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„Das alte Banner des Parley ist zu den Frostwölfen gekommen, getragen von Gul’dan, Sohn keines Orcs von keinem Klan.“

Gul’dan wackelte mit einem tadelnden Finger. „Häuptling der Horde“, korrigierte er.

Ein Muskel in Durotans Kiefer zuckte, aber er fuhr dennoch im selben Tonfall fort. „Gul’dan, Sohn keines Orcs, Häuptling der Horde. Du bist mit Respekt vor der Macht und den Traditionen der Frostwölfe hierhergekommen. Als Träger des Banners sei deine Sicherheit garantiert. Für deine Achtung bieten wir dir und den Deinen ebenso Nahrung und Schutz wie den Unseren. Wir wenden dir unsere Ohren zu, denn so, wie wir durch das Vergießen von Blut unsere Stärke im Kampf beweisen, beweisen wir durch aufmerksames Lauschen unsere Vernunft.“

Zu keiner Sekunde wich der spöttische Ausdruck von Gul’dans Zügen. Als er an der Reihe war, sagte er: „Die Sitten und alten Gebräuche, die dich zur Zurückhaltung verpflichten, fordern, dass ich dir drei Dinge verrate: Wer ich bin. Was ich anbiete. Und was ich verlange.“ Er zog seine gebeugten Schultern hoch. „Aber ich nehme an, du weißt all diese Dinge bereits.“

„Das Ritual verlangt es so“, erklärte Geyah, ihre Stimme frostiger als der Winter.

Gul’dan seufzte. „Du kennst meinen Namen. Ich biete dir, was dein Vater ablehnte: Leben. Im Gegenzug möchte ich, dass du mein Angebot akzeptierst.“

Durotan antwortete nicht, nickte aber zu den beiden primitiven Holzstühlen beim Feuer hinüber. Der Hexenmeister ließ seinen gebeugten Körper auf einen von ihnen gleiten, wobei er auf die Dornen an seinem Umhang achten musste. Selbst im Licht des Tages konnte Durotan nicht erkennen, wie sie an seiner Kleidung befestigt waren. Anschließend zerrte Gul’dan an Garonas Kette, und sie kniete sich neben ihm in den Schnee, ihr Rücken so gerade wie einer der großen Bäume.

„Wie du schon sagtest, mein Vater hielt nichts von deinem Versprechen eines mystischen, neuen Landes“, begann Durotan, nachdem auch er Platz genommen hatte. „Aber ich bin nicht mein Vater, und ich werde mir anhören, was du zu sagen hast, um dann selbst zu beurteilen, was für den Frostwolfklan das Beste ist.“

„Es freut mich, das zu hören. Ich sah schon damals, dass du aufgeschlossen bist, Durotan.“

„Es wäre voreilig, sich zu freuen, solange ich meine Entscheidung noch nicht getroffen habe“, entgegnete er.

Gul’dan lachte mit tiefer, hohler Stimme. Drakas Hand, die auf seiner Schulter ruhte, während sie hinter ihm stand, verkrampfte sich, und ihre scharfen Fingernägel bohrten sich in seinen Umhang.

„Als ich deinen Klan das letzte Mal besuchte“, sagte der Hexenmeister, „meinte dein Vater, dass die Nöte, die wir durchlitten, lediglich Teil eines Zyklus wären. Er sprach wortgewandt von Ebbe und Flut, von Tod und Leben. Er war überzeugt, dass die Dinge sich ändern würden. Damals stand es noch besser um die Frostwölfe, nicht wahr? Alles, worum ihr euch sorgtet, waren längere Winter, kleinere Herden, geschrumpfte Ernten.“

Er hob seine Arme, die von Bändern aus geflochtenem Leder und Fell bedeckt waren, und schloss die gesamte Zuflucht in seine Geste ein. „Garad hatte recht. Die Dinge haben sich verändert. Jetzt leben die ehrenhaften, selbstsicheren Frostwölfe nicht länger am Frostfeuergrat. Die Heimat eurer Ahnen ist unter einst geschmolzenem Stein begraben – selbst in tausend Jahren könnte man sie nicht wiederaufbauen. Ihr musstet nach Norden fliehen. Euer Wasser ist vergiftet, eure Unterkunft krude. Das Gras wird nicht mehr grün, selbst, wenn es Frühling ist, und die Bäume tragen keine Früchte.“

Er richtete den Blick seiner glühenden grünen Augen auf die Mitglieder des Klans, die ringsum versammelt standen, um der Unterhaltung beizuwohnen. „Ich sehe weniger Frostwölfe als zuvor“, fuhr er mit trauriger Stimme fort. „Und deutlich weniger … Kinder. Verrate mir dies, Durotan. Wenn du dein Volk liebst, wie kannst du dann hierbleiben?“

