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Finale: Ausführung der Weisungen aus London. Ein Finale mit Happy End?

Genau das war das Problem. Der Marder schaute nachdenklich. Verdammt harte Nuss, keine Frage. Dieser Heydrich hatte wirklich an fast alles gedacht.

Aber eben nur fast.

Zugegeben, dass er bei Möllendorf an den Falschen geraten war, hatte der Herr Reichsprotektor nicht unbedingt voraussehen können. Und schon gar nicht, dass seine Telefonate abgehört wurden. Der Marder lächelte verschmitzt. Der allmächtige Heydrich–Opfer der Fallstricke, die er jahrelang ausgelegt hatte. Eine Ironie nach seinem Geschmack. Aber noch lange kein Grund zur Freude. Dafür war die Sache nämlich viel zu ernst.

Todernst, um es genau zu sagen.

Es half alles nichts! Er musste herauskriegen, wo sich Heydrichs Giftschrank befand. Beziehungsweise die Akten, die darin gebunkert gewesen waren. Und das, wenn möglich, so schnell es ging. Denn wie er Sydow kannte, würde er nicht locker lassen. Der nicht. Da waren die Kollegen an den Falschen geraten.

Pech gehabt.

Genauso wie Möllendorfs Frau. Gut möglich, dass sie nicht wusste, wie viel Dreck der Herr Gemahl am Stecken gehabt hatte. Die Miene des Marders verdüsterte sich, und die stahlblauen Augen verloren ihren Glanz. Wie dem auch sei, dachte er, bis jetzt hat sie jedenfalls dicht gehalten! Wie lange noch, war allerdings die Frage. Und ob sie die ›Sonderbehandlung‹, der man sie gerade unterzog, überstehen würde.

Dennoch, es gab nichts, was er für die Frau tun konnte. Es sei denn, er würde sich selbst ans Messer liefern.

Der Marder ließ die Kladde mit dem Codeschlüssel in seinem Safe verschwinden, schaltete das Funkgerät vom Typ ›Köln E 52-a/b‹ ab und trat ans Fenster, das der Wärme wegen offen stand. Das ehemalige preußische Abgeordnetenhaus zur Linken, das Reichsluftfahrtministerium im Hintergrund rechts–ein Panorama, auf das er hätte verzichten können. Hier droben, in den oberen Stockwerken der Gestapo-Zentrale, kam man nämlich vor Hitze fast um, und wenn der Wetterbericht stimmte, würde dies auch so bleiben. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, zog der Marder die Gardinen zu und fuhr mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. Nichts Schlimmeres, als untätig rumsitzen zu müssen, aber so lange Heydrichs Giftschrank verschollen blieb, gab es für ihn nur eins: abwarten. Warten auf den alles entscheidenden Moment. Und darauf hoffen, dass ihm Sydow nicht in die Quere kam.

Der Marder trank einen Schluck Lipton, ein Teespleen aus Etoner Tagen. Überhaupt–Eton! Eine glückliche Zeit, zweifellos. Bis zu dem Tag, an dem sein Alter pleite ging und sich ein halbes Jahr später die Kugel gab. Ende der Vorstellung! Trotzdem, für Reminiszenzen, gleich welcher Art, war in diesem Geschäft kein Platz. Er hatte einen Auftrag, und den würde er ausführen.

Rücksichtslos.

Ohne dass er sich dessen bewusst wurde, fuhr die Hand des Marders an sein Pistolenhalfter, aber das Telefon holte ihn schlagartig aus seinen Grübeleien.

»Referat vier A!«, bellte er in den Hörer. So etwas kam bei der Gestapo bekanntlich gut an.

»Bitte die Störung zu entschuldigen, Sturmführer!«, antwortete der Wachhabende devot. »Aber es ist wichtig!«

Noch so ein Bastard, dem nicht zu trauen ist, dachte der Marder bei sich. Zu klein, zu fett, zu schmierig. Er konnte diese Kreuzung aus Göring und Goebbels auf den Tod nicht ausstehen. »So wichtig, dass ich meinen Tee nicht zu Ende trinken kann?«

»Mit Sicherheit.«

»Und worum handelt es sich?«

»Geheime Kommandosache, Sturmführer. Ich denke, Sie wissen so gut wie ich, was das heißt.«

Natürlich, du Trottel, dachte der Marder und schnitt eine Grimasse. Selbstverständlich wusste er, was das hieß. Lange herumraten brauchte man da nicht. »Der Giftschrank, hab ich recht?«

Doch so leicht ließ sich der Wachhabende nicht aus der Reserve locken. »Bedaure, diesbezüglich Auskünfte zu erteilen steht mir nun wirklich nicht zu! Wenn, denke ich, wird Ihnen der Obersturmführer…«

»Auch das noch!«

»… selbst sagen, worum es geht!«, entgegnete der Wachhabende pikiert und fuhr fort: »In circa einer halben Stunde, falls Sie es noch so lange aushalten können!«

Dann legte er auf.

