Выбрать главу

„Ein wenig?“, spöttelte Nokrar. „Er ist so stumpf wie sein Schicksalshammer!“

Alle lachten. Durotan konnte spüren, wie die Stimmung innerhalb des Klans umschwang. Frisches Fleisch würde die Moral verbessern – und allen neue Kraft schenken. Orgrims Gruppe wurde mit anspornenden Rufen verabschiedet, als sie kurz darauf aus dem Dorf ritt.

Es würde mindestens zwei Tage dauern, bis die Jäger zurückkämen. Durotan hoffte inständig, dass sie erfolgreich sein würden; selbst ihr Vorrat an getrocknetem Fisch neigte sich inzwischen dem Ende. Er wies einen Orc namens Delgar an, ein paar andere zusammenzurufen, sich dick gegen die Kälte einzupacken und draußen auf dem Eis fischen zu gehen. Die folgenden Klagen wies er ruhig ab.

Geyah beobachtete ihn. „Du bist ein fähiger Anführer, mein Sohn“, sagte sie. „Dein Vater hätte ein Mak’gora androhen müssen, um Frostwolfkrieger zum Angeln zu bewegen!“

„Fischen ist auch eine Form der Jagd“, meinte er. „Zumindest ist es jetzt so.“

„Ich gehe zum Rand“, informierte sie ihn. Damit meinte sie die weit verteilten Hütten abseits der Gemeinschaftsfeuer im Herzen des Dorfes. „Man hat mir getrocknete Wurzeln versprochen, damit ich heute Abend Eintopf machen kann. Wer weiß, vielleicht wird es ja ein Fischeintopf.“

Es war Mittag, als sie angegriffen wurden.

Durotan sprach gerade in der Schamanenhütte mit Drek’Thar, als er das Heulen der Wölfe hörte. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass das Geheul nicht in der Mitte des Dorfes erklang, sondern im Süden, am Rand der Frostwolfsiedlung – dort, wohin Geyah gegangen war. Einen Herzschlag später hatte er bereits Donnerschlag ergriffen und raste auf Scharfzahns Rücken dem wilden Lärm entgegen.

Er sah ein halbes Dutzend Rotläufer, alle mit diesen unheilvollen, blutigen Handabdrücken beschmiert, und sie griffen mit brutaler Gewalt an. Zwei Frostwölfe lagen bereits reglos auf dem Boden. Geyah stieß lautes Kampfgeschrei aus, während sie mit einem kleinen Beil auf einen der bizarren Orcs zustürmte, als dieser gerade einen Sack mit gemahlenen Nüssen davontrug. Andere Frostwölfe, die meisten von ihnen Handwerker oder Kinder, hatten ebenfalls behelfsmäßige Waffen ergriffen und stellten sich den Angreifern mit einem Mut entgegen, der Durotans Herz gleichzeitig anschwellen und zerbrechen ließ.

Er stürzte sich auf den Rotläufer, der den Sack stehlen wollte und rammte ihm Donnerschlag durch die Brust. Verblüfft starrte der Orc ihn an, aufgespießt wie eine Talbuk-Keule über dem Feuer.

Ein weiterer Rotläufer rannte, erzürnt durch diesen Angriff, auf eine Gruppe von Kindern zu. Sie sprangen auf ihn zu, griffen ihn mit kleinen Schnitzmessern an und hielten ihn in Schach, bis Kagra, Nokrars Gefährtin, mit einer Keule herbeieilte und ihm den Schädel einschlug.

Geyah schleuderte ihr kleines Beil auf den nächsten Rotläufer. Sie traf ihn zwischen Nacken und Schultern und brachte ihn ins Taumeln. Anschließend sprang sie auf seinen Rücken, riss das Beil frei und machte ihrem Gegner den Garaus. Weitere Frostwölfe ritten nun aus dem Dorfzentrum herbei, bewaffnet mit Äxten und Hämmern und ihrem gerechten Zorn. Ein Rotläufer ging unter ihrem Ansturm zu Boden, die übrigen gerieten in Panik und wirbelten herum, um zu fliehen. Einer von ihnen hielt einen Armvoll Pelze umklammert, der andere ein Fass mit gepökeltem Fisch.

Grukag und Durotan trampelten sie mit ihren Wölfen nieder. Während er keuchend auf die noch zuckenden Leiber ihrer Feinde hinabstarrte, wurden dem jungen Häuptling zwei Dinge klar.

Erstens: Keiner der Frostwölfe, die hier am Rand lebten, war sicher. Sie würden alle in die Nähe des Dorfzentrums ziehen müssen.

Zweitens: Der Angriff hatte sich ereignet, als fast alle Krieger fort waren, entweder, um zu fischen oder zu jagen. Das bedeutete, dass die Rotläufer die Siedlung schon seit Längerem beobachtet hatten.

