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Die Jagdgruppe bestand aus fünf Orcs: Neben dem Häuptling und seiner Gefährtin waren da noch Gurlak, der Sänger, sowie Kruglar und Melakk, beide erfahrene Fährtenleser. Eis, Scharfzahn und die anderen Wölfe rannten harmonisch dahin, die Ohren angelegt, die Zungen aus dem Maul hängend. Durotan beneidete sie um ihre Unschuld. Sie preschten nicht los, um jemanden zu jagen, der sie verraten hatte; sie wollten sich den anderen Mitgliedern ihres Rudels anschließen, den wölfischen ebenso wie den orcischen.

Durotan fragte sich, wie er mit ihnen verfahren sollte. Die Kinder müssten natürlich zur Zuflucht zurückgebracht werden; ihre Überlebenschancen standen am besten, wenn der ganze Klan über sie wachte – und die Kinder mussten überleben. Doch was war mit den Erwachsenen? Nokrar hatte Durotans Autorität nun schon zum zweiten Mal angefochten; erst durch das Mak’gora, und dann, indem er sich wie ein Dieb in der Nacht davongeschlichen hatte, noch dazu mit dem Wertvollsten, was den Frostwölfen geblieben war. Selbst jetzt wollte Durotan den törichten Orc nicht töten, aber er sah keine andere Möglichkeit.

Scharfzahn blieb abrupt stehen, und Durotan musste sich an seinem dichten Fell festhalten, um nicht vom Rücken des Tieres zu fliegen. Der Körper des Wolfes spannte sich, und er beugte die Beine, die Ohren flach an den Schädel gelegt, während ein tiefes, gefährliches Knurren aus seiner Brust drang. Die anderen Wölfe verhielten sich ganz ähnlich, und Durotan bedeutete dem Rest der Jagdgruppe, es ihm nachzutun, während er Spalter zur Hand nahm.

Er schnupperte die Luft, konnte aber nichts wahrnehmen, das auf eine Gefahr hingedeutet hätte. Doch so scharf der Geruchssinn eines Orcs auch war, er verblasste im Vergleich zu dem eines Wolfes. Durotan vertraute seinem Freund. Er konnte nicht riechen, was ihre Reittiere rochen, aber er sah ihre Anspannung und die verschwitzten Gesichter seiner Begleiter, und das reichte ihm. Etwas Übles lag vor ihnen.

Auf den ersten Blick schien sich die Spur vor ihnen in nichts von der Spur, die hinter ihnen lag, zu unterscheiden: eine Schneise sorglos zertrampelten Schnees, die noch ein Stück weiterführte und dann zwischen einer Gruppe dicht beisammenstehender Kiefern verschwand. Er spürte, dass der Rest der Gruppe auf einen Befehl ihres Häuptlings wartete, also zeigte er auf die Spur und hielt zwei Finger in die Höhe. Anschließend deutete er auf die Wölfe und machte eine wedelnde Bewegung, die Handfläche nach unten gerichtet. Die Orcs sollten in Zweiergruppen weitergehen und ihre Tiere freilassen. Im Gegensatz zu den Abtrünnigen, die sie verfolgten, würden die Wölfe ihr Rudel niemals im Stich lassen, und falls es in der Beengtheit des Waldes zum Kampf kommen sollte, könnten sie mehr ausrichten, wenn sie nicht durch Reiter behindert wurden.

Die Frostwölfe rückten vor, darauf bedacht, nicht die schneebeladenen Äste zu berühren, als sie die Bäume erreichten. Lebenslange Erfahrung erlaubte es ihnen, sich beinahe lautlos durch den Schnee zu bewegen. Auch im Wald vor ihnen herrschte völlige Stille; weder Vogelrufe noch das Rascheln kleinerer Tiere war zu hören.

Die Spuren verrieten, dass auch die Abtrünnigen abgestiegen und neben ihren Wölfen hergegangen waren. Da keine kleinen Abdrücke von Kinderstiefeln zu sehen waren, schloss Durotan, dass die Eltern ihrem Nachwuchs erlaubt hatten, weiter auf den Tieren zu reiten. Er folgte dem Pfad mit den Augen und stellte fest, dass er nach rechts abknickte.

Da drehte der Wind, und Durotan keuchte. Jetzt konnte auch er ihn riechen, den Gestank von Blut – orcischem ebenso wie wölfischem. Und es war kein frisches Blut. Was immer sich hier zugetragen hatte, es musste schon vor mehreren Stunden geschehen sein.

Er blickte zu seinen Begleitern zurück und gab ihnen mit Handbewegungen nach links und rechts zu verstehen, dass sie sich aufteilen und dem Ursprung des Gestanks aus unterschiedlichen Richtungen nähern sollten. Die Orcs nickten und kamen seiner Aufforderung nach.

