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„Komme, was da wolle“, wiederholte sie.

Das frische Wasser hatte den Frostwölfen bereits Grund zum Jubel gegeben, und als sie die Neuigkeiten erfuhren, bekundeten sie donnernd ihre Zustimmung. Obwohl Draka vielen anfangs als Kuriosum erschienen war, hatte sie durch Wissen und Talent schnell ihren Wert für den Klan bewiesen. Die Verbindung der beiden wurde noch an diesem Abend bei einer Zeremonie in der kleinen Unterkunft besiegelt, welche die anderen hastig aus Stein und Holz für das neue Paar errichtet hatten. Während er sie in seinen Armen hielt, beklagte Durotan, dass Draka etwas Besseres verdiente als diese Bleibe. Daraufhin versetzte sie ihm einen spielerischen Stoß und erklärte, dass er das Einzige sei, was sie brauchte.

Sie hatten einander, und der Klan hatte sie – ein vereintes, hingebungsvolles und entschlossenes Paar. Sie würden den Frostwölfen dienen, so gut sie nur konnten und solange sie lebten.

Komme, was da wolle.

14

Den ganzen Winter hindurch wurden die Geister mit neuem Eifer verehrt. Obwohl Feuer für die Zerstörung ihrer Heimat auf dem Frostfeuergrat verantwortlich gewesen war, hießen die Frostwölfe seine Flammen während der langen, dunklen, bitteren Monate mehr als willkommen. Die unterirdische Quelle, die sie dank des vom Geist des Wassers geschickten Rothähers entdeckt hatten, wurde umsorgt, damit sie nicht gefror, und wie Durotan vorausgesagt hatte, lockte das frische Wasser Wild an. Somit hatte der Klan nicht nur mehr zu trinken, sondern auch mehr zu essen. Zumindest anfangs. Doch im Lauf der Zeit kamen immer weniger Tiere, und sie wirkten ungewöhnlich klein und zerbrechlich. Durotan fühlte sich an Kurg’nals Bericht über »grüne« Talbuks erinnert, und obwohl sie, den Geistern sei Dank, keine solchen Kreaturen entdeckten, war es doch offensichtlich, dass die Herdentiere unter einer Krankheit litten. Der Klan begann derweil entschlossen wiederherzustellen, was sie bei ihrer panischen Flucht verloren hatten – Kleidung, Werkzeuge, Waffen, alles mit kalten Fingern im schwachen Winterlicht gefertigt.

Während einer furchtbaren Nacht brach ein Schneesturm über sie herein. Er kam ohne jede Vorwarnung: Sekunden zuvor war der Himmel noch klar gewesen, kein Wind hatte geweht. Tatsächlich war es so warm gewesen wie schon seit vielen Tagen nicht mehr. Doch als der Sturm zuschlug, war er absolut gnadenlos.

Zwei Jagdgruppen fanden sich abgeschnitten in der Wildnis wieder, und sie überlebten nur, indem sie sich eng aneinander und an ihre Wölfe drängten. Zwei Orcs, eine Mutter und ihr Sohn, die gerade zur Quelle unterwegs gewesen waren, kamen wenige Meter von der sicheren Zuflucht entfernt vom Weg ab; das Schneegestöber blendete sie und der Wind raubte ihnen die Orientierung, indem er sie erst hierhin, dann dorthin zerrte und die Stimmen jener hinfortfegte, die nach ihnen riefen. Das Lager selbst wurde vollständig eingeschneit, und es dauerte Tage, bis die Frostwölfe sich von dem abrupten, scheinbar willkürlichen Ansturm der Elemente erholten.

Durotan musste alle Bitten ablehnen, den Toten vor dem Frühling einen respektvollen Abschied zu bereiten. Die Leichen zu bergen und zu waschen und dann Steine zu sammeln, unter denen man sie begraben konnte – das hätte mehr Energie gekostet, als irgendeiner von ihnen entbehren konnte.

„Das ist meine Frau!“, schrie Grukag. „Und mein einziges Kind!“ Er war ebenso für seine emotionale Selbstbeherrschung bekannt wie für seine Körperkraft. Selbst, als er vor vielen Jahren den Donnerfürstenorc zum Mak’gora herausgefordert hatte, hatte er das nur getan, weil die Ehre seines Klans beleidigt worden war, nicht etwa aus Ungestüm oder Zorn. Doch jetzt hatte er seine ganze Familie verloren; sein Herz war gebrochen, und er versuchte gar nicht erst, es zu verbergen.

„Ich weiß, wie groß dein Schmerz ist“, sagte Durotan. „Ich weiß, wie eng das Band zwischen euch war. Wir werden so wenige, dass jeder Verlust dem Klan wehtut – abgesehen davon, dass jeder Verlust uns als Einzelne trifft. Aber würden Margah und Purzul wollen, dass du ebenfalls stirbst, nur um ihre Körper mit Steinen zu bedecken? Würden sie wollen, dass irgendein Frostwolf deswegen sein Leben verliert?“

Grukag wollte ganz offensichtlich protestieren, aber an Durotans Argument ließ sich nicht rütteln. Es gab zwar noch Wasser und Nahrung, aber beides war schrecklich knapp geworden, und selbst in seinem Schmerz wusste der Orc das. Also nickte er, nachdem er seinen Häuptling einen langen Moment angestarrt hatte, und ging davon.