Er sah zu Geyah hinüber, und als sich ihre Blicke trafen, erkannte er, dass auch sie begriff. „Hört alle her“, rief er. „Packt eure Sachen zusammen. Ihr werdet ab jetzt in der Nähe des Hauptfeuers bleiben.“

Durotan schickte der Fisch- und der Jagdgruppe Reiter nach, um sie zurückzurufen. Sie sollten alle ins Dorf zurückkehren und ihren Klanbrüdern und -schwestern dabei helfen, ihre Habseligkeiten zu transportieren.

Schließlich fanden sich auch die letzten Familien im Dorfzentrum ein, beladen mit ihren schlichten Besitztümern – ein paar Möbelstücke, Felle und die ihnen zugewiesenen Vorräte für den Winter. Andere Orcs würden sie bei sich aufnehmen, bis neue Hütten gebaut wären. Durotan und Orgrim stellten die letzten Gegenstände ab, die sie hergetragen hatten, ließen sich von den Familien danken und gingen dann zu Drek’Thar an die große Feuergrube.

„Die Kinder werden älter“, bemerkte Durotan.

„Das haben Kinder so an sich“, witzelte Orgrim, ohne zu lachen. Der verlockende Duft von gebratenem Talbuk-Fleisch trieb durch die frostige spätherbstliche Luft; obwohl Orgrim seine Jagd vorzeitig hatte beenden müssen, war er nicht mit leeren Händen zurückgekehrt.

Kurz flackerte Belustigung in Durotan auf, und er stieß seinen Freund an, der prustend lachte, bevor er einen weiteren Streifen von dem Fleisch schnitt, das am Spieß über dem Feuer briet. Doch der junge Häuptling wurde schnell wieder ernst.

„Ich habe keine Neugeborenen gesehen“, sagte er, und nun wurde auch Orgrims Gesicht grimmig.

„Die Wölfe haben auch nicht geworfen“, brummte er. „Und in den Herden wurden dieses Jahr nur wenige Kälber geboren.“

„Es ergibt einen Sinn“, meinte Durotan. „So gibt es weniger Mäuler zu füttern, wenn die Nahrung knapp ist.“

„Ja“, warf Drek’Thar ein, der neben ihnen saß und seine Hände der Wärme entgegenstreckte. „Sinn. Der Geist des Lebens weiß um die Bedeutung von Ebbe und Flut. Aber wenn es keine Kälber gibt, die zu Kühen und Bullen heranwachsen, was sollen wir dann essen? Wenn keine jungen Orcs in den Klan hineingeboren werden, was soll dann aus den Frostwölfen werden?“ Seine blicklosen Augen richteten sich in Durotans Richtung. „Deine Achtsamkeit hat viele Leben gerettet.“

Der junge Häuptling schüttelte mit mürrischer Miene den Kopf. „Wäre ich wirklich achtsam gewesen, hätten die Rotläufer es nicht gewagt, uns anzugreifen.“

„Nein. Spiel nicht herunter, was du hier Gutes bewirkt hast. Kinder, die andernfalls den Hungerstod gestorben wären, leben dank dir und können heute Abend am Feuer spielen. Doch Achtsamkeit kann kein neues Leben erschaffen.“

„Hat dich der Geist des Lebens besucht?“

Drek’Thar schüttelte den Kopf. „Die Geister kommen dieser Tage immer seltener zu mir. Aber ich brauche keine Visionen oder Botschaften, um etwas so Simples zu erkennen. Der Klan ist stark und gesund, zumindest fürs Erste. Aber jetzt ist nicht morgen.“

Die Worte lasteten schwer auf Durotan. Er dachte an Gul’dan und sein Versprechen von einem neuen Land, fruchtbar und grün und überquellend vor Leben. Ob der Hexenmeister und seine Horde bereits zu diesem rätselhaften Ort aufgebrochen waren? Er sah Gul’dans verfärbte Haut vor sich, das grüne Glühen seiner Augen, die toten Dinge, mit denen er seinen Körper verziert hatte …

Durotan schüttelte den Kopf. Alles in ihm, alles, was er von Geyah und Garad und Drek’Thar gehört hatte, sagte ihm, dass die Versprechungen des Hexenmeisters einen hohen Preis fordern würden. Lachen hallte von einer der umgesiedelten Familien herüber, frei, fröhlich und zufrieden.

Im Moment war der Klan stark und gesund. Und fürs Erste war das alles, was Durotan wollte.

Der Winter war gnadenlos. Er folgte auf dem Fuße eines trockenen Herbstes, der von verschrumpelten Früchten und beißendem Frost gezeichnet war. Das Feuerholz, das die Orcs im Sommer unter grummelndem Protest gesammelt hatte, hielt sie nun warm. Das getrocknete Fleisch, das sie beiseitegelegt hatten, als es noch süß und saftig war, diente ihnen nun als zähes Mahl, wenn draußen Schneestürme tobten und niemand auf die Jagd gehen konnte.