Durotan wusste nicht, was ihn erwarten würde. Vermutlich Leichen, die von Wölfen ebenso wie die von Orcs. Doch was – oder wer – hatte sie getötet?

Nun konnte er zwischen den dunklen Umrissen der Kiefern etwas erkennen: eine Lichtung, befleckt mit rotem und rötlich schwarzem Blut. Aber …

„Wo sind die Leichen?“, fragte Draka, die ein paar Schritte neben ihm ging.

Die Wölfe huschten an ihnen vorbei und schnüffelten an den teilweise gefrorenen Lachen im Schnee. Anschließend reckte Eis die Schnauze zum Himmel hoch, um seine gefallenen Rudelbrüder zu betrauern. Die anderen Tiere fielen in sein Geheul mit ein. Nun, da er sicher sein konnte, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, senkte Durotan seine Axt.

Auch die anderen ließen ihre Waffen sinken, während sie auf die Lichtung traten. Der Schnee war hier aufgewirbelt, und Kiefernnadeln lagen um den See aus rotem Blut verstreut. Als Durotan näher heranging, sah er eine breite, blutige Spur, die tiefer in den Wald führte.

Jemand musste alle fünf Wölfe getötet und sie davongeschleift haben. Hier war viel zu viel Blut, und davon abgesehen wären die Tiere niemals geflohen, wenn ihre Reiter in Gefahr waren. Durotan kannte nur eine Art von Raubtier, die so etwas tun würde – die so etwas tun könnte.

Offensichtlich hatten sie die Rotläufer doch nicht hinter sich gelassen, als sie vom Frostfeuergipfel geflohen waren.

Er trat vor und betrachtete die breite rote Spur. Wie er nun erkennen konnte, führten Stiefelabdrücke davon fort. Durotan folgte diesen Abdrücken mit den Augen, bis sie sich in der schattenverhangenen Düsternis des Waldes verloren. Die Wölfe rannten bereits in diese Richtung weiter, wobei sie abwechselnd wimmerten und grollten. Draka sprintete neben ihnen her, achtete aber darauf, die Spur nicht zu verwischen.

„Das ist zu viel Orc-Blut“, stellte Gurlak fest. „Jemand ist hier gestorben.“

Durotan blickte auf den schwarzroten Schnee hinab und erkannte, dass der Lok’vadnod-Sänger recht hatte. In seiner Naivität dachte er zunächst, dass ein Mitglied von Nokrars Gruppe verletzt worden war, aber …

Erneut zerriss klagendes Heulen die Luft, und diesmal war es noch gequälter, erfüllt von nackter Trauer.

„Durotan!“ Die Wölfe übertönten Drakas Ruf beinahe mit ihrem eigenen Lok’vadnod, aber er vernahm die Schärfe in ihrem Ton, verbunden mit etwas, das er noch nie in ihrer Stimme gehört hatte: Angst.

Der Rest der Gruppe rannte los. Sie fanden Draka und die Wölfe auf einer kleinen Lichtung vor, wo die Tiere zum Himmel hinaufheulten und die Orc-Frau wie gelähmt dastand und auf die blutige Szenerie vor ihren Füßen starrte.

Die fünf Wölfe waren gehäutet und ausgeweidet worden, sodass nur ausgehöhlte Kadaver übriggeblieben waren. Etwas Derartiges hatte Durotan bereits fast befürchtet; ihr Fell konnte einen Orc warmhalten, ihr Fleisch ihn stärken. Selbst die Frostwölfe verarbeiteten die Felle ihrer gestorbenen Wolfsbrüder, damit die Tiere nicht in Vergessenheit gerieten und dem Klan weiter dienen konnten. Natürlich tat ihm die Art, wie die Wölfe hier geschlachtet worden waren, trotzdem im Herzen weh, aber es war etwas anderes, was ihn und auch die anderen vor Schrecken erstarren ließ.

Das Leben eines Orcs war oft brutal, und der Tod sein ständiger Begleiter. Durotan hatte schon gesehen, wie Klanbrüder – manche von ihnen enge Freunde – von einer Herde tobender Grollhufe niedergetrampelt wurden; wie sie verbluteten, nachdem Talbuks sie auf die Hörner genommen hatten. Er hatte den Tod in der Schlacht und in Form schrecklicher, blutiger Unfälle erlebt.

Doch das hier …

Vor ihm lag eine Leiche – nein, dachte er grimmig, das ist nicht einmal mehr der richtige Begriff. Es waren die Überreste einer Leiche. Sie war nackt; ihre Mörder hatten ihre Kleidung und ihre Vorräte mitgenommen – und nicht nur das. Ebenso wie bei den Wölfen war dem Toten das Fleisch von den Knochen geschnitten worden. Seine Innereien hatte man herausgerissen und neben ihm auf den Boden geworfen. Trotz seines Schocks stellte Durotan mit verblüffender Klarheit fest, dass einige der Organe fehlten.