„Schweig, du hinterhältiges Monster!“, erklang ein Ruf aus dem hinteren Teil der Menge. „Du weißt nichts darüber, was es heißt, ein Frostwolf zu sein!“

Durotan sprang auf und musterte mit wütendem Blick seinen versammelten Klan. „Schämt euch, Frostwölfe! Dieser Gast ist unter dem Banner des Parley hierhergekommen! Niemand wird so mit ihm sprechen.“ Anschließend fügte er hinzu: „Ganz gleich, was ihr auch denken mögt.“

Gul’dan nickte anerkennend. „Ich bin kein Frostwolf“, räumte er ein, „und ich kann mir vorstellen, dass ich denen, die nichts davon verstehen, wie ein Monster erscheine. Dass ich so aussehe, liegt an der Macht, die mir geschenkt wurde. Die Macht, jeden Einzelnen von euch in Sicherheit zu bringen. Sag mir“, fuhr er fort, „selbst, falls dies nur ein Zyklus ist, wie dein Vater es glaubte … Kann dein Klan überleben, bis die Dinge sich wieder ändern? Was bringen längere Sommer, wenn das Gras dann nur noch über den Gräbern der Frostwölfe wächst?“

Drakas Fingernägel gruben sich tiefer in den Umhang über Durotans Schulter, und die anderen brachen in wütendes Gemurmel aus, bis ihr Häuptling die Hand hob und Ruhe einforderte.

„Du sagtest, im Süden wäre es schlimmer. Ist das noch immer so?“

„In der Tat“, antwortete Gul’dan.

„Warum sollten wir diesen Ort dann verlassen? Woher sollen wir wissen, dass du uns nicht nur Lügen erzählst?“

Es war eine außerordentlich respektlose Frage, aber nichtsdestotrotz musste sie gestellt werden. Zu Durotans Überraschung lächelte der Hexenmeister. „Als ich zuvor euren Klan aufsuchte, brachte ich einen Blutapfel ohne Kerne. Diesmal habe ich etwas noch Besseres dabei: das Wort von jemandem, der die Wahrheit gesehen hat.“

Er winkte, und einer der Orcs aus seinem Gefolge trat vor. Er zog die Kapuze nach hinten, sodass man sein Gesicht sehen konnte, und drehte sich mit einem Lächeln zu Durotan um.

Die Augen des Häuptlings weiteten sich, als er ihn erkannte. „Kovogor!“

15

Der andere Orc machte Anstalten, sich zu verbeugen, aber da war Durotan bereits aufgestanden und zu ihm hinübergeeilt, um voller Freude nach seinen Unteramen zu greifen. »Kovogor! Bei den Geistern, es tut gut, dich zu sehen!«

„Ich freue mich ebenso, Durotan. Oder … Häuptling.“ Kovogors Grinsen war breit, seine Augen leuchteten. Er sah älter aus, aber das taten sie wohl alle, überlegte Durotan; es war Jahre her, dass die Frostwölfe und die Donnerfürstenorcs gemeinsam auf die Jagd gegangen waren, und die Zeit war mit niemandem gnädig gewesen. Doch in Kovogors Zügen lag noch immer dieselbe ruhige Geduld, an die er sich so lebhaft erinnerte. „Obwohl es mich schmerzt, die Nöte der Frostwölfe zu sehen. Falls es mir gestattet ist, Wissenshüterin“, fuhr er, an Geyah gewandt, fort, „würde ich gerne von der Situation im Süden berichten, und davon, wie Gul’dan die Horde führt.“

Geyah bedeutete ihm mit einem Nicken weiterzusprechen. Als Durotan sich wieder setzte, trat Kovogor ans Feuer und kniete sich vor den Häuptling.

„Einst dachte ich ebenso wie ihr. Ich stellte mich auf die Seite meines Häuptlings, als dieser an Gul’dans Magie zweifelte – und an seinen Worten von einer vereinten, mächtigen Orc-Horde. Es erschien uns unrealistisch. Gewiss würden wir nicht genug Beute für alle jagen können. Gewiss würde es zu Streitereien kommen. Selbst in Zeiten des Überflusses könnte so etwas nicht funktionieren, und erst recht nicht, wo Nahrung so selten und wertvoll ist. Ein derartiger Plan könnte nur in einer Katastrophe enden.“

Er sah zu Gul’dan auf. „Aber … es hat funktioniert. Natürlich nicht sofort. Es gab viele Mak’goras. Aber dann erkannten wir, dass jeder Klan andere Fähigkeiten besaß. Die einen kannten einen Ruf, um Eber anzulocken, die anderen wussten, wie man weißes Leder herstellte. Wir beherrschten Wurftechniken, die wir den anderen beibringen konnten.“ Mit einem wissenden Lächeln wandte er sich Durotan zu. „Im Gegenzug erfuhren wir, dass die Sternenblume …“

„… einen guten Schlaf fördert“, unterbrach ihn Draka.