In dieser Nacht konnte Durotan nicht schlafen. Draka lag neben ihm und ließ ihn nachdenken, streichelte nur zärtlich seine Brust. Als er schließlich zu ihr sprach, waren seine Worte gnadenlos ehrlich.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagte er. „Der schwarze Wolf der Verzweiflung ist nur einen Herzschlag entfernt. Wie soll ich meine Leute führen, wenn sich nichts mehr voraussehen lässt? Wenn alles, was ich gelernt habe, alles, was mein Vater mich gelehrt hat, durch einen einfachen Schneesturm zerstört werden kann? Wenn noch mehr Mitglieder des Klans außerhalb der Zuflucht unterwegs gewesen wären …“

„Aber sie waren es nicht.“ Draka richtete sich auf einen Ellenbogen auf und betrachtete ihren Gefährten. „Dunkle Gedanken kommen leicht in dunklen Zeiten, wenn die Sonne ihr Gesicht nicht zeigt.“ Anschließend lächelte sie, was rein gar nicht zu ihren Worten passen wollte. „Doch selbst, wenn die Welt tot erscheint, gibt es Leben.“

Durotan schnaubte. „Heute gingen Leben verloren. Selbst die Geister sprechen kaum noch zu uns. Der Geist des Lebens ist …“

Draka nahm seine große Hand und legte sie auf ihren flachen Bauch.

„Ist hier“, beendete sie den Satz mit leiser, zitternder Stimme.

Durotan starrte sie an. Erst wagte er kaum zu glauben, was sie da sagte, dann nahm er sie in die Arme und presste sie fest an sich.

Die Ankunft des Frühlings fiel düster und kalt aus. Die Kinder kletterten auf Bäume und suchten nach Vogeleiern, aber meist kehren sie mit leeren Händen auf den Boden zurück. Tiere, die einst in diese Gegend gezogen waren, um sich am kargen Gras zu nähren, schienen völlig verschwunden zu sein, als wären sie weitergezogen, um in anderen Gebieten Nahrung zu suchen.

Während des Winters hatte sich eine betäubende Resignation im Klan ausgebreitet. Jetzt, mit der Schneeschmelze, kam eine große Unruhe, der Drang, aktiv zu werden, etwas zu tun.

Doch als der karge Frühling zurückkehrte, kehrte auch Gul’dan wieder.

Ein Bote überbrachte die Nachricht, dass „Gul’dan, der Anführer der Horde, von Durotan, Sohn von Garad, Sohn von Durkosh, dem Häuptling der Frostwölfe“ das Recht auf Parley einfordere.

Durotan betrachtete den Orc auf seinem schlanken, grauen Wolf einen langen Augenblick, bevor er etwas erwiderte. „Woher weiß Gul’dan, dass mein Vater nicht länger Häuptling ist?“

Der Bote zuckte mit den Schultern. „Gul’dan ist ein Hexenmeister“, antwortete er. „Wenn er etwas wissen möchte, dann hat er Mittel und Wege, um es in Erfahrung zu bringen.“

Die Worte jagten Durotan einen Schauder über den Rücken. Bei Gul’dans letztem Besuch hatte der Hexenmeister sich nicht die Mühe gemacht, Garad seine Macht zu demonstrieren, und vermutlich würde er es auch diesmal nicht tun. Durotan dachte an Geyahs Abneigung dem grünen Orc gegenüber, an Drek’Thars nachdrückliche Warnung, dass die Geister Gul’dan ablehnten. Natürlich könnte er ihm eine zweite Audienz unter dem Banner des Parley verwehren, aber er musste zugeben, dass er neugierig war. Es konnte nicht leicht gewesen sein, den Frostwolfklan aufzuspüren. Warum hatte der Hexenmeister sich diese Mühe gemacht, um mit ihm zu reden? Was würde er ihnen diesmal anbieten?

Und wichtiger noch: Was wollte er von den Frostwölfen und ihrem Häuptling?

Zudem fand Durotan den Gedanken einer Zusammenarbeit unter Orcs interessanter denn je. Draka hatte lange Zeit abseits ihrer Heimat gelebt, und dass sie währenddessen Seite an Seite mit anderen Klans und selbst den fremdartigen Draenei gejagt hatte, schien ihr nur zum Vorteil gereicht zu haben. Diese Erfahrung hatte sie neue Fähigkeiten gelehrt und ihr mehrmals das Leben gerettet. Durotan dachte an die schreckliche Nacht, als der Altvaterberg einen Fluss aus Feuer geblutet und Rauch und Asche in den Himmel geblasen hatte – einen Himmel, der noch immer verwundet war. Er dachte an Herden schwacher, kränklicher Tiere, an bittere Früchte, die nicht reiften, an Gras, das nicht grün und saftig werden wollte. Und er dachte an jene, die nicht genug Nahrung gehabt hatten, um den Winter zu überstehen, an jene, die nur wenige Schritte vom schützenden Lager entfernt im Schneesturm erfroren waren.