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Durotan lächelte Draka dankbar zu, als sie sich um seine Wunden kümmerte. „Hoffen wir, dass ihr alle recht habt. Falls ich ein Leben nehmen muss, um zu verhindern, dass der Klan im Chaos versinkt, dann werde ich es tun. Aber ich bete zu den Geistern, dass es nicht dazu kommt.“

Die heißen Wickel fühlten sich gut an und rochen sogar noch besser. Orgrim und Draka halfen ihm, sich auf seinem Schlaffell auszustrecken, und nur wenige Momente, nachdem er von dem Sternenblumengebräu getrunken hatte, sank Durotan, begleitet von den Gesängen Drek’Thars, in tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen weckte ihn die Stimme seiner Gefährtin.

„Durotan“, sagte Draka mit leisem, aber drängendem Ton. „Wach auf. Wir brauchen dich!“

Er war benommen von den Sternenblumen und hatte Mühe, seinen Kopf zu klären. Doch als er sich aufsetzte, verspürte er kaum noch Schmerzen, und er hielt kurz inne, um den Geistern und ihrem Diener Drek’Thar zu danken.

„Was ist? Was ist geschehen?“

„Nokrar ist fort. Und er hat seine ganze Familie mitgenommen.“

18

Drek’Thar war der Letzte gewesen, der die verschwundene Familie besucht hatte; er hatte nach Nokrar sehen wollen, nachdem er sich um Durotan gekümmert hatte. Der besiegte Orc war mürrisch und beschämt gewesen, wie der Schamane berichtete, aber etwas anderes war auch nicht zu erwarten gewesen.

„Es tut mir leid, Häuptling“, sagte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie einfach gehen würden.“

Draka schnaubte, während sie dem noch immer ächzenden Durotan in seine Rüstung half. „Natürlich nicht. Du bist ebenso wie der Rest von uns davon ausgegangen, dass Nokrar und Kagra einen Funken Verstand in ihren Dickschädeln hätten. Aber da haben wir sie wohl überschätzt.“

„Und nicht nur sie. Auch Grukag, Delgar und Kulzak“, sagte Orgrim, als er die Hütte betrat. „Alles in allem fünf Erwachsene und drei Kinder. Ich bin dafür, dass wir sie gehen lassen“, fügte er knurrend hinzu, obwohl auch er seine Rüstung trug, bereit, mit seinem Freund loszureiten. „Sie werden Gul’dan nicht einholen. Nach dem letzten Schnee werden sie vermutlich nicht einmal seiner Spur folgen können. Lassen wir sie verhungern. Oder vielleicht laufen sie ja ein paar Rotläufern über den Weg. Die würden sie schneller töten als der Hunger.“

„Du vergisst, dass sie die Kinder mitgenommen haben, Orgrim“, schnappte Durotan und schnallte Spalter hinter seinen Rücken. „Ich werde nicht zulassen, dass sie sterben, nur, weil ihre Eltern Narren sind. Sie sind Frostwolfkinder, die Zukunft unseres Klans, und sie schweben in Gefahr. Unsere Verpflichtung ihnen gegenüber ist eindeutig.“

„Was ist mit ihren Eltern?“

Durotan zögerte. Nokrars Sturheit verärgerte ihn über alle Maßen. Er und die anderen, die ihn begleiteten, brachten durch ihre Sturheit nicht nur ihre Kinder in Gefahr, sie zwangen den Klan auch, ihnen eine Gruppe hinterherzuschicken – eine Gruppe, die diese Zeit nutzen könnte, um nach Nahrung zu jagen. Einen kurzen Moment lang bedauerte der Häuptling seine Entscheidung, Nokrar zu verschonen, aber dann verdrängte er den Gedanken ebenso schnell wieder, wie er gekommen war.

„Wenn wir sie gefunden haben, werde ich entscheiden, was mit ihnen geschieht. Aber ich werde nichts tun, was den Klan in Gefahr bringt.“ Vielleicht würde Nokrar seine Lektion ja lernen, nachdem er eine Nacht allein in der Wildnis verbracht hatte, ganz der Gnade der Elemente ausgeliefert. Ein klapperndes Geräusch riss Durotan aus seinen düsteren Gedanken, und als er aufblickte, sah er Draka nach ihrer eigenen Rüstung greifen.

