Выбрать главу

„Vor dem Feuerfluss konnten wir planen; wir trockneten Fleisch und Fisch, legten Nüsse und Körner beiseite. Aber jetzt haben wir keine Nüsse oder Körner, und wenn wir Fisch oder Fleisch für einen späteren Zeitpunkt trocknen würden, hätten wir überhaupt nichts mehr zu essen. Es ist …“ Er suchte nach dem richtigen Wort.

Draka fand es für ihn. „Dringender“, sagte sie leise.

„Ja. Es ist dringender, als es damals war. Wie viel länger können wir das Ende austricksen? Wir klammern uns am Überleben fest, aber der Boden zerbröckelt unter unseren Fingern. Wir beide kennen Kovogor. Er würde nicht lügen. Und er glaubt an Gul’dan.“

Anstatt sofort etwas darauf zu entgegnen, wandte Durotan sich zu Draka um. Garona hatte nicht zu ihm gesprochen, sondern zu seiner Gefährtin, also würde er sie entscheiden lassen, wie viel sie mit den anderen teilen wollte. „Draka“, begann er. „Du weißt von Dingen, mit denen kein anderer von uns Erfahrung hat, und dieses Wissen hat uns geholfen. Es ist einer der Hauptgründe, warum wir so lange überlebt haben. Dank dir erschien mir auch vieles von dem, was Gul’dan sagte, nicht mehr so fremdartig.“

Draka schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Er und ich, wir wissen vielleicht beide, dass Orcs zusammenarbeiten können“, erwiderte sie. „Aber unsere Vorstellung von der Art dieser Zusammenarbeit könnte nicht unterschiedlicher sein.“ Sie zögerte und blickte die anderen an, während sie sich ihre nächsten Worte zurechtlegte. „Ich fühle eine Verwandtschaft mit seiner Sklavin, Garona. Wir haben einander nie zuvor gesehen; sie ist eine Fremde an diesem Ort. Ich selbst war lange allein unter Fremden.“

Sie hob eine Hand, um etwaigem Protest vorzubeugen. „Ihr werdet jetzt sagen, dass es da einen Unterschied gibt. Ich wurde nie an einer Kette gehalten, war nie jemandes ‚Eigentum‘ – ich war immer ein Frostwolf. Und ja, das ist wirklich ein Unterschied. Aber ich weiß, was es heißt, anders zu sein. Garona hat Stolz. Sie hat Intelligenz. Und sie hat Mut. Sie hat mir in der Sprache der Draenei gesagt, dass ihr Meister böse und gefährlich ist. Gul’dan hat Garona versklavt, und ich glaube, dass er uns alle versklaven würde.“

Durotan blickte von einem Gesicht zum nächsten. Die Züge seiner Mutter waren angespannt; Orgrims Miene wirkte besorgt und offen; Drek’Thars blinde Augen schienen auf etwas gerichtet, das er nicht sehen konnte. Schließlich fielen seine Augen auf seine Gefährtin.

Er würde uns alle versklaven.

„Kein Wesen, das denkt, das fühlt, das begreift, was mit ihm und seiner Umgebung geschieht, sollte versklavt werden. Wir haben alle gesehen, wie Gul’dan sie behandelt hat. Ich glaube, du hast recht, meine Gefährtin. Ich verspreche euch dies: Die Frostwölfe werden sich niemals beherrschen lassen. Unser eigener Stolz und die Geister verbieten uns, diesem grünen Orc und seinen Versprechen zu folgen.“

Doch noch während er diese Worte sprach – und auch später, als er mit seiner Frau in den Armen einschlief –, fragte er sich, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Sechs Tage nach Gul’dans Besuch und zwei Tage nach einem späten Schneefall kehrte Durotans Jagdgruppe frustriert und mit leeren Händen zum Lager zurück. Als er sah, dass sie bereits von einer kleinen Gruppe Orcs erwartet wurden, befürchtete der Häuptling das Schlimmste und drängte den erschöpften Scharfzahn, ihnen entgegenzueilen.

„Was ist passiert?“, rief er.

Die Orcs blickten einander an. „Nichts … noch nicht“, sagte Nokrar. Als Durotan in ihre Gesichter sah, wirkten sie entschlossen, aber seltsam ausweichend. Niemand außer Nokrar begegnete seinem fragenden Blick.

Die Erschöpfung lag auf Durotans Schultern wie ein schwerer Umhang. „Nun, wenn nichts passiert ist“, brummte er, „dann brauchen wir und unsere Wölfe jetzt erst einmal Essen, Wasser und Rast.“ Er wollte an ihnen vorbeireiten, aber Nokrar stellte sich Scharfzahn in den Weg. Es war ein wagemutiger Schritt – und ein herausfordernder.

