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»Ja«, meinte Geser nickend. »Deshalb würde ich euch bitten…«

Bevor er den Satz beendete, sagte ich schnelclass="underline" »Wir wissen nicht, wo Arina ist. Das stimmt doch, oder, Swetlana?«Swetlana blickte finster drein, nickte aber.

»Danke«, sagte Geser. »Das war das Erste. Jetzt zum Zweiten. Wir müssen das Fuaran finden. Um jeden Preis. Vermutlich wird ein Suchtrupp gebildet. Ich möchte, dass von unserer Seite Anton daran teilnimmt. »

»Ich bin stärker«, sagte Swetlana leise.

»Das spielt in dem Fall keine Rolle.«Geser schüttelte den Kopf. »Nicht die geringste. Außerdem brauche ich dich hier, Swetlana. »

»Wozu?«, wollte Swetlana misstrauisch wissen.

Einen Moment lang zögerte Geser. Dann sagte er: »Um im Notfall Nadja zu initiieren.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, sagte Swetlana mit eisiger Stimme. »In ihrem Alter und mit ihrer Kraft kann sie noch keine Andere werden!«

»Möglicherweise bleibt uns nichts andres übrig«, murmelte Geser. »Swetlana, die Entscheidung triffst du. Ich bitte dich nur, dass du in der Nähe des Kindes bleibst.«

»Da mach dir mal keine Gedanken«, zischte Swetlana. »Ich werde sie nicht aus den Augen lassen.«

»Richtig so.«Geser lächelte und ging wieder zum Haus zurück. »Kommt, jetzt beginnt unser Rat in Fili.«

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als Swetlana sich mir zudrehte. »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«, fragte sie mit allem Nachdruck.

»Geser hat seinen Sohn nicht finden können«, meinte ich. »Der ist nämlich wirklich nur ein Mensch gewesen! Und erst vor kurzem zum Anderen geworden. »

»Arina?«

»Sieht so aus. Sie ist aus ihrem Winterschlaf erwacht und hat sich orientiert. Hat in Erfahrung gebracht, wer jetzt der Chef bei welcher Wache ist…«

»Und hat das Fuaran benutzt, um Geser insgeheim ein kleines Geschenk zu machen? Um seinen Sohn in einen Anderen zu verwandeln?«Swetlana zuckte die Achseln. »Das glaub ich nicht. Weshalb hätte sie das tun sollen? So dick ist ihre Freundschaft doch wohl nicht, oder?«

»Was heißt, weshalb? Jetzt wird Geser alles daransetzen, damit Arina nicht gefunden wird. Das ist ihre Rückversicherung, oder etwa nicht?«

Swetlana kniff die Augen zusammen. Dann nickte sie. »Aber was ist, wenn die Tagwache…«

»Woher wollen wir wissen, was sie im Hinblick auf Sebulon unternommen hat?«Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendwie glaube ich, dass auch die Tagwache es mit der Suche nach der Hexe nicht übertreiben wird.«

»Das ist doch ein durchtriebenes Weibsbild«, sagte Swetlana ohne jede Häme. »Ich hätte Hexen nicht so unterschätzen dürfen! Durchschaust du auch die Geschichte mit Nadja?«Ich schüttelte den Kopf.

Das, was Geser gesagt hatte, war in der Tat völliger Quatsch. Manchmal wurden Andere im Alter von fünf oder sechs Jahre initiiert. Aber niemals früher. Ein Kind, das die Fähigkeiten eines Anderen erhält, das diese aber noch nicht kontrolliert einsetzen kann, wäre eine wandelnde Bombe. Vor allem eine so starke Andere wie Nadjuschka. Selbst Geser würde das Mädchen nicht aufhalten können, wenn es übermütig wird und seine Kraft einsetzt. Nein, die Worte Gesers ergaben einfach keinen Sinn!

»Ich reiße ihm die Beine aus und pflanze sie ihm an Stelle der Arme wieder an!«, versprach Swetlana völlig gelassen. »Sobald er noch einmal darauf zu sprechen kommt, dass Nadja initiiert werden soll. Was ist, wollen wir gehen?«

Hand in Hand - wir beide hatten im Moment das starke Bedürfnis, einander nahe zu sein - gingen wir zum Haus zurück.

Die Inquisitoren, die durch eine Laune des Zufalls in das Geheimnis eingeweiht worden waren, sollten erneut eine Kette rund um das Haus bilden. Wir sechs setzten uns an den Tisch.

Geser trank Tee. Er hatte ihn selbst aufgebrüht, wobei er nicht nur normalen Sud benutzt, sondern auch Kräuter aus den reichen Vorräten der Hexe hinzugegeben hatte. Auch ich nahm eine Tasse. Der Tee roch nach Minze und Wachholder, war bitter und streng, machte mich aber munter. Sonst konnte er niemand verführen: Swetlana murmelte freundlich etwas und stellte ihre Tasse weg. Auf dem Tisch lag der Brief.