„Gefährtin“, sagte er, „du wirst hierbleiben.“

Sie hielt inne und zog eine Augenbraue nach oben. „Gefährte“, erwiderte sie dann. „Ich reite mit dir, so wie ich es immer tue.“

„Du bist schwanger, mein Herz.“ Durotan erhob sich und legte ihr zärtlich die Hand auf den Bauch. Er fühlte sich nur unmerklich weicher an, denn das Kind in ihrem Leib war noch jung. „Der Hauptgrund, warum wir ausreiten, ist, die wertvollen Leben der Jungen zu retten. Falls wir sie nicht finden, bleiben den Frostwölfen nur noch eine Handvoll Kinder, und unseres ist eines davon. Du bist die einzige Schwangere im Klan.“

Ihre Miene hätte den stärksten Baum verkümmern lassen. „Früher“, erklärte sie, „hielt man mich für zu schwach, um ein echter Frostwolf zu sein. Aber diese Zeiten sind vorbei. Ich gehe, wohin du gehst. Komme, was da wolle.“

Es wäre hoffnungslos, mit ihr zu diskutieren, und Durotan erkannte, dass er das auch gar nicht wollte. Ihr Platz war an seiner Seite, ebenso wie seiner an der ihren war. Das war ein Teil des Erbes, das er an sein Kind weiterreichen würde, ob es nun ein Junge war oder ein Mädchen.

„Komme, was da wolle“, stimmte er zu, dann sah er Orgrim an. „Du musst hierbleiben“, erklärte er. „Falls wir nicht zurückkehren, wird es zu Spannungen kommen. Der Klan braucht dann einen starken Anführer.“

Sein Freund brummte unglücklich. „Ich würde meinem Häuptling zwar besser dienen, wenn ich Nokrar und den anderen ein wenig Vernunft einprügeln dürfte“, sagte er. „Aber ich werde gehorchen.“

„Leg deine Rüstung besser nicht ab“, riet ihm Durotan. „Nur für alle Fälle.“ Es war überflüssig, die Gründe für solche Vorsichtsmaßnahmen laut auszusprechen. Die jüngsten Ereignisse hatten die Frostwölfe erschüttert wie nichts zuvor in der Geschichte des Klans. Nie hätte Durotan erwartet, dass jemand aus seinen eigenen Reihen ihn herausfordern würde, doch es war geschehen. Orgrim musste bereit sein, falls die Dinge hier eine hässliche Wendung nähmen.

Der andere Orc nickte, und mit einem Mal war jeglicher Humor verschwunden. „Lok’tar“, sagte er.

„Lok’tar“, wiederholte Durotan, dann ging er nach draußen, wo Scharfzahn bereits auf ihn wartete.

Begleitet von ihrer Jagdgruppe, ritten Durotan und Draka Seite an Seite dahin. Scharfzahn und Eis trugen sie in gleichbleibendem Tempo Meile um Meile über das Land, gerade langsam genug, dass sich das Paar unterhalten konnte.

„Ich hätte mit so etwas rechnen sollen“, sagte Durotan. „Gul’dans Worte müssen für die Verängstigten besonders verlockend geklungen haben, und Nokrar hat eine Familie, um die er sich kümmern muss. Vermutlich waren nur ein paar Worte von seiner Frau oder einem Freund nötig, um ihn zu der Überzeugung zu bringen, dass das hier“ – er deutete auf das unwirtliche Terrain vor ihnen – „seine beste Option sei.“

„Dein Herz ist gütiger als meines“, erwiderte Draka. „Ich habe mich dieser Wildnis allein gestellt. Ich weiß, wie gnadenlos sie ist.“ Sie blickte zu ihm hoch. „Und ich weiß, wie viel sie den Kleinen abverlangt. Das ist der Hauptgrund, warum ich wütend auf Nokrar bin: Nicht, weil er verschwunden ist, sondern weil er seine Kinder mitgenommen hat.“

„Er und die …“ Durotan runzelte die Stirn. Wie sollte er sie nennen? Frostwölfe? Sie hatten dem Klan den Rücken gekehrt. Rebellen? Sie waren nach dem Mak’gora nicht gewalttätig geworden. Verräter? Er schüttelte den Kopf. Es gab kein Wort in der orcischen Sprache, das Nokrar und seine Gruppe präzise beschreiben könnte. „Wir werden die Abtrünnigen bald gefunden haben“, sagte er schließlich, nicht wirklich zufrieden mit der Bezeichnung, aber wissend, dass er keine passendere finden würde. „Gul’dans Spur ist kaum zu erkennen, ihre hingegen ist so deutlich wie die Fährte eines verwundeten Grollhuf-Bullen.“

Draka warf den Kopf zurück und lachte. Der Laut wärmte Durotans Herz, und er grinste.

Seine Worte waren keine Übertreibung. Nokrar und seine Begleiter hatten fünf Wölfe genommen, und ihre Spuren waren klar zu erkennen. Sie führten fast direkt nach Süden und ließen keinen Zweifel daran, dass die Abtrünnigen versuchten, Gul’dan einzuholen.