alberner Traum vom Kosmos.

Wie auch das schmale Buch, gebunden in Menschenhaut, geschrieben in akkurater Schnörkelschrift.

Er hatte das Buch genommen, das direkt auf dem Holzfußboden lag. Die erste Seite aufgeschlagen.

Dort prangten unversehrt die Buchstaben, die eine leichte, aber zuverlässige Magie schützte.

Schon seit langer Zeit erklang diese Sprache nicht mehr auf der Erde. Einen Indologen hätte sie an Sanskrit erinnert, doch nur wenige wussten, was es mit Paisaci auf sich hatte. Ein Anderer indes versteht selbst eine tote Sprache.

»Möge euch der Elefantengesichtige schützen, der mit dem Kopf nickt, ihn nach oben reißt, ihn nach unten drückt, gleich Shiva, wie er auf Uma auf und ab wippt! Und möge Ganapati in mich den süßen Saft der Weisheit gießen!

Mein Name ist Fuaran, ich bin eine Frau aus der ruhmreichen Stadt Kanakapura.

Der Erfüller aller Wünsche und Gatte der Parvati hat mich in den Tagen meiner Jugend reich bedacht, als er mir das Vermögen schenkte, in der Welt der Gespenster zu wandeln. Während in unserer Welt ein Blütenblatt, sich im Winde drehend, von einem blühenden Baum herabsegelt, vergeht in jener Welt ein Tag. Denn das ist ihre Natur. Und es ist in jener Welt dort eine große Kraft verborgen…«Er schloss das Fuaran. Das Herz hämmerte ihm in der Brust. Eine große Kraft!

Ihm aus den Händen einer Hexe zugefallen, die vor fast zweitausend Jahren umgekommen war.

Eine herrenlose, verwahrloste, selbst den Anderen verborgene Kraft. Eine Niemandskraft.

Eins

Kurz nach sieben Uhr morgens fuhr ich am Gebäude der Nachtwache vor. Da ist am wenigsten los - es ist die Zeit zwischen den Schichten. Die Fahnder, die nachts durch die Straßen patrouilliert sind, haben bereits ihren Bericht abgeliefert und sind nach Hause gegangen. Die Mitarbeiter aus dem Innendienst tauchen den Moskauer Gewohnheiten gemäß nicht vor neun auf der Bildfläche auf.

Schichtwechsel gab es auch im Raum der Wachleute. Die Kollegen, die Feierabend machten, unterschrieben irgendwelche Papiere, diejenigen, die den Dienst antraten, warfen einen Blick ins Dienstbuch. Ich begrüßte alle mit Handschlag und betrat ohne die vorgeschriebene Kontrolle das Haus. Eigentlich eine Nachlässigkeit der Wachhabenden - auch wenn sie in erster Linie für Menschen zuständig sind.

Im zweiten Stock hatte der Wachtposten bereits gewechselt. Jetzt schob Garik Dienst, der mir nichts durchgehen ließ: Er betrachtete mich durchs Zwielicht und forderte mich mit einem Nicken auf, das Amulett zu berühren, eine verspielte Hahnendarstellung aus Golddraht. Bei uns hieß das Ding nach dem Zaren in Puschkins Märchen»Gruß dem Dadon«: Theoretisch sollte der Hahn anfangen zu krähen, sobald ein Dunkler ihn berührte. Einige Witzbolde behaupteten sogar, der Hahn würde mit menschlicher Stimme»Widerling!«quäken, wenn er einen Dunklen spürte.