Der Marder knallte den Hörer auf die Gabel, machte eine obszöne Geste und zog seine Uniformjacke an. Eines Tages, schwor er sich, eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages würde er mit der Brut hier abrechnen.

Und wenn es das Letzte war, das er in diesem Leben tat.

*

Diesmal würden sie aufs Ganze gehen. Da machte sie sich nichts vor. Die Folter war eine Frage des Wann, weniger des Ob.

»Besser, Sie kooperieren.« Beim Klang der tonlosen Stimme, sozusagen eine Art Vorgeschmack, erbebte die Frau in Zelle sieben bis ins Mark. Schwindel überkam sie, und ihr Magen zog sich krampfartig zusammen.

»Was mich betrifft, Obersturmführer, wäre meiner Aussage nichts mehr hinzuzufügen. Glauben Sie mir, mit mir verschwenden Sie nur Ihre Zeit.« Irene Grabow, verwitwete von Möllendorf, war eine mutige Frau. Das stand außer Frage. Doch würde es ihr nichts nützen. Nicht hier und nicht bei diesem Mann.

»Sicher?«

»Vollkommen.«

»Zu dumm, dass ich in diesem Punkt anderer Meinung bin.«

»Wie gesagt, Obersturmführer, mit mir verschwenden Sie nur Ihre Zeit. Sie täten besser daran, mich auf freien Fuß zu…«

»Sind Sie eigentlich so naiv, oder tun Sie nur so?«

»Wie bitte?«

»Keine Fisimatenten. Sonst muss ich andere Saiten aufziehen.« Moebius, dem Anschein nach nur mäßig interessiert, stieß sich vom Türbalken ab, an den er sich gelehnt hatte, schnippte mit dem Finger und machte einen Schritt nach vorn. Fast gleichzeitig fiel die Zellentür hinter ihm ins Schloss. Die Geste verfehlte ihre Wirkung nicht.

»Und wozu soll das Ganze gut sein?«, fragte Frau von Möllendorf in hörbar alarmiertem Ton.

»Damit es nicht zum Äußersten kommt: Ich bin es, der hier die Fragen stellt, ist das klar?«

»Ganz wie Sie wünschen, Obersturmführer.«

»Na also! Warum denn nicht gleich?«, antwortete Moebius barsch. Die Sonne, die vom Hof aus durch das Gitterfenster fiel, brach sich an seiner Brille, weshalb sich die Frau ruckartig abwandte.

»Aber, aber, wer wird denn gleich so schreckhaft sein? Alles, was ich von Ihnen haben möchte, sind ein paar Informationen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«

»Auskünfte, sagen Sie?« Während sie sich an die Pritsche klammerte, richtete Irene von Möllendorf den Blick nach vorn. Der Verputz an der gegenüberliegenden Wand war von dunkelroten Flecken übersät, welcher Art, bedurfte keines Kommentars.

Doch der kam nur Sekundenbruchteile später.

»Von Ihrem Vorgänger, Gnädigste!«, triefte Moebius nur so vor Hohn. »Ein Mann, den man sich in Ihrer Situation nicht unbedingt zum Vorbild nehmen sollte.«

»Also gut, bringen wirs hinter uns.«

»Eine lobenswerte Einstellung.« Moebius durchmaß die Zelle, blieb unter dem Fenster stehen und drehte sich abrupt um. »Wann also, um die Frage zum x-ten Mal zu wiederholen, haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen?«

»Vor ziemlich genau vier Tagen.«

»Darf man erfahren, wann?«

»Auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen, Obersturmführer, beim Frühstück.«

Der Schlag auf ihre Wange kam plötzlich, wie aus heiterem Himmel. Mit einer Wucht, dass Irene von Möllendorf den Halt verlor, mit dem Kopf auf die Bettkante prallte und mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen blieb.

»Beim Frühstück, soso!«, fuhr ihr Peiniger ungerührt fort und kaute auf dem Nagel seines Mittelfingers herum. »Sind Sie sich dessen auch ganz sicher?«

Selbst wenn sie hätte antworten wollen, sie konnte es nicht. Ihre Backe war geschwollen, sie selbst so gut wie taub. Folglich nickte sie, das Einzige, wozu sie die Kraft besaß.

»Zu welchem Zeitpunkt auch immer. Ist Ihnen am Verhalten Ihres Mannes irgendetwas aufgefallen?«