„Wir alle brauchen diese Dinge, Häuptling“, erklärte er. „Und … einige von uns denken, dass wir wissen, wie wir sie bekommen.“

Durotan war schrecklich müde, und die Tatsache, dass sie keine Beute für den Klan gefunden hatten – nicht einmal ein paar Vögel, die sie mit altem, wurmzerfressenem Getreide in einem Topf kochen könnten –, machte ihn nur noch gereizter. Eigentlich hätte er absteigen und Nokrar bitten sollen, mit ihm zu kommen und ihm von seinem Anliegen zu erzählen. Doch er vermutete, dass er dieses Anliegen bereits kannte.

„Sofern die Geister dich nicht in ihren Dienst gerufen haben, Nokrar, oder du eine Methode gefunden hast, wie man Wild findet und Nahrung anbaut, weißt du nicht mehr als ich und jeder andere hier. Du solltest den Orcs, die die letzten sechs Tage unterwegs waren, um nach Fleisch für dich zu suchen, ein wenig Erholung gönnen. Außerdem wird Scharfzahn allmählich ungeduldig.“

„Wir wollen uns der Horde anschließen.“

Der Moment war also gekommen.

Durotan hatte damit gerechnet, aber noch nicht so früh. Abgesehen von Nokrars Gruppe schien bislang kaum jemand in dem geschäftigen Lager den zurückgekehrten Jägern Beachtung zu schenken, aber er konnte sehen, wie bei der Erwähnung des Wortes „Horde“ einige Köpfe in ihre Richtung herumruckten. „Ich weiß, du willst ein guter Gefährte und Vater sein“, sagte er, mit so viel Nachsicht, wie er im Augenblick zustande brachte. „Ich weiß, dass du dich um sie sorgst. Ich werde selbst bald ein Kind haben, und in gewisser Weise sind auch die Mitglieder dieses Klans meine Kinder. Ich sorge mich um euch alle, und du weißt, ich werde allen vernünftigen Vorschlägen Gehör schenken. Komme später zu mir, wenn ich mich ein wenig ausgeruht habe, dann unterhalten wir uns.“

Nokrar verlagerte das Gewicht. Durotan wusste, dass der Orc Grukag und seiner Familie nahegestanden hatte. Der Tod von Purzul und Margah war ein schwerer Schlag für ihn gewesen, und sein Häuptling vermutete, dass er sich noch nicht ganz davon erholt hatte.

Hat sich überhaupt irgendeiner von uns ganz von allem erholt, was wir durchmachen mussten?, fragte er sich. Werden wir uns je erholen? Und sollten wir das überhaupt?

„Wir finden … dass du dich falsch entschieden hast“, erklärte Nokrar schließlich. Er reckte das Kinn vor und richtete sich zu seiner ganzen imposanten Größe auf. Weitere Frostwölfe kamen herüber, um der Unterhaltung zu lauschen.

Durotan starrte sein Gegenüber an und richtete sich ebenfalls auf. „Ich bin dein Häuptling“, sagte er, seine Stimme leise und gefährlich. „Sei vorsichtig mit deinen Worten.“

Nokrar war impulsiv und leidenschaftlich; schon oft hatte er im Namen seiner Partnerin und seiner Kleinen die Stimme erhoben. Doch diesmal musste er nachgeben, und nicht nur, um Streit zu verhindern, sondern vor allem um seiner eigenen Sicherheit willen. Falls er so weitermachte, würde Durotan etwas tun müssen, worauf er nicht die geringste Lust hatte.

Doch Nokrar begriff es nicht. Er warf den Kopf zurück und begegnete trotzig dem Blick seines Häuptlings. „Wer gehen will, sollte gehen dürfen.“

Mindestens zwei Dutzend Frostwölfe hatten sich inzwischen versammelt, und während sie Durotan und Nokrar angespannt beobachteten, tauchten noch weitere Mitglieder des Klans aus ihren Unterkünften auf und kamen herüber.

„Und ihr würdet wertvolles Essen und Vorräte mitnehmen, nur, damit es verkommt, wenn ihr nach sieben Sonnen sterbt? Nein, so töricht bin ich nicht.“ Durotan senkte die Stimme und versuchte es ein letztes Mal. „Bleib, Nokrar. Ich verstehe, warum du so empfindest, und wir können …“

„Lass uns gehen oder …“ Nokrar hielt abrupt inne, als wäre ihm jetzt erst – viel zu spät – bewusstgeworden, was er getan hatte. Seine Augen weiteten sich leicht.