»Vor zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Stunden«, meinte Sebulon mit einem Blick auf das Blatt Papier. »Sie hat den Brief vor Ihrem Besuch geschrieben, Inquisitor!«

Edgar nickte. »Schon möglich…«, fügte er widerwillig hinzu. »Möglicherweise sogar während unseres Besuchs. Wir hatten Probleme, sie in den tiefen Schichten des Zwielichts zu verfolgen. Ihr wäre also genug Zeit geblieben, sich in aller Ruhe hinzusetzen und den Brief zu schreiben.«

»Damit haben wir keinen Grund, die Hexe zu verdächtigen«, murmelte Sebulon. »Sie hat das Buch dagelassen, um sich freizukaufen. Arina hätte also keine Veranlassung gehabt, deswegen zurückzukommen und einen Inquisitor umzubringen. »

»Einverstanden«, meinte Geser zögerlich.

»Welch erstaunliche Übereinstimmung zwischen Dunklen und Lichten…«, bemerkte Edgar. »Sie machen mir Angst, meine Herren.«

»Das ist nicht die Zeit für Unstimmigkeiten«, erwiderte Sebulon. »Wir müssen den Mörder und das Buch finden.«O ja, er hatte seine Gründe, Arina zu verteidigen!

»Gut.«Edgar nickte. »Kommen wir zum Anfang zurück. Viteszlav hat mich angerufen und mir vom Fuaran erzählt. Das Gespräch hat niemand mitgehört.«

»Alle Gespräche über Handy werden abgehört und aufgezeichnet…«, warf ich ein.

»Was du nicht sagst, Anton!«Edgar bedachte mich mit einem ironischen Blick. »Ermitteln etwa Geheimdienste der Menschen gegen die Anderen? Um dann, sobald sie etwas von dem Buch gehört haben, einen Agenten hierher zu schicken? Der dann einen Hohen Vampir ermordet?«

»Anton hat so Unrecht nicht«, sprang Geser mir zur Seite. »Ihnen ist doch bekannt, Edgar, dass wir jedes Jahr Schritte der Menschen zu unterbinden haben, die auf unsere Entdeckung zielen. Und was die Spezialabteilungen der Geheimdienste angeht…«

»Dort sitzen welche von uns«, warf Edgar ein. »Doch selbst wenn wir davon ausgehen, dass wieder einmal nach Anderen gefahndet wird, dass irgendwo Informationen nach draußen dringen, bleibt Viteszlavs Tod ein Rätsel. Nicht einmal James Bond könnte unbemerkt zu ihm vordringen. »

»James Bond? Wer ist denn das?«, wollte Sebulon wissen.

»Das gehört in den Bereich der Mythologie«, meinte Geser schmunzelnd. »Der modernen Mythologie. Lassen Sie uns hier nicht sinnlos unsere Zeit vergeuden, meine Herren. Die Situation ist doch völlig klar: Viteszlav ist von einem Anderen ermordet worden. Einem starken Anderen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach von jemandem, dem der Inquisitor vertraut hat.«

»Er hat niemandem vertraut, noch nicht einmal mir«, murmelte Edgar. »Vampire nehmen das Misstrauen einfach mit dem Mutterblut auf… wenn Sie den Scherz entschuldigen wollen.«

Niemand lächelte. Kostja schielte finster zu Edgar hinüber, sagte jedoch kein Wort.

»Willst du von allen Anwesenden das Gedächtnis überprüfen lassen?«, erkundigte sich Geser höflich. »Würden Sie dem denn zustimmen?«, wollte Edgar wissen.

»Nein«, entgegnete Geser. »Ich weiß die Arbeit der Inquisition zu schätzen, aber alles hat seine Grenze.«

»Damit wären wir in einer Sackgasse gelandet.«Edgar breitete die Arme aus. »Meine Herren, wenn Sie nicht kooperationsbereit sind…«

Swetlana hüstelte taktvoll. »Darf ich vielleicht etwas dazu sagen?«, fragte sie. »Aber ja, sicher.«Edgar nickte freundlich.

»Ich glaube, wir schlagen einen falschen Weg ein«, sagte Swetlana. »Sie sind der Ansicht, wir sollten den Mörder suchen, dann würden wir auch das Buch finden. Das stimmt, aber den Mörder kennen wir nicht. Warum versuchen wir nicht einfach, das Buch aufzuspüren? Über das Fuaran kommen wir dann auch an den Mörder.«

»Und wie würdest du das Buch suchen, Lichte?«, fragte Sebulon in ironischem Ton. »Willst du James Bond anrufen?«

Swetlana streckte die Hand aus und berührte vorsichtig Arinas Brief. »Also… Soweit ich es verstanden habe, hat die Hexe den auf das Buch gelegt, möglicherweise sogar zwischen die Seiten gesteckt. Eine gewisse Zeit lang lagen diese beiden Gegenstände also zusammen. Das Buch selbst ist eine magische, eine mächtige Sache. Wenn wir ein Ebenbild herstellen… Sie wissen schon, in der Weise, wie man es den jungen Magiern